Seite:Die Gartenlaube (1881) 201.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

die künftige Bäuerin selber, die Feuerliesl, vor ihnen stand! Sie starrten dem überraschenden Besuche verdutzt in’s Gesicht, doch vor Verblüffung rührte sich Keine vom Platze.

Die Himmelbauer-Liesl stand eine Weile ruhig zuwartend da; endlich fragte sie ungeduldig. „Wo is denn die Cilli?“

Die Wirthschafterin, nach der sie fragte, kam eben von der Wäschkammer herübergetrippelt.

„Jessas, d’Himmelbauer-Liesl!“ rief sie näherkommend und schlug in die Hände. „Ja, is das aber was Seltsam’s!“

„Grüß’ Gott, Cilli! I möcht mit’n Bauern red’n; i hab' ihm was Nothwendig’s zum sag’n.“

Die Alte schien verlegen.

„Der Bauer - ja, der Bauer -“ stotterte sie, „’s is so a Sach’. Er is a wen’g unpaß, aber wann er hört, wer ihm die seltsame Ehr’ erweist, da wird er, man i, glei g’sund werd’n. G’schwind sag’ i’s ihm.“ Und damit trippelte die Alte dem Hause zu.

Die Mägde hatten sich, sobald sie der Alten ansichtig wurden, zurückgezogen doch nicht ohne einander allerlei Bemerkungen über den merkwürdigen Besuch zuzuflüstern der ihnen völlig „aus der Weis“ schien.

So blieb Liesl allein zurück. Sie sah sich in dem Hofe um, in den sie nach der Leute Meinung bald als Bäuerin einziehen sollte. Als Bäuerin! Sie mußte jenes Sonntags aus der Kinderzeit gedenken, an welchem der Bachschneider-Loisl sich für sie mit dem Toni gebalgt und die Veronika sie von den drei Teichen heimgezerrt hatte. Damals hatte sie trotzig erklärt, keine Bäuerin werden zu wollen – und heute? Was führte sie heute hierher?

Der junge Bauer sah recht blaß aus, als er jetzt eilfertig aus der Thür trat und auf sie zuschritt, das Haar ungeordnet, die Miene erschlafft und die Augen von dem hellen Sonnenlichte geblendet. Verlegen streckte er ihr die Hand entgegen und stotterte einen Willkommengruß.

Reflexionen.
Nach dem Oelgemälde von C. Arnold.


Liesl stand aufrecht vor ihm und schien fast größer als er, so unsicher war seine Haltung.

„Kommst leicht z’wegen gestern?“ fragte Loisl und lachte laut, wie Verlegene pflegen. Sie sah ihn an. „Lach’ nit!“ sagte sie, „’s is a ernste Sach’, was i mit Dir red’n muß.“

Loisl ließ die noch immer ausgestreckte Hand sinken. Er sah der Dirne überrascht in die Augen und sagte leise. „Setz’ Di nieder oder komm in d’ Stub’n nein!“

„Schön Dank,“ erwiderte sie, „i bleib lieber da steh’n.“

Dann glättete sie die Falten ihrer Schürze, holte tief Athem und sagte:

„Loisl – i kann Di nit heirathen.“

Der junge Bauer riß die Augen auf und starrte seine Braut sprachlos an. Auch Liesl sprach nicht weiter. Jetzt, da das entscheidende Wort gefallen war, verließ sie plötzlich der Muth, mit dem sie es gesprochen hatte, gesprochen im Vollgefühle ihrer Liebe, die ihr das einzige Recht auf der Welt schien. Fühlte sie nun mit Eins das Unrecht, das sie damit den Anderen zufügte: ihrem Verlobten – ihrem Vater?! Heftiges Zittern überfiel sie, und weinend drückte sie die Hände vor die Augen.

Da geschah ein Wunder. Nicht mehr Loisl stand vor ihr, sondern Toni, der schlanke kraushaarige Toni; der sah sie mit seinen lieben, klaren Augen so zärtlich an, daß ihr das Herz stille stehen wollte. Er breitete die Arme aus und rief: Liesl! – Sie wollte auf ihn zu fliegen, wollte sich an seiner schützenden Brust bergen und ihm zurufen: Du, nur Du allein bist’s, den i gern hab’, Dir allein nur folg’ i auf der weiten Welt …! - Da öffnete sie die Augen, und das Wunderbild zerstob – Loisl stand wieder vor ihr. Er war es, der ihren Namen gerufen hatte.

„Liesl!“ wiederholte er jetzt, „das kann Dei ernstliche Mahnung net sein. Geh’, Du weißt gar net, was D’ sagst.“

„I waß, was i sag,“ entgegnete sie, „I kann Di net heirath’n.“

Der Bauer trat einen Schritt zurück.

„Z’weg'n ein’ Andern!“ rief er wild und ballte die Faust.

Das ernüchterte Liesl völlig.

„Ja, z’weg’n ein’ Andern!“ erwiderte sie hart, und ihre dunklen Augen blitzten herausfordernd. „Und wann Du’s wissen willst: Z’wege dem Toni, der mei Schatz is und den i so lieb hab’, daß Ihr mir eher ’s Herz selber herausreißen könnt’, als die Lieb’ daraus zu mein’ Toni.“

Hochaufgerichtet stand sie da, die Hände auf’s Herz gedrückt, als müsse sie die süße Liebe, die sie darin verwahrte, gegen die ganze feindliche Welt vertheidigen.

„Und jetzt b’hüt Gott, Loisl!“ schloß sie nach einer Weile und wandte sich dem Thore zu. Aber sie ging noch nicht. Einer plötzlichen Mitleidsregung folgend legte sie die Hand auf Loisl’s Schultern und sagte sanft. „Sei g’scheidt, Loisl! Schau, wir Zwei hätten ja do nit z’samm g’paßt. Da, gieb’ mir jetzt d’ Hand! d’ Lieb’ fragt halt amal nach kan Verlöbniß.“

Und damit ging sie. –00

„Den Bauern müssen’s gestern aber ordentli zugedeckt hab’n,“ dachte der Roß-Jackl, als er von der Schwemme heimgeritten kam und den Bauer an derselben Stelle stehen sah, an welcher ihn Liesl eben verlassen hatte. „Der sieht ja aus, als ob er für a ganze Wochen g’nug kriegt hätt’.“ Und lustig pfeifend führte er die Pferde in den Stall. –00

Der Liesl wartete daheim noch eine schwere Aufgabe; sie mußte den Vater von dem entscheidenden Schritte verständigen, den sie gethan hatte. Ohne Zagen ging sie auch daran. Der Himmelbauer stand eben in der Stube und blickte durch das geöffnete Fenster zur Hügelhöhe empor, die der Pendlwald krönt. Wen suchte sein Auge dort oben? Woran dachte er? Es war sonst nicht

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_201.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2022)