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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

frühestens am 4. oder 5. November brach er auf. Es wurden in jenen Monaten zwei stehende Feste dort gefeiert, die Gedächtnißfeier der Schlacht bei Malplaquet (11. September), der ersten, welcher Friedrich Wilhelm beigewohnt, und das Hubertus-Fest (3. November). Zur Feier des 11. September wurde jedesmal eine große Parforcejagd angestellt, bei welcher zwei Hirsche gehetzt wurden.

„Des Mittags bei Tafel,“ so erzählt Morgenstern, des Königs lustiger Rath nach Gundling’s Tode, in seiner Schilderung des Malplaquet-Festes „mußten sich sowohl die Piqueurs mit ihren Parforcehörnern und Jägergeschrei, als auch das ganze Corps Hautboisten aus Potsdam hören lassen. Man trank scharf, und es gingen große Gläser herum.


Das Tabaks-Collegium: Sonst.
Original-Zeichnung von H. Lüders.


Auch wurden auf dem grünen Platze bei dem alten Schloßgebäude, nahe bei dem türkischen Zelte, einige kleine Kanonen aufgepflanzt und stark bei den Gesundheiten daraus geschossen. Endlich fingen Ihre Majestät der König auch an zu tanzen, aber mit lauter Officiers und absonderlich mit alten Generals. Darunter befand sich der Generallieutenant von Pannewitz, welcher in der Bataille von Malplaquet eine gewaltige Schmarre über den Kopf bekommen. Frauenzimmer befanden sich bei diesem Tanze nicht, sondern der Königin Majestät retirirten sich allemal mit den Prinzessinnen und Dero Damen, sobald das Mittagsmahl vorüber war.“

In ähnlicher Weise wurde das Hubertus-Fest begangen. Aber auch trübe Tage, ja die trübsten Tage seines Lebens, hat Friedrich Wilhelm in seinem Wusterhausen erlebt. Wir heben hier nur zwei Momente hervor, welche dem erschütternden Drama des Conflicts zwischen dem Könige Friedrich Wilhelm und seinem Sohne, dem Kronprinzen Friedrich, angehören.

Es war im Herbst des Jahres 1728. Das Einvernehmen zwischen Vater und Sohn hatte bereits manche Trübungen erfahren. Vor wenigen Wochen hatte jener unerfreuliche Briefwechsel stattgefunden, in welchem Friedrich den Vater bittet, ihm wieder seine Gnade zuzuwenden, wogegen dieser in seiner Antwort ihn einen „efeminirten Kerl“ schilt, „der sich nicht schämt, nicht reiten, noch schießen kann und dabei malpropre an seinem Leibe, seine Haare wie ein Narr sich frisirt und nicht verschneidet“ etc. In Königs-Wusterhausen wurde gerade das Hubertus-Fest gefeiert, bei welcher Gelegenheit es dieses Mal noch lebhafter herging, als gewöhnlich; denn einige Tage vorher hatte der König August der Zweite von Polen aus Dresden dem Könige allerhand Geschenke übersandt. Darunter befand sich ein silberner Mörser, aus dem eine gleichfalls silberne, vergoldete Granate geworfen werden konnte. Er war so schwer, daß nach Morgenstern „die alten Generale ihn wol kaum mit zweyen Händen halten konnten“. Dieser wurde bei der Hubertus-Feier eingeweiht, aber nicht mit Granatenwerfen, sondern – mit Gesundheiten trinken. „Derohalben ging er,“ erzählt Morgenstern, „auf die Gesundheit Sr. Majestät des Königs von Pohlen wacker herum, und so herrlich, wie selbigesmal, habe ich meines Orts das Hubertus-Fest am Königlichen Preußischen Hofe niemalen begehen sehen.“

In der mit grünen Tannen geschmückten Halle war die Tafel gedeckt. Es stand auch Ungar- und alter Rheinwein darauf. In dem großen Kamin, dessen Kacheln die gemalten Figuren der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg zeigen, flackerte ein lustiges Feuer, und schmetternde Jagdfanfaren schallten durch den Saal. Nicht weit von dem Könige, an der anderen Seite des Tisches, saß der sechszehnjährige Kronprinz, die Wangen vom Weingenuß etwas geröthet, neben ihm der polnische Gesandte von Suhm. Der Kronprinz sprach lauter und lebhafter, als gewöhnlich, ja, er ließ sich fortreißen, zu seinem Nachbar von der Knechtschaft zu sprechen, in der er am Hofe seines Vaters gehalten werde, und fragte den Gesandten, ob König August der Zweite ihm wohl die Erlaubniß zu einer Reise auswirken würde, um ihn wenigstens für einige Zeit aus diesem Zwange zu befreien. Nur wenn der strenge Blick des Vaters ihn traf, unterbrach sich der Kronprinz mit den Worten: „Und ich liebe ihn dennoch.“ Die Königin, welche neben dem Könige saß, ward besorgt, daß der König ihn hören möchte, und athmete auf, als die Tafel aufgehoben ward. Als darauf beim Abschiede der König dem Kronprinzen die Hand reichte, bedeckte dieser sie mit Küssen und warf sich ihm voll überströmenden Gefühls an die Brust. Alle Anwesenden waren tief ergriffen, auch der König schien bewegt, wehrte aber die Liebkosungen seines Sohnes mit den Worten ab: „Schon gut! Werde Du nur ein ehrlicher Kerl!“ – Niemals sah man den König vergnügter, als denselben Abend im Tabakscollegium. – Zwei Jahre später, um dieselbe Jahreszeit, befand sich der König wieder in Wusterhausen, aber die Räume des alten Schlosses blieben öde und finster. Nicht der lustige Schall eines Jagdhorns unterbrach die unheimliche Stille. Die Hubertus-Feier war für dieses Jahr abbestellt worden; auch das Tabakscollegium fand nicht statt. Verhängnißvolle Ereignisse hatten in der königlichen Familie sich zugetragen und die finstere Laune des Königs hervorgerufen. Was vor zwei Jahren flüchtig in der Seele des Kronprinzen aufgetaucht war, die Idee, sich der unwürdigen Behandlung am Hofe seines Vaters durch die Flucht zu entziehen, das war jetzt in der That zur Ausführung gekommen (vergl. Jahrg. 1872, Nr. 39). Im Schlosse zu Köpenick war das Kriegsgericht versammelt, um über den „Oberstlieutenant Fritz“ wegen Desertion das Urtheil zu sprechen, und in Wusterhausen wartete der König Friedrich Wilhelm auf den Spruch. Er wartete auf – das Todesurtheil über seinen Sohn, und der erzürnte König schien ganz in der Stimmung, um der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_540.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)