Seite:Die Gartenlaube (1881) 131.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


ist in hohem Grade für Ruge’s Wesen bezeichnend; er war ein Deutscher vom Wirbel bis zur Sohle, treu, schwerfällig, herzensrein. Er hätte sich beglückwünschen können, wenn ihm die Gelenkigkeit und Begabung Heine’s verliehen gewesen wäre, aber um den Preis leichtfertiger Gesinnung war ihm der Tausch mit Heine auch in Gedanken ein Gräuel. Dagegen hinderte ihn hinwiederum sein Deutschthum nicht, mit allen Revolutionären der Welt in Verbindung zu treten, mit Kossuth, Herzen, Bratiano, Mazzini, Prim, um der Freiheit zum Siege zu verhelfen. An Bildung und philosophischem Tiefsinn überragte er sie Alle, sie aber hatten die praktische Gewandtheit vor ihm voraus, und selbst Bakunin, als er zum wüsten Anarchisten geworden war, konnte sich greifbarer Ergebnisse seines Wirkens in höherem Maße rühmen, als der ungelenke Deutsche mit seinen treuen Augen und seinem breiten, ehrlichen Lachen.

Auch als Revolutionär war Ruge im besten Sinne ein Deutscher. Er verabscheute den Königsmord und hat jedes Attentat mit den stärksten Worten verdammt; er conspirirte dreißig Jahre lang, aber nicht, wie seine romanischen Freunde, aus Liebe zum Complotiren, nicht wie jener kürzlich gestorbene Franzose, Blanqui, der auf die Frage des Richters nach seinem Berufe, mit theatralischem Pathos erwiderte: „Conspirator“, sondern um der Sache willen, der er biete. Und als er merkte, daß ihn Italiener, Spanier, Rumänen und Russen im Londoner Exil mißbrauchten, daß sie sich seines Namens bediente, um ihre geheimen Anschläge mit ihm zu decken, da schnitt er tapfer den Faden entzwei, der ihn mit jenen verknüpfte, und zog sich aus dem europäischen Revolutionscomité zurück, um in dem Idyll von Brighton sich für immer zu bergen. Es waren ihm über manche Sorte von Exulanten gründlich die Augen aufgegangen.

Man muß dies im Auge behalten, um Runge gerecht zu würdigen. Es haben ihn Viele, die nicht werth waren, ihm die Schuhriemen zu lösen, als einen Phantasten verlacht. Andere schalten ihn einen sentimentalen Moralisten. Von alledem ist er nichts gewesen, aber voll und ganz ein Idealist war er, von dem Anfange seines Wirkens bis zum Ende. Als solcher hat er sein Vermögen, seine Ruhe, seine Zukunft und die Heimath unbedenklich für die Freiheit geopfert, die er sich zur Göttin erkoren hatte. Als solcher wird er auch fortleben. Seine Bücher werden vergessen sein; wer spricht heute noch von seinen philosophischen Untersuchungen, von seiner „Vorschule der Aesthetik“, seiner Erörterung über das Wesen des Humors? Auch seine vortrefflichen Uebersetzungen werthvoller englischer Werke, der Briefe des Junius, der Geschichte Buckle’s, obgleich sie ansehnlich beigetragen haben zur Entwickelung des geistigen Lebens in Deutschland, werden vielleicht nicht allzu lange seinen Namen in die Zukunft forttragen. Das kommt und verschwindet wie nach Homer die Blätter im Walde. Aber so lange eine Erinnnerung vorhanden sein wird an die Glanztage der deutschen Demokratie, so lange Kunde bleiben wird von dem Sturme und Drange, dem Ringen und Leiden jener tapferen Vorkämpfer deutscher Volksentfaltung, auf deren Schultern wir als die glücklicheren Epigonen stehen, so lange wird auch Arnold Ruge nicht vergessen sein; denn er hat seinen vollen Antheil an dem, was wir geworden, und worin er auch immer geirrt haben mag; ein Blick auf sein nunnmehr abgeschlossenes Lebem lehrt uns, was wir noch zu erstreben haben. Darum aber auch darf die wehmüthige Rückschau auf sein Leben schicklich in dem Wunsche enden, daß es uns niemals fehlen möge an Männern von seiner Art. Sie sind Deutschlands Stolz in der Fremde.




Am Meere.


So sanft, so ruhig lag es da,
Das Meer in seinen Purpurrosen;
     Ich trat ihm nah –
Mit einem Male hört’ ich’s tosen;

5
Es schlug den Strand mit Donnerwucht

In ew’gem Andrang, ew’ger Flucht –
Erschüttert bebt davon die Bucht.

Ja Meer, das bist du, friedevoll
Und schmeichelnd in den Sonnenstrahlen;

10
     Dein Zorngeroll

Aus Tiefen voll Titanenqualen
Erkennt erst, wer dir nahe tritt;
Nimm auch, was ich Geringes litt,
In dein erhab’nes Zürnen mit!

Neapel, April 1880.

Hermann Lingg.




Die „frommen“ Landsknechte.
Ein kriegerisches Culturbild aus der Reformationszeit.
Nach Leonhard Fronsperger, Adam Reißner und Barthold
dargestellt von Karl Ueberhorst.
(Schluß.)

Die Ausrichtung eines Landsknechtsregimentes, welches zumeist aus 5000 bis 6000, mitunter auch wohl aus 10,000 Knechten bestand, geschah durch einen erprobten, weltberühmten Kriegsobristen, dem der Kriegsherr einen Bestallungsbrief, das offene Werbepatent, sowie den Artikelbrief, welcher den Rechtsbrauch des Regimentes feststellte, zufertigte. Je größer der Ruf desselben unter den stets in enger Verbindung mit einander stehenden Kriegsgurgeln war, desto mehr Volk lief der aufgepflanzten Werbefahne zu, und sicherer Sold, sowie feste Verbriefung der Regimentsverfassung war den „ehrlichen, rüstigen Gesellen, welche zum Kriegsspiele geladen wurden“, dabei zu allen Zeiten die Hauptsache. Georg von Frundsberg und hundert Jahre später der gewaltige Friedländer genossen dieses Vertrauen in hohem Grade, Ersterer durch seine biedere, Zutrauen erweckende Persönlichkeit, Letzterer durch seine unerschöpflichen Hülfsmittel. Beiden ist es daher auch stets gelungen, mit zauberhafter Schnelle große Heere aufzurichten.

Der Feldobrist war unumschränkter Gebieter mit vielfach dictatorischer Gewalt. Unter Karl dem Fünften erhielt er einen Monatssold von vierhundert Gulden rheinisch, nebenbei für acht Trabanten, welche ihn stets und zwar in wunderlichster Tracht umliefen, für Dolmetsch, Caplan, Schreiber, Herold und vier gerüstete Pferde eine Monatszulage von zweihundert Gulden. Nach ihm erscheint der Schultheiß als wichtiger Beamter der soldatischen Republik. Kundig des Rechtes, muß er in die Hand des Obristen geloben, „dem Armen wie dem Reichen, Niemand zu Lieb noch Leid, den anvertrauten Stab zu führen“. Er bezieht Hauptmannssold: monatlich vierzig Gulden. Sowohl als öffentlicher Ankläger, wie als Vollstrecker des Urtheils tritt zunächst der furchtbare Profoß in den Vordergrund der Regimentsbeamten. Er hat ebenfalls Hauptmannsrang und Sold; – in seinem Gefolge erscheint der Stockmeister nebst Steckenknechten und als unentbehrliches Requisit damaliger Zeiten Meister Freimann mit Richtschwert und rothem Mantel. War im Lager der Galgen aufgerichtet – ein Gerechtigkeitssymbol, vor dem selbst Karl der Fünfte im Vorbeireiten den Hut abzunehmen pflegte – so begann die Thätigkeit des Profoßen in strenger Beaufsichtigung der Kaufleute, Marketender, des Spielplatzes und der Lagerordnung. Ein anderes, unserer Zeit kaum verständliches Amt ist dem Manne zugetheilt, welcher als Weibel über den dem Regimente nachziehenden Weiber- und Bubentroß der Herrscherstab, oder besser gesagt, den Prügel schwingt. Auch dieser Beamte bezog Hauptmannssold und in seinem Gefolge stolzirten Fähndrich, Lieutenant und Rumormeister einher. Der altgermannische Brauch, Weib und Kind auf den Kriegszügen mitzunehmen, hatte bei den Landsknechtsheeren einen solchen Troß von Weibern und Buben erzeugt, daß nur die strengste Zucht denselben zu bändigen vermochte.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_131.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)