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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

classische der Panflöten und ihre Töne sind sehr rein, weich und angenehm. Fast schön aber klingt das Glockenspiel, das aus einer Scala aufgereihter Metallglocken, die auf einem kleinen kahnartigen Kasten als Resonanzboden ruhn, besteht und das mit zwei Klöppeln geschlagen wird. Die Klänge dieses Glockenspiels sind voll und sehr melodisch, dringen auch ungewöhnlich weit in die Ferne. Von den übrigen Instrumenten, meist schlechten Nachahmungen europäischer, läßt sich kaum etwas Interessantes sagen.

Die Kleidung des Volks ist eine überaus einfache und dem Klima angemessen. Die Siamesen tragen den Kopf, bis auf eine Krone über der Stirn, ganz kahl geschoren und zwar bei beiden Geschlechtern gleichmäßig. Da auch die übrige Kleidung, eine leichte Jacke und der „Sarong“, ein um die Lenden geschlungenes Tuch, genau denselben Schnitt haben, so ist es oft äußerst schwierig, den Siamesen von seiner Siamesin zu unterscheiden. Die Priester haben, wie alle Buddha-Priester, den Kopf ganz kahl geschoren, und ihre Sarongs und Shawls sind hellgelb.

Der in Siam herrschende Gebrauch, die Todten zu bestatten, ist uns so oft in die Augen gefallen, daß ich das Bild, obgleich es kein allzu geeignetes für Damenaugen ist, Ihnen doch mit einigen Strichen skizziren muß. Ich verspreche aber, sie so schonend als möglich ziehen zu wollen. Die Angehörigen der höchsten Rangclassen, welche die nicht unerheblichen Kosten nicht zu scheuen brauchen, verbrennen die Leichen der Ihren. Der Hauptverbrennungsort Bangkoks ist der Wat-Si-Het. Für die genannten vornehmen Reichen befindet sich hier ein viereckiges, auf Säulen ruhendes und von einer Kuppel mit langer Spitze bedecktes offenes Gebäude und in diesem eine steinerne Erhöhung von etwa sechs Fuß Länge und vier Fuß Breite. Auf dieser Erhöhung wird nun ein Gestell von vergoldetem Blech, das, in einer Höhe von zehn Fuß, von einem offenen Baldachin überdacht ist, errichtet, und auf ihm ruht der Todte. Der hohle Raum unter dem Gestell ist mit brennbaren Stoffen angefüllt, welche mittelst eines Leitfeuers angezündet werden, worauf die Verbrennung vor sich geht, ohne daß man mehr als einen leichten Rauch wahrnimmt. Diese Art der Bestattung hat nichts Abschreckendes.

Weniger vermögende Leute werden in Siam zwar auch verbrannt, aber nicht auf die gleiche kostbare und auch auf eine weniger ceremoniöse Art. Ihre Leiche kommt in einen rothen Kasten, Hände und Füße auf dem Rücken befestigt und mit dem Gesichte nach unten gelegt. Dieser Kasten wird dann auf einen richtigen Holzscheiterhaufen gestellt und mit Stäben abgestützt. Nachdem die Gebete in näselndem Ton abgeleiert sind, werfen die Umstehenden ein zusammengewickeltes Tuch sich gegenseitig, zweimal kreuzweise, über dem Scheiterhaufen zu, und dann wird dieser angezündet. Während er brennt, wird fortwährend Wasser über den Kasten gegossen, sodaß dieser möglichst lange der Zerstörung widersteht und von innen heraus brennt. Ich sah so ein Kind von zwölf Jahren verbrennen und mußte die Geschicklichkeit der Leute, die das traurige Geschäft leiteten, bewundern. Sie erhielten den Kasten so lange, bis die Leiche gänzlich zerstört war; dann erst fiel die eine Seite ein und zeigte durch die entstandene Lücke das glühende Gerippe des Kindes.

Die Art, wie die Armen Siams ihre Todten – wie soll ich sagen? „beseitigen“ ist wohl der schonendste Ausdruck, möchte ich am liebsten verschweigen und gehe auch, versprochenermaßen, so rasch wie möglich darüber hinweg. Da die Kosten einer Verbrennung unerschwinglich für sie sind, werfen sie die Leichen ihrer Angehörigen einfach den Raubthieren und den Vögeln unter dem Himmel zum Abnagen vor. Man findet nur zu häufig gefräßige, fette Hunde und gierig krächzende Geier bei ihrem ekeln Schmause. So empörend uns diese Sitte oder Unsitte erscheinen mag, der Siamese muß nichts sein Gefühl Verletzendes darin finden; denn es soll nicht selten vorkommen, daß auch leidlich Vermögende, die aber ihren Angehörigen alle Bestattungsausgaben zu ersparen wünschen, ihren todten Leib rechtskräftig den – Geiern vermachen.

Doch fort mit diesen unschönen Bildern!

Um aber den Uebergang zu andern, Ihnen, meine Gnädige, hoffentlich mehr zusagenden Schilderungen zu finden, will ich eines kleinen Jagdabenteuers erwähnen. Die beachtenswerthe Geschicklichkeit eines unserer Officiere hatte nämlich dabei Gelegenheit, sich im günstigsten Lichte zu zeigen, und erwarb unserm tapferen Freunde im siegreichen Kampf mit einem Meerungeheuer den glorreichen Namen des „großen Haitödters“. Verschiedene Haie, die herausfordernd unser Schiff umkreisten, hatten uns zuerst geärgert, dann aufgeregt und zuletzt zum höchsten Jagdeifer angefeuert. Mit den stärksten Angelhaken gingen wir den Ungeheuern zu Leibe, freilich lange ohne jeden Erfolg, da die ungewöhnlich starken Burschen auch die massivsten, größten Haken gerade bogen. Unser Freund ließ nun eine mächtige Harpune zurecht legen und, als ein Hai einmal wieder an der Angel saß, ihn langsam und vorsichtig an die Meeresoberfläche ziehen. Dann warf er ihm die schwere Harpune durch den Leib und schoß ihm zur Sicherheit noch ein paar Spitzkugeln in den Kopf. Das Wüthen und Schlagen des todtwunden Thieres war unglaublich; die doppelten Angelhaken zermalmte er und nur die Harpune saß, und an dieser holten wir ihn endlich auch an Deck. Das Ungethüm war über zehn Fuß lang bei einem Umfang von fünf Fuß acht Zoll in der Mitte des Leibes; das herausgeschnittene Gebiß aber erwies sich als so groß, daß ein Mann bequem zwischen den Zähnen durchkriechen konnte.

Von sonstigen Jagdresultaten ist nur Eines zu vermelden. Ich hatte Gelegenheit gehabt, die Bekanntschaft des Gouverneurs von Bang-Sa-Mung zu machen, und dieser hatte mich aufgefordert, bei ihm in Bang-Pra zu jagen, mir auch jede Unterstützung zugesagt.

In Begleitung zweier, gleich mir, mordlustiger Kadetten und ausgerüstet mit zehn Flaschen Champagner, meinem Gastgeschenk, war ich denn auch zu ihm aufgebrochen. Ich fand den hohen Würdenträger, umlagert von allen seinen Frauen, seinen Beamten und Dienern in der offenen Veranda seines Hauses sitzen. Er empfing uns sehr freundlich und nahm mein bescheidenes „Mitbringsel“ sichtlich angenehm berührt auf, entsetzte sich aber mit seiner gesammten Umgebung nicht wenig, als wir später ihm zu Ehren einen Pfropfen knallen ließen. Unsere Unterhaltung war keine sonderlich eingehende oder gar geistreiche, da es sich herausstellte, daß der von uns mitgenommene Dolmetscher, ein Malaye, fast gar kein Englisch verstand und auch nicht Witz genug besaß, etwas Gesagtes zu errathen. So beschränkte sich unsere Annäherung auf gemeinschaftliches Thee- und Champagnertrinken, Bananenessen und sich dabei ab und zu Anlächeln und Zunicken. Trotzdem wage ich zu behaupten, daß wir einen günstigen Eindruck hinterließen, namentlich bei den Damen. Kein voreiliges, spöttisches Lächeln, Gnädigste! Die bescheidene Aufklärung folgt. Ich war nämlich so umsichtig gewesen, meine Taschen mit allerlei mir von befreundeten Damen daheim mitgegebenen Herrlichkeiten, als da waren Perlenhalsbänder, imitirte Granatbracelets etc., anzufüllen. Mit diesen rückte ich denn in’s Treffen und machte erstaunliches Glück damit. Die braunen Schönen rissen ihre vom Betelkauen gefärbten Mäulchen sperrangelweit vor Entzücken auf und warfen mir so feurig dankbare Blicke zu, daß ich es für die häusliche Ruhe meines gütigen Gastgebers gerathen fand, mich zurückzuziehen, zumal auch meine Taschen leer waren. Wir verabschiedeten uns also unter allgemeinen Freundschaftsgrüßen.

Kaum in unser Boot zurückgekehrt, empfing ich dort den höflichen Gegenbesuch des Gouverneurs. Wir tranken, nickten und lächelten uns wieder zu und trennten uns endlich aufathmend. Zuvor aber nahm mich der Dolmetscher bei Seite und wußte mir, trotz seines mangelhaften Englisch, klar zu machen, daß Seine Excellenz mich um ein paar meiner weißen – Schuhe ersuchen ließe, da hochseine gerade zufällig zerrissen seien. Ich mußte gute Miene zum bösen Spiel machen und erkaufte mir, durch bereitwillige Vergabe meiner netten, neuen Schuhe noch ein ganz absonderlich anerkennendes Abschiedsschmunzeln.

Am andern Morgen ganz früh brachen wir zu der verabredeten Jagdpartie auf – eine stattliche Schaar, da außer uns Jägern noch zwei von unsern Bootsleuten und eine große Anzahl Kulis mit uns waren. Viel Jagdbares aber trafen wir, leider, nicht an. Ein großer Maraboustorch, ein Affe und allerlei kleines Gethier war speciell meine ganze Beute. Um elf Uhr etwa machten wir bei einem Cocoswäldchen Halt und hier, in der drückenden Hitze, ist mir zum ersten Male der volle Werth der Cocosnüsse, dieser unübertrefflichen Frucht, welche über Nacht die ganze Frische und Kühle des Thaus annimmt und bewahrt, klar geworden. Wir schwelgten geradezu in ihrem aromatischen Kern und in ihrer köstlichen, labenden Milch.

Der Platz, den wir zu unserem ersten Ruhepunkt gewählt, war überaus malerisch. Vor uns lag das Wäldchen mit seinen hohen, vielkronigen, unter der Last ihrer Früchte sich neigenden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_254.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)