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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Jagten einander hin und wieder
In dem Himmel auf und nieder.

Nun wettert Petrus seinerseits:

„… Wollt Ihr in dem Himmel balgen?
Hebt Euch hinaus an lichten Galgen!“ –
Die Landsknecht’ ihn tückisch ansahen,
Und thäten auf Sanct Petrus schlahen,
Daß ihnen Sanct Peter mußt’ entlaufen,
Zum Herrn kam mit Aechzen und Schnaufen
Und klagt’ ihm über die Landsknecht’.
Der Herr sprach: „Dir geschieht nit Unrecht!
Hab’ ich Dir nicht gesaget heut’:
Laß sie drauß’ – es sind freche Leut’?“

Es handelt sich jetzt darum, die Raufbolde hinauszubringen.

Der Herr sprach: „Einen Engel gebeut,
Daß er eine Trommel nehm’ zur Hand,
Und vor des Himmels Pforten stand,
Und einen Lärmen davor schlag’!“
Sanct Peter thät nach seiner Sag’.
Sobald der Engel den Lärmen schlug,
Liefen die Landsknecht’ ohne Verzug
Eilend hinaus durch’s Himmelsthor;
Meinten, es sei ein Alarm davor.

Sanct Peter verschloß die Himmelspforten,
Versperrt die Landsknecht’ an den Orten.
Der’ keiner ist seither hineingekommen,
Weil Sanct[WS 1] Peter mit ihnen thät brummen.
Doch nehmt auf Schwankweis' dies Gedicht,
Wie Hans Sachs es ohn’ all’ Arges spricht.

Diese Darstellung ist ein Muster ruhiger Schalkheit. Die kurze, meist iambische Versform, die ja auch Goethe mehrmals dem Nürnberger Meister entlehnt hat, erhöht den lebendigen Eindruck. Ebenso vortrefflich, aber noch urkomischer, ist der andere Hans Sachs’sche Schwank: „Der Teufel läßt keinen Landsknecht mehr in die Hölle fahren“. Selbst dieser Schwank aber wird übertroffen durch den andern: „Warum die Bauern nicht gern Landsknechte beherbergen“. In solchen heiteren Darstellungen hat uns der Dichter die werthvollsten Züge zur Geschichte seiner Zeit aufbewahrt.

Die Landsknechte waren der häufige Vorwurf der Muse des auf Volksrecht und deutsche Einheit haltenden Bürgers der freien Reichsstadt. Jene Truppen bildeten bekanntlich den Anfang der stehenden Heere und damit der Macht des auf Zerreißung der Nationaleinheit abzielenden Landesfürstenthums. Durch nichts weniger als Mannszucht sich auszeichnend, standen die Landsknechte anfänglich nur ab und zu im Dienste, trieben sich, wenn entlassen, oft als abgerissene Bettler im Lande herum, wurden der Gegenstand eines halb ärgerlichen Mitleides und dadurch, sozusagen, schwankfähig. Nicht selten jedoch arteten sie in’s Räuberhafte aus. Im Hinblick all solches Unwesen nannte Hans Sachs den Krieg eine Mutter alles Ungemachs, aller Untugenden ein Ziehpflaster.

In seinem „Landsknechtsspiegel“ zeigt ihm der große Gott der Natur die Verheerungen des Krieges in Feld und Stadt, das Darniederliegen des Gewerbefleißes, die sittliche Versunkenheit der Streitenden, das Stillstehen der Gerechtigkeitspflege, die Schlacht mit ihren Schrecknissen. So will denn der Dichter, voll Trauer, nichts vom Kriege wissen; da antwortet ihm aber der Genius des Rechtes:

„Gesell! man muß des Feinds sich wehren,
Der wider Recht und Ehren bekümmert unser Land.
Allda mit theurer Hand wehrt man sich recht und billig.
Da sollst auch Du gutwillig Deinem Vaterland beisteh’n.
Als ein ehrlicher Mann d’ran setze Leib und Blut,
Kraft, Macht, Gewalt und Gut, Dein Vaterland zu retten –
Wie auch die Alten thäten.“

Bei aller Neigung zur scherzhaften Laune zieht sich dieser tief sittliche Ernst durch die gesammte dichterische Thätigkeit Hans Sachsens. Sein warmes Gefühl für menschliches Leiden ließ ihn, wie gegen die Tyrannei in Staat und Kirche, so auch gegen die verderblichen Fürstenkriege auftreten. In der ergreifenden Schilderung, welche die Aufschrift trägt; „Das schädlich große und starke Thier, der Krieg“, ist fast etwas von Dante’schem Sehergeist. Ja, es findet sich da bei dem sonst so ruhig öfters handwerksmäßig trocken erzählenden Dichter ein Schwung düsterer Weissagung, eine tief schmerzliche Ahnung kommenden Unheils, als hätte er die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges geahnt.

Hans Sachs hat jetzt endlich sein Denkmal in der Vaterstadt, die er mit so warmes Liebe besungen. Wünschen möchte man nur, daß auch seine so lange in Vergessenheit gerathenen Werke wieder Volkseigenthum würden, wie sie es einst gewesen. Alles, was sich auf diesen Volks-Goethe des sechszehnten Jahrhunderts bezieht, ist der Untersuchung wohl eben so werth, wie das ältere Schriftthum fremder Nationen, dem wir Deutsche stets so gründliche Aufmerksamkeit zuwenden. Darum mag bei Anlaß des Scherzes über „Die Juister“ der Hinweis auf einen Hans Sachs’schen Landsknechtsschwank schon gerechtfertigt sein. Das Zusammentreffen ist so überraschend, daß sich die Forschung nach der Quelle schnell aufdrängt.“[1]




Blätter und Blüthen.


Andreas Hofer’s Abschied von den Seinen. (Zu dem Bilde auf Seite 668 bis 669.) Auf der vorjährigen Berliner Kunstausstellung erschien noch in letzter Stunde ein Bild, an welches nicht einmal die letzte Hand gelegt war und welches doch sofort das Interesse fast allein für sich in Anspruch nahm: das jüngste Werk Defregger’s, des noch jugendlichen und doch so hochbewunderten Münchener Meisters. Der Stoff des Gemäldes war wieder derjenige, welcher Defregger am geläufigsten ist: ein tirolerischer, und wohl der populärste tirolerische Stoff für ein historisches Bild: der gefeierte „Sandwirth von Passeier“ auf seinem Todesgange. Defregger ist selbst Tiroler, ein Dorfkind aus Stronach bei Lienz, und er hat das Wesen seiner Landsleute mit einer Feinfühligkeit erfaßt, wie keiner von jenen Hunderten, welche aus dem Reiche in die Berge ziehen, um, aus rein malerischem Interesse oder auch blos, weil es Mode ist, Almhütten mit Sennerinnen und Tirolerbuben zu malen. Seine malerische Vergangenheit, vom ersten Bilde „Des Försters letzte Heimkehr“ bis zu dem Hofer-Bilde, bewegt sich denn auch fast ausschließlich auf tirolerischem Boden.

Was Defregger als Maler auszeichnet, das war auch in dem Hofer-Bilde wieder klar ausgeprägt: neben der guten Piloty’schen Schulung jene Naivetät der Auffassung, welche sich von jedem theatralischen Pathos und jeder Sentimentalität fern hält, jene Begabung großer Meister, welche schlicht und wahr und doch zugleich feingeistig Empfundenes zu vollendetem Ausdruck zu bringen vermag. Unsere Leser mögen sich die Wahrheit des Gesagten einigermaßen aus der Wiedergabe des Bildes in dieser Nummer bestätigen lassen. Die ergreifende Scene selbst ist gelegentlich der fünfzigjährigen Wiederkehr von Hofer’s Todestage in der „Gartenlaube“ geschildert worden (Jahrgang 1860, Seite 126). Am 10. Februar 1810 war es, Schlag elf Uhr Vormittags, als der gefangene Löwe, von seinem Beichtiger, dem Erzpriester Manifesti, begleitet, durch das Executionscommando zum Tode geführt wurde. Bei der Porta Molina, an den Kasematten, welche so viele gefangene Tiroler bargen, empfingen ihn auf den Knieen liegend, weinend und betend eine Anzahl Landsleute, welche frei herum gehen durften. Als der Sandwirth erschien, stürzten die Getreuen zu ihm hin, warfen sich vor ihm nieder und flehten um seinen Segen; Hofer nahm erschüttert Abschied von ihnen; er bat um Verzeihung, wenn er die Schuld an ihrem Unglück trage; er ermahnte sie, getrost und standhaft und dem Vaterlande treu zu bleiben. Fünfhundert Gulden, die er bei sich trug, übergab er dem Geistlichen, um sie unter die Leute zu vertheilen. Dann ging’s hinaus, zum Tode – dem Tode der Unsterblichen.




Zur Rettung deutscher Soldatenehre. Auf die Anklagen, welche das besiegte Frankreich nach Abzug der Sieger über deren sittliches Verhalten im Feindeslande ausschüttete und zum Theil noch ausschüttet, fällt dann und wann ein überraschendes Streiflicht. So erfuhr man vor einiger Zeit, daß Franzosen die Taschenuhren deutscher Soldaten deshalb als gestohlen betrachteten, weil die im Innern angebrachten Bezeichnungen französische waren – was bekanntlich mit einem französischen Ursprung nichts zu thun hat, sondern auf die schweizerische Herkunft der Mehrzahl unserer deutschen Uhren hinweist. Möge – beiläufig gesagt – die deutsche Uhrenfabrikation, welche die französischen Bezeichnungen in den Uhren wie Eierschalen aus dem schweizerischen Neste noch mit sich herumschleppt, aus jenen Mißverständnisse und seinen Folgen eine Lehre ziehen!

Dieser Tage nun geht uns von einem Freunde der „Gartenlaube“ eine Nummer des „Soleil“ vom 14. September zu, welche, gelegentlich eines Referats über eine stattgehabte Gerichtsverhandlung, nach einer andern Seite hin Aufklärung verbreitet. In der Kriegszeit wurden in Compiègne zwei preußische Soldaten kriegsrechtlich bestraft, welche unter der Anklage standen, der Frau eines gewissen Singeot, eines pensionirten Artillerie-Unterofficiers und Ritters der Ehrenlegion, den Arm zerschlagen zu haben. Dieser würdige Ritter der Ehrenlegion hat die nämliche Frau jüngst um’s Leben gebracht und ist jetzt dafür von den Assisen der Oise zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurtheilt worden; bei dieser Gelegenheit hat sich aber zugleich herausgestellt, daß er, der längst aus Wuth, seine Pension nicht allein verzehren zu können, sein Weib auf’s Schmählichste gemißhandelt, der Urheber jenes Armbruchs gewesen ist und daß er damals das unglückliche Opfer durch Bedrohung mit dem Tode gezwungen hat, die That auf die „Prussiens“ zu schieben. Wie manche der angeblich von diesen „Prussiens“ verübten Unthaten mögen auf solche Weise ihre Erklärung finden! Erfreulich aber wäre es, wenn die berichtete Entdeckung die Wirkung hätte, den unschuldig Gestraften zu einer officiellen Genugthuung zu verhelfen.




Kleiner Briefkasten.


B. P. in Wenersborg in Schweden und zahlreichen anderen Correspondenten diene zur Nachricht, daß, wie bereits mehrmals erklärt worden, der Zusammenhang unseres Blattes mit den „Allgemeinen Anzeigen zur ‚Gartenlaube‘“ ein rein äußerlicher ist. Eine Verantwortung für den Inhalt der unter selbstständiger Redaction stehenden „Anzeigen“ müssen wir durchaus ablehnen, wie wir auch bitten dürfen, Annoncen für dieselben nicht an unsere, sondern direct an folgende Adresse zu dirigiren: Expedition der „Allgemeinen Anzeigen zur ‚Gartenlaube‘“ in Leipzig, Peterskirchhof, 4.



Verantwortlicher Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. So sehr ich Hans Sachs verehre, und obwohl ich auf seinem Dreibein in Nürnberg gesessen und mich selbst zu einem Fastnachtsschwank: „Der Teufel zu Lübeck“ habe begeistern lassen, war mir doch, als ich die „Juister“ schrieb, der von Karl Blind treffend zur Vergleichung angezogene Schwank gänzlich entfallen. Meine Quelle ist die allermodernste: ein Aufsatz von Fanny Lewald, der voriges Jahr in einem hiesigen, bereits wieder eingegangenen Wochenblatte erschien. Berlin, im August 1879.
    Heinrich Kruse.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Panct
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_676.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)