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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


etwas getäuscht sehen: „Ich bin zu alt, um Abenteuer zu beschreiben,“ sagte Nordenskjöld.

In dieser Weise zog sich die Unterhaltung hin, und die Diener hatten nach dem äußerst vortrefflichen Roth- und Weißwein Bier und schwedischen Punsch servirt. Da erhob sich der Gerichtsrath von Nordenskjöld aus Berlin und versammelte die Anwesenden um den großen Büffettisch, indem er auf den Gastgeber, Herrn Schönlank, einen Toast ausbrachte, den dieser mit einem solchen auf Nordenskjöld erwiderte.

Unter dem lauten Jubel der Anwesenden stand Nordenskjöld auf: „Ich danke Ihnen, meine Herren, für die großartige Art des Empfanges, den Sie mir bereitet haben, ebenso für Alles, was man hier in Berlin für uns gethan hat. Ich bin hier außerordentlich gut aufgenommen worden; die Behörden und Privatleute haben mir viel Ehre erwiesen; das Kronprinzen-Paar hat mich empfangen und heute auch der große Kaiser des Reiches. Die Berliner Tage werde ich nie vergessen; sie sind mir eine der schönsten Erinnerungen seit meiner Rückkehr von den arktischen Gegenden. Ich danke auch meinem Wirth, Herrn Schönlank, für seine zarte und unermüdliche Gastfreundschaft. Von Ihnen aber, meine Herren, trenne ich mich nicht für immer. So bald wie möglich werde ich zurückkommen, und hier in Berlin will ich dann längere Zeit ein ruhiges Leben mit meinen alten Freunden führen. Ein volles Glas unserm Wirthe Herrn Schönlank!“[1]

Mit großer Freude wurde dieses Hoch und diese unerwartete Nachricht aufgenommen. Dann erhob sich zu einem Schlußworte im Namen des Centralvereins für Handelsgeographie Herr Capitain-Lieutenant Darmer und sprach den innigsten Dank des Vereins dafür aus, daß Baron von Nordenskjöld die Bitte, Ehrenmitglied des Vereins zu werden, so bereitwillig erfüllt habe. Er erinnerte daran, daß Nordenskjöld nicht nur ein großer Entdecker, sondern auch ein Mann von bedeutendem praktischem Blick sei, der dem Handel bereits den Seeweg nach Sibirien eröffnet habe. In erster Linie haben die Hansastädte Deutschlands nicht gezögert, Schiffe und Producte nach Sibirien auszuschicken. „Herr Baron von Nordenskjöld wird in unserer Mitte stets Leute finden, welche nach Kräften seine Pläne zu fördern bereit sind.“

Hiermit waren die Reden beendet; die Mitternachtsstunde näherte sich; die Detailunterhaltung kam nicht wieder in Fluß. Jeder hatte dem berühmten Gast noch ein besonderes Abschiedswort zu sagen. „Schonen Sie sich! Sie sind es sich und der Welt schuldig!“ sagte Virchow mit ernster Stimme im Hinblick auf die neue Polarexpedition, welche Nordenskjöld in wenigen Jahren anzutreten gedenkt.

Bald darauf verließen wir das gastliche Haus; bereits nach wenigen Stunden aber, am frühen Morgen, fand sich ein kleinerer Kreis von uns wieder am Nordbahnhofe in Berlin zusammen. Nordenskjöld war ernst beim Abschiede; er unterhielt sich mit einigen Herren über Fritz Reuter, seine Lebensgeschichte, seine Festungshaft und seine Werke, indem er viele Fragen stellte. Dann brach er ab und in die Worte aus: „Es war doch wunderschön gestern Abend, meine Herren!“ – und damit erfolgte der Abschied.




Der Dom zu Köln.
Zum Weihefest eines deutschen Nationalbaues.
Von Dr. L. Ennen.
(Schluß.)


Die Stadt Köln konnte nicht zurück bleiben, wo es galt, den Ausbau des Gotteshauses zu fördern, in welchem die städtischen Schutzheiligen ruhten, und sich an der Ausschmückung und Vollendung der Perle aller deutschen Kirchen, des edelsten Kleinods deutscher Baukunst, zu betheiligen. Nachdem sie durch Stiftung eines eigenen Fensters, durch Erlaß eines großen Theiles der jährlichen Hafengebühren, durch bedeutende Beiträge zum Ankauf des im Interesse des Domes niedergelegten Lagerhauses auf dem Domhofe und des Krakamp'schen Hauses am Domkloster, durch Schenkungen von 15,000 Thaler für die Blei-Bedachung und durch bedeutende Zuschüsse zu den einzelnen Dombaufenstern von ihrem lebhaften Interesse für die Sache des Dombaues rühmliches Zeugniß abgelegt hatte, entschloß sie sich noch in jüngster Zeit zu einem Opfer von mehr als 50,000 Thaler, um die allseitige Freistellung des Domes zu ermöglichen. Schon in den vierziger Jahren war damit begonnen worden, die An- und Einbauten, welche den Dom einengten und verunstalteten, niederzureißen. So waren namentlich an der Nordseite unter anderm das Capitelhaus, neben und in dem Nordthurm die Küsterwohnungen, an der Südseite die Seminar-Kirche, das ehemalige Hohe Gericht, zwei Vicarhäuser, ein Zins- und ein Lagerhaus abgebrochen worden. Es erübrigte noch, an der Nordseite das alte Dompastorat, das Verwaltungsgebäude der Colonia, ein der Köln-Mindener Eisenbahn gehöriges Gebäude und endlich auf dem Domhofe das Local der Schulverwaltung niederzulegen. Dem Ernst und Tact des Ober-Bürgermeisters, Geheimen Regierungsrathes Stupp, gelang es, die desfalligen schwierigen Unterhandlungen zum glücklichen Ziele zu führen, und nachdem die Colonia, die Köln-Mindener Eisenbahn und das Domcapitel ihre Realitäten an die Stadt abgetreten, wurde von dieser Seite das Schulverwaltungsgebäude zum Abbruch käuflich erworben. Binnen Kurzem wird nun von allen Seiten ein freier, ungehinderter Anblick der herrlichen Domkirche ermöglicht sein.

Bei solcher allseitigen regen Betheiligung an dem großen Werke konnten die Arbeiten ungestört nach dem von dem Könige genehmigten Plane gefördert werden. Bis zum Jahre 1845 wurden die zerstörten Gewölbepfeiler und andere Mauerreste der Seitenschiffe in Stand gesetzt, die neuen Gewölbe in diesen Hallen eingezogen und die äußeren Umfassungsmauern so weit aufgebaut, daß die Bedachungen über den neuen Gewölben aufgelegt werden konnten. Drei Jahre später waren beide Portale sowie die Umfassungsmauern des Lang- und Querschiffes bis zur Höhe des ebenfalls eingespannten Nothdaches aufgebaut, sodaß am 14. August 1848, beim sechshundertjährigen Jubiläum der ersten Grundsteinlegung, die weiten Hallen des Langschiffes dem Gottesdienste geweiht werden konnten.

Nur mit unsäglicher Mühe gelang es, die Gefahr, welche der Fortführung des Baues durch die traurigen verwirrten Zeitverhältnisse im Jahre 1848 drohte, glücklich abzuwenden und die Bauhütte in Thätigkeit zu erhalten. Allmählich regte sich die Begeisterung wieder. So war es dem Meister möglich, den Bau so weit zu fördern, daß im Jahre 1854 sämmtliche kunstreiche Umfassungsmauern in Lang- und Querschiff vollendet dastanden und am 3. October des folgenden Jahres der Dachgiebel des neuen Südportals in Gegenwart des königlichen Protectors mit der Kreuzblume geschlossen werden konnte.

Von außen wurde der eigentliche Rumpf der Kirche durch die Eindeckung des eisernen Dachgerüstes über dem Lang- und Querschiffe des Domes vollendet. Die zusammen eine Länge von 720 Fuß messenden Dachflächen des Langschiffes und der beiden Querschiffe erhielten eine Bleideckung von circa 37,000 Quadrat-Fuß, deren Kosten größtentheils aus dem seitens der Stadt geleisteten außerordentlichen Beitrage von 15,000 Thalern bestritten wurden. Am 15. October 1860 setzte der Baumeister den goldenen Morgenstern auf der Spitze des 360 Fuß hohen kühnen eisernen Mittelthurmes auf. Es war dies das letzte Mal, daß Zwirner das Werk, dessen Vollendung der sehnlichste Wunsch seines Lebens gewesen, überschauen sollte. Am 22. September 1861 wurde er von dem Werke, an dem er achtundzwanzig Jahre lang mit so bewundernswerther Energie und Genialität gearbeitet, durch den Tod abberufen. An seiner Stelle übernahm sein langjähriger Gehülfe, Herr Landbaumeister Voigtel, die Leitung des Dombaues.

  1. Gerade diesen Augenblick bringt unser wohlgelungenes Bild zur Anschauung. Nordenskjöld (7), in der Mitte der Gesellschaft stehend, trinkt auf das Wohl des Herrn Schönlank, während A. Woldt, an der Ecke des Tisches sitzend, für die „Gartenlaube“ den Wortlaut des Toastes in der Eile stenographirt.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_703.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)