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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Gesäubert stehen Bänk’ und Tische,
Rein ist die ganze Siedelei.
Nun kommst du auch in deiner Nische,
Du alter Herrgott, an die Reih’.
Es braucht’s, daß man dich wasch’ und putz’
Von Ofenrauch und Fliegenschmutz –

so hatte mein humorvoller Begleiter bei diesem Anblick in sein Taschenbuch geschrieben – und so war’s in der That. Sie legten den heiligen Leichnam auf das Pflaster der Gasse, brachten Besen und Wassereimer, Schwamm und Seife herbei, und nun machten sie sich daran, den lieben Heiland, als wär’s ein profanes Möbel, zu säubern und zu waschen. ‚Fertig, Greth!‘ rief dann die kräftige Stimme der Alten, und – eins, zwei, drei – hatten sie das sauber gewaschene Heiligenbild wieder auf der Schulter und trugen es die Stufen zum Hause hinauf, in’s Stübchen zurück. Durchs Fenster sahen wir, wie der noch wassertriefende Welterlöser wieder an seinen gewohnten Platz in die Nische gestellt wurde, und dann machten Mutter und Tochter vor ihm in aller Ehrfurcht drei Knixe, knieeten nieder und beteten ihn an, ihn, den da vor Zeiten geformt hatten mit Hobel und Meißel der Gevatter Schreiner und Bildschnitzer und den da heute gewaschen hatten mit Seife und Besen Mutter Barbel und Greth, ihr schmuckes Töchterlein. Es war ein erbaulicher Anblick, der uns viel zu denken gab über die liebe Einfalt vom Lande und – die noch immer große Macht des orthodoxen Glaubens in den bairischen Bergen.“


Ein Geisterseher moderner Art. Zu welchen wahnsinnigen Phantasiegebilden sich die Anhänger der Lehre vom Spiritualismus versteigen, das beweist die im Nachstehenden wiedergegebene Stelle aus den Werken von A. J. Davis in New-York, welcher als Vorläufer des Spiritualismus unter den Gläubigen der „Harmonischen Philosophie“ einen hohen Rang einnimmt. Wir drucken den für die heutigen spiritistischen Verirrungen sehr bezeichnenden Passus aus einer kleinen Flugschrift von Richter Edmonds ab, welche unter dem Titel „Giebt es ein Leben nach dem Tode?“ auch in Deutschland eine ziemlich große Verbreitung gefunden hat. „In der Schlacht bei Fort Donelson,“ schreibt Davis, „sah ich, wie ein Soldat durch eine Kanonenkugel augenblicklich getödtet wurde. Sein einer Arm flog über die hohen Bäume weg. Das Gehirn war zum Theil in weite Ferne geschleudert, zum Theil auf dem Boden umher verspritzt. Seine Glieder und Finger huschten über die Todten und Sterbenden dahin. Nun, wie bekam dieser Mann einen geistigen Körper? Aehnliche Dinge habe ich zu öfteren Malen erschaut. Keine Todesfälle durch Kanonenkugeln, sondern ähnliche Todesarten durch Unglücksfälle oder Explosionen. Von diesem Manne also, dessen Körper beim Fort Donelson so vollständig vernichtet worden, sah ich alle geistigen Atome emporströmen und in der Luft sich sammeln. Die Atmosphäre war von solch goldenen Partikelchen – Ausströmungen der Todten – über dem ganzen Schlachtfelde angefüllt. Ungefähr Dreiviertel einer englischen Meile über dem Dampfe des Schlachtgetümmels, über all dem düstern Gewölk des finstern Haders, das Wald und Hügel bedeckte, dort oben in den reinen Lüften war es herrlich anzuschauen, wie die neue geistige Formbildung des plötzlich getödteten Soldaten vor sich ging; wie seine Finger und Zehen, sein Herz und Hirn sich wiederfanden. Da stand er nun, der neue geistige Körper, dreiviertel Meile über all dem Streit und Getöse, über aller Zerstörung des wüthenden Kampfes! Und gleichzeitig kamen die Leiber vieler Anderer aus verschiedenen Richtungen daher, sodaß ich im Umkreis von einer halben bis zu drei und fünf Meilen in der Höhe in der klaren ruhigen Luft sehen konnte, wie die geistigen Organismen sich bildeten und alsdann nach allen Seiten aufstiegen. Erst sah ich das Antlitz aus der Atome Goldwirbel sich entwickeln, alsdann den Kopf, den Hals, die Schultern und Arme. Das Ganze etwas schlanker, als der natürliche Körper, im Uebrigen aber ihm ganz gleich, sodaß Ihr augenblicklich die Gestalt und Gesichtszüge Eures alten Freundes erkennen würdet. Nur möchtet Ihr ausrufen: ‚Ei, Jakob, wie hast Du Dich zu Deinem Vortheil verändert! Du siehst viel klarer und hübscher aus. Deine Züge sind sanfter und liebreicher.‘ So ganz natürlich ist der geistige Körper, den der gute Gott in seiner Weisheit aus dem irdischen Staube erneut und verjüngt aufsteigen läßt.

Wie war nun die ‚Empfindung‘ des so plötzlich getödteten Mannes? Sie war für einige Zeit aufgehoben. Es gab für ihn kein Dasein. Denkt Euch den Fall. Es war ein gesunder, kräftiger Maschinenarbeiter, der mit seiner geladenen Muskete wacker in den Kampf gegangen war, um für das Sternenbanner zu streiten, das niemals sinken soll. Sein plötzlicher Tod war für ihn, was der Hammer für ein Stück Kiesel ist. Wenn ein harter Kieselstein schnell genug getroffen wird, zerstiebt er als Staub im Winde. Wäre der Schlag langsamer erfolgt, alsdann würde der Stein weder zermalmt noch zerstört worden sein. Es ist die Plötzlichkeit des Streiches, was die ‚Cohäsion‘ (den Zusammenhang) in dem Kiesel überrascht, gleichwie die Kanonenkugel die ‚Empfindung‘ der Individualität in dem Manne für den Augenblick vernichtet hatte. Die Individualität kehrt gewöhnlich bei plötzlichem Todesfalle nach einiger Tage Aufenthalt in einer Wohnstätte des Geister- oder Sommerlandes wieder. Die so plötzlich Verstorbenen werden in der Regel zu irgend einer Bruderschaft gebracht, in ein Hospital oder zu einem gastfreundlich geöffneten Pavillon, woselbst sie bewacht und sorgsam gepflegt werden, gleich all denjenigen, die aus den niedern Welten anlangen. Rückt nun der Augenblick heran für des Geistes Erwachen, alsdann wird entweder durch eine himmlische Musik die ‚Empfindung‘ wachgerufen, oder durch leise Handbewegungen und sanftes Anhauchen über dem Antlitze des Schlafenden, oder auch durch das melodische Murmeln eines nahen Silberbächleins. Und so wird der neue Ankömmling eingeführt in das Sommerland.“


Deutsche Musik im Auslande. Aus London erhalten wir folgende Zuschrift, deren Inhalt wir der Beachtung an maßgebender Stelle empfehlen: „Wenn die Handlanger deutscher Maurer und Zimmerleute während ihrer Mußezeit im Winter behufs Erweiterung ihrer Sprach- und Weltkenntniß Kunstreisen in’s Ausland unternehmen, so läßt sich kaum etwas dagegen einwenden, obwohl sie sich möglicher Weise daheim nützlicher beschäftigen könnten, als anderwärts mit ihrer Meßmusik den Leuten die Ohren zu zerreißen und den Hanswursten der englischen Bühne Stoff zur Unterhaltung des Publicums zu bieten.

Es giebt aber noch eine andere Gattung von fahrenden Tonkünstlern, welche bestrebt sind, die musikalische Begabung des deutschen Volkes den Ausländern zu veranschaulichen. Dies sind Mädchen im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren, die, mit Blechinstrumenten bewaffnet, unter Führung von älteren, jedoch nicht alten Frauenzimmern in den Straßen von London umherziehen und Vocal- und Instrumental-Concerte geben.

Möglich, daß diese Beschäftigungsweise der Gesundheit zuträglich ist; es scheint so, da die jungen Damen nichts zu wünschen übrig lassende Beweise von der Kraft ihrer Lungen geben.

Daß aber eine derartige Landstreicherei – ich halte diesen Ausdruck für nicht zu stark – einen entschieden ungünstigen, verderblichen Einfluß auf die Sittlichkeit ausüben muß, ist wohl unzweifelhaft. Ich bin der Meinung, daß da, wo gewissenlose Eltern oder Vormünder dem Kindesalter kaum entwachsene Mädchen allen mit dem Nomadenleben verbundenen Gefahren aussetzen, statt sie zu einer nützlichen Beschäftigung anzuhalten, die betreffenden Gemeindevorsteher oder nöthigenfalls selbst die Landesregierungen einschreiten sollten.

Die Mädchen, welche ich gestern auf der Straße singen hörte, sind aus Rheinbaiern, von woher die meisten dieser wandernden Künstler zu kommen scheinen, denn die, welche ich vor dem Jahre 1870 häufig im südlichen Frankreich gesehen und gehört habe, stammten ebenfalls aus jener Gegend.

W. N.“

Eine Rückert-Reliquie. Auf der Kneipe der Burschenschaft „Arminia“ zu Marburg hängt unter Glas und Rahmen das Original eines bisher noch ungedruckten Gedichtes von Fr. Rückert, welches derselbe der genannten Corporation als Antwort auf die „dem Dichter der geharnischten Sonette“ zu seinem fünfundsiebenzigsten Geburtstage überbrachten Glückwünsche zusandte. Dasselbe lautet:

Der Marburger „Arminia“.

Was helfen uns geharnischte Sonette!
In andern Waffen steh’n die Feinde da.
Ja Feinde fern und nah;
Daß gegen sie nur einen Hermann hätte
Germania!
Dich stärke, der einst brach die Kette,
Mit seines Namens Amulette.
Arminius, Arminia!

     Neuses. Ende Mai 1863.

Fr. Rückert.

Für den alten Kolter gingen wieder ein: aus der Sparcasse einer angehenden Künstlerin 3 Mk.; Einer, der früher in Oschatz einen Knopf anstatt des Geldes in die Kolter’sche Büchse gesteckt, 3 Mk.; Eckenraw hier 15 Mk.; Einer, der sich früher in die „Funkenburg“ bei Kolter’schen Vorstellungen eingeschmuggelt, 3 Mk.; aus Brieg 3 Mk.; J. M. Clanssen in Riesenburg 7 Mk.; B. R. in Marienburg 3 Mk.; J. A. in Wittenberge 3 Mk.; H. S. in W., für den alten Kolter, der ihn in Eisenach vor langen Jahren zu einem seiner ersten Gedichte veranlaßte, 5 Mk.; Mittwochsgesellschaft bei Lautsch 15 Mk.; aus Magdeburg 5 Mk.; aus Köln 3 Mk.; L. Club bei Otto Birnbaum 10 Mk.; Th. F. und Gebrüder R. v. F. 10 Mk.; Gebrüder Wohlfarth in Altenburg 7 Mk.; A. Kern und B. Leyrath in Creuzburg 10 Mk.; aus Bautzen 3 Mk.; von einer nordöstlichen Tischecke in Magdeburg 20 Mk.; von der „Quetzsche“ in Zwickau 30 Mk.; Klanig in Nördlingen 3 Mk.; gesammelt in einer Kindergesellschaft in Berlin 3 Mk.; Gastwirth Bergmann in Neuweisstein 16 Mk.; P. P. 5 Mk.; W. A. in Schnepfenthal 15 Mk.; von fünf fröhlichen Brüdern aus Aderstedt, die sich jetzt noch an dem Kolter-Marsche erfreuen, 18 Mk.; zwei Eisleber in Berlin 20 Mk.; gesammelt vom Baurathe S. am Gosen-Stammtische 12 Mk. 50 Pf. und F. K. für ein Partout-Billet auf einer Pappel der Lindenauer Chaussee 4 Mk.; die Stammgäste von Grebe’s Kaffee-Hause in Berlin 5 Mk.; Krüger in Dresden 5 Mk.; aus Petersburg 3 Rubel mit folgender Zuschrift:

„St. Petersburg, am 6/18. December 1875.

Ich war ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, als mich ein Hebräer, Herr Rosenheim, der in unserem Gasthause zu Nordhausen am Harz längere Zeit logirte und für den ich so manchen kleinen Weg that, dafür belohnte, indem er mich zu Kolter’s Vorstellung mitnahm. Es war an einem Sonnabend; wir Beide, ich im Sonntagskleide, gingen zur Vorstellung. Auf den Haagen angekommen, sagt Herr Rosenheim: ‚Höre, Paulinchen, mein Kind! Man wird jetzt gleich einsammeln, da sag’ nur: heute ist Schabbes‘. (Bekanntlich dürfen orthodoxe Juden am Schabbes kein Geld anrühren.) Ich that, wie er mich lehrte. Heute, Sonnabend, nehme ich die ‚Gartenlaube‘ zur Hand und lese von Kolter – und wieder ist heute Schabbes – aber mit Freuden entnehme ich meiner Casse drei Rubel und sende für Herrn Kolter, wenn auch nach vierundfünfzig Jahren, mein schuldiges Entree.“

Geschenk der Commune Glogau 75 Mk. und Ertrag einer vom Magistrate dort angeregten Sammlung 104 Mk. 65 Pf., zusammen 179 Mk. 65 Pf.

D. Red. d. Grtl.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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