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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


„Ich muß,“ entgegnete sie. „Es ist das Einzige, was ich jetzt noch für Euch thun kann. Ich bin Deinen Gründen gewichen, die mir den offenen Kampf mit Waldemar als nutzlos und gefährlich zeigten. Wir haben Wilicza als Mittelpunkt unserer Pläne aufgegeben, wenigstens vor der Hand, aber für Dich und Leo bleibt es immer der Ort, wohin Ihr Eure Botschaften sendet und von wo Euch Nachrichten zugehen; die Freiheit wenigstens werde ich zu behaupten wissen. Im schlimmsten Falle bleibt das Schloß Eure Zuflucht, wenn Ihr genöthigt sein solltet, Euch wieder über die Grenze zu werfen; auf diesseitigem Gebiete wird die Ruhe für diesmal ja nicht gestört. Wann gedenkt Ihr die Grenze zu passiren?“

„Wahrscheinlich diese Nacht noch. Wir werden auf der letzten Försterei abwarten, wann und wie es möglich ist; dorthin folgt uns heute Abend auch der letzte Waffentransport, um vorläufig in der Obhut des Försters zu bleiben. Ich hielt die Vorsicht doch für geboten. Wer weiß, ob Dein Sohn sich nicht einfallen läßt, übermorgen bei seiner Rückkehr das ganze Schloß zu durchsuchen.“

„Er wird es rein finden, wie –“ die Hand der Fürstin ballte sich im verhaltenen Ingrimme und ihre Lippen zuckten, „wie er es befohlen, aber ich schwöre es Dir, Bronislaw, er soll diesen Befehl und seine Tyrannei gegen uns büßen. Ich habe die Vergeltung in Händen und auch den Zügel, wenn er etwa versuchen sollte, noch weiter zu gehen.“

„Du machtest mir schon einmal eine solche Andeutung,“ sagte der Graf, „aber ich begreife wirklich nicht, womit Du eine solche Natur noch zähmen willst. Nach der Art, wie Wanda mir die Scene zwischen Dir und Waldemar geschildert hat, glaube ich nicht mehr, daß er noch irgend einem Zügel gehorcht.“

Die Fürstin schwieg. Sie schien nicht antworten zu wollen und wurde dessen auch überhoben, denn in diesem Augenblick trat das junge Paar aus der Fensternische zu ihnen.

„Es ist unmöglich, Mama, Wanda umzustimmen,“ sagte Leo zu seiner Mutter. „Sie weigert sich entschieden, nach Wilicza zu kommen, und will Rakowicz nicht verlassen.“

Die Fürstin wandte sich mit strengem Ausdrucke zu ihrer Nichte.

„Das ist eine Thorheit, Wanda. Es ist seit Monaten bestimmt, daß Du zu mir kommst, wenn diese längst vorhergesehene Abwesenheit Deines Vaters eintritt. Du kannst und sollst nicht allein in Rakowicz bleiben. Ich bin Dein natürlicher Schutz, und Du wirst ihn aufsuchen.“

„Verzeihung, liebe Tante, aber das werde ich nicht,“ erwiderte die junge Gräfin. „Ich will nicht Gast eines Hauses sein, dessen Herr uns in solcher Weise gegenübersteht. Ich ertrage das so wenig, wie Leo.“

„Glaubst Du, daß es Deiner Tante leicht wird, hier Stand zuhalten?“ fragte der Graf vorwurfsvoll. „Sie bringt uns das Opfer, weil sie uns Wilicza für den äußersten Fall sichern will, weil es überhaupt nicht aufgegeben werden darf, wenigstens für die Dauer nicht, und mit ihrem Fortgehen ist es uns verloren. Ich kann von Dir wohl die gleiche Selbstüberwindung fordern.“

„Aber weshalb ist denn gerade meine Gegenwart so unumgänglich nothwendig?“ rief Wanda mit kaum unterdrückter Heftigkeit. „Die Rücksichten, denen sich die Tante beugt, existiren doch für mich nicht – laß mich zu Hause, Papa!“

„Gieb nach, Wanda,“ bat Leo, „bleibe bei meiner Mutter! Wilicza liegt der Grenze um so vieles näher, ist um so vieles leichter zu erreichen; wir können besser in Verbindung mit einander bleiben. Vielleicht mache ich es möglich, Dich einmal zu sehen. Ich hasse Waldemar gewiß nicht weniger als Du, seit er sich offen als unser Feind erklärt hat, aber um meinetwillen bezwinge Dich und ertrage seine Nähe!“

Er hatte ihre Hand ergriffen. Wanda entzog sie ihm mit einer beinahe stürmischen Bewegung. „Laß mich, Leo! Wenn Du wüßtest, warum mich Deine Mutter durchaus in ihrer Nähe haben will, Du wärest der Erste, der sich dagegen setzte.“

Die Fürstin runzelte die Stirn, und ihrer Nichte rasch das Wort abschneidend, wandte sie sich zu dem Grafen:

„So zeige endlich einmal die väterliche Autorität, Bronislaw, und befiehl ihr zu bleiben! Sie muß in Wilicza bleiben.“

Die junge Gräfin fuhr auf bei diesen mit voller Härte ausgesprochenen Worten, die sie augenscheinlich auf’s Aeußerste brachten.

„Nun denn, wenn Du mich dazu zwingen willst, so mögen mein Vater und Leo auch den Grund erfahren. Ich habe Deine dunkeln Worte neulich nicht begriffen – jetzt verstehe ich sie. Ich soll der Schild sein, mit dem Du Dich Deinem Sohne gegenüber deckst. Du glaubst, daß ich die Einzige bin, die Waldemar nicht opfert, die Einzige, die ihn zurückhalten kann. Ich glaube das nicht, denn ich kenne ihn besser als Du, aber gleichviel, wer von uns Recht hat – ich will die Probe nicht machen.“

(Fortsetzung folgt.)




Nachdruck nicht gestattet.
Die Photographie des Blutes im Dienste der Criminaljustiz.
Von Dr. S. Th. Stein.


Unsere schöpferische, überall auf Neugestaltung hinwirkende Zeit hat die drei mächtigen Erscheinungen der Natur, den Dampf, die Electricität und das Licht, auf fast allen Gebieten des Wissens und Schaffens zu verwerthen verstanden. Während Elektricität und Galvanismus für den gegenseitigen geistigen Verkehr der Völker dienstbar gemacht wurden, während man den Dampf zur raschen Fortbewegung und zur Förderung der Industrie benutzte, während die Lehre vom Schall in der Musik ihre praktische Verwerthung fand, waren es die Gesetze des Lichtes und die Bewegungen der Lichtwellen, welche neben den Leistungen, die sie dem bürgerlichen Leben durch die Lichtbildkunst, die Photographie, erwiesen haben, fast ausschließlich der wissenschaftlichen Forschung in praktischer und theoretischer Hinsicht zu Gute kamen.

Die angewandten Lehren vom Lichte treten besonders zu Gunsten der Fächer ein, welche die Entwickelung der Naturwissenschaften zu fördern bestimmt sind, eröffnen aber auch anderen exacten Wissenszweigen ein reiches Feld der Thätigkeit und der Vervollkommnung. Daß optische Apparate für die Resultate der Astronomie von unschätzbarem Werthe geworden sind und die Errungenschaften anatomischer und physiologischer Studien durch die mikroskopische Forschung befestigt haben, daß sie in rastloser Thätigkeit verschiedenen Zweigen der Kunst und Industrie, insbesondere der Portrait- und Landschafts-Photographie ihre bilderzeugende Kraft zur Verfügung gestellt, sind allgemein bekannte Thatsachen. Man schreitet alltäglich in der Ausbildung der genannten Fächer weiter fort.

Auch in der Criminalgerichtspflege hat man in den jüngsten Jahren versucht, die Anwendung des Lichtes durch die Photographie einzubürgern, und dies ist in den betheiligten Kreisen wohlbekannt. Daß steckbriefliche Verfolgungen von Verbrechern durch die Versendung von Photographien zu schleuniger Erledigung geführt wurden, ist den Lesern der „Gartenlaube“ vor Kurzem in einem besonderen Artikel (Nr. 29) dargelegt worden; auch die directe Anwendung der Photographie zur Darstellung von Oertlichkeiten, die irgend einen Thatbestand beweisen sollen, hat sich von bedeutendem Werthe für die Untersuchung erwiesen. Allein eine weit förderlichere Benutzung steht der Photographie in Verbindung mit dem Mikroskope noch bevor.

Sehr häufig wird dem Gerichtsarzte und dem Gerichtschemiker die Frage vorgelegt, ob dieser oder jener Flecken an der Wäsche eines Angeschuldigten von Blut herrühre, ob einzelne Härchen, welche an den Kleidungsstücken eines verdächtigen Individuums gefunden wurden, Menschen- oder Thierhaare seien, ob Flecken auf Werkzeugen, Möbeln, Thüren, Wänden und Geschirren, die augenscheinlich eine Aehnlichkeit mit Blutflecken haben, wirklich von Blut herrühren oder nicht. Der Angeschuldigte leugnet entweder Alles, oder er räumt ein, daß die Flecken an seinen Kleidern wohl Blutflecken sein könnten, behauptet aber, daß sie von Thierblut herstammen. Es ist auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 695. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_695.jpg&oldid=- (Version vom 19.10.2019)