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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Erbauers, in der Mitte die Jahreszahl der Erbauung und in der andern Ecke Vor- und Zunamen der Eheleute. Doch ist auch hier oft eine verschiedene Anordnung eingehalten. In alten Häusern befinden sich unmittelbar neben dem Thore innerhalb des Hauses links und rechts schmale Räume, „die Wamm“ genannt, in denen Jungvieh gleich nach der Geburt untergebracht wird, weil es die wärmsten Theile der Diele sind; „Wamm“ ist daher wohl durch Zusammenziehung aus Warm entstanden.

In die Diele oder „Deele“ eintretend, befinden wir uns nun in einem weiten und hohen, aber so dunklen Raume, daß wir für den ersten Augenblick Nichts als die gegenüberliegende, matt herüberdämmernde Howand zu unterscheiden vermögen – ein Eindruck, der um so frappanter wirkt, aus je grellerem Sonnenlichte wir kommen. Der Grund dieser Dunkelheit ist der, daß die Diele ihr Licht nur durch das Thor und den Resten der gegenüberliegenden seitlings erleuchteten Howand erhält. Einmal aber darin, verlieren wir den düstern Eindruck bald (im Sommer wirkt schon die stetige Kühle der Diele ungemein erquickend) und wir sind in der Lage, uns umzusehen. Der Boden besteht aus festgestampftem Lehm und wird zum Ausdreschen der Frucht etc. benutzt. Die Decke ist aus starken, in Zwischenräumen querübergelegten Balken gebildet, die vom Rauche des Herdes vollständig schwarz, ja rußglänzend gefärbt sind; über dieser Decke befindet sich der Fruchtboden bis zu dem sogenannten Hahnenbalken oder Hahnenjoche hinaus, dem obersten längs dem Firste liegenden Balken, welcher die Sparren des Daches aufnimmt.

Blicken wir nun nach rechts und links, so stehen wir einer der hervorragendsten Eigenthümlichkeiten des niederdeutschen Hauses gegenüber: den Viehständen; dieselben laufen auf beiden Längsseiten des Hauses hin. Die Pferde befinden sich meist rechts, das Rindvieh dagegen links. Die einzelnen Räume sind durch starke, vom Reiben des Viehs glatt polirte Balken von einander abgetrennt, – und diese in Zwischenräumen aufgestellten Balken gestatten dem Vieh das bequeme Hindurchstecken von Kopf und Hals und die Entgegennahme des Futters; einer der Ballen kann ausgehoben werden und bildet die Thür in den Stand. Diese Verbindung des Stalles mit den Wohn- und Haushaltungsräumen hält man im oberen Deutschland geradezu für einen Mangel an Civilisation. In dem Zusammenleben mit den Hausthieren unter einem Dache liegt aber ein so gemüthlicher, mit dem Wesen bäuerlichen Lebens übereinstimmender Zug, daß auch der Fremde sich bald davon angeheimelt fühlt, und was der Niederdeutsche als besonderen Vorzug anführt, daß man das Vieh jederzeit unter dem Auge hat, ist so zutreffend, daß es zur Genüge für sich selbst spricht. (? Die Red.)

Zwischen dem Viehstande und der Balkendecke befindet sich ein Raum, „Hille“ oder „Helgen“, welcher zur Unterbringung theils von Futter, theils von Torf oder auch von Geräthen und Gerümpel benutzt wird, während ein anderer Raum, der Waschort, wo auch der Backtrog u. dergl. Aufstellung findet, am Ende des einen Standes liegt. Zwischen der Howand und den Viehständen liegen kleinere zimmerartige Räume, welche theils als Gesindestube, theils aber auch als Wohnstube dienen, wie sich überhaupt in der Anordnung dieser Räume vielfache Verschiedenheiten finden. Die Wände der Diele und die Hauptbalken des Viehstandes bis zur Howand hin sind mit Ackergeräthen, Geschirren für Pferde und Kühe etc. behängt; auch stehen hier nach der Howand zu die alten Eichenschränke, oft mit außerordentlich schöner Schnitzerei von oben bis unten reich verziert, die mächtigen Truhen, in welche manchmal Jahreszahlen von hohem Alter eingeschnitten sind, die vielfach auf Rädern ruhen und zum Theil dieselbe geschmacklose Malerei zeigen, wie die anderen Bauerntruhen unseres gesammten Vaterlandes. Hier finden auch Geräthe größeren Calibers Aufstellung, wie z. B. die auf der Skizze rechts sichtbare Grützemaschine. Es ist hier nicht der Raum, um verschiedene dieser Geräthe aufzuführen, nur eines ganz absonderlichen sei noch Erwähnung gethan, nämlich einer Buttermaschine, welche nach Art des Bratspießes durch ein von einem Hunde getretenes Rad bewegt wird – die untenstehende Skizze erläutert das Uebrige.

Buttermaschine

Ich habe diese Maschine ebenso in der Lüneburger Haide, wie in der Oldenburger Marsch gefunden jedoch stets nur bei einem Hofe mit größerem Viehstande. Das Ding hat aber eine höchst humoristische Seite, die ich dem Leser nicht vorenthalten will; ist nämlich der Hund in der wirthschaftlichen Thätigkeit des Butterns begriffen, und betritt ein Fremder die Diele, so erwacht in dem Thiere zugleich die sicherheitspolizeiliche Natur, und wie eine Verdickung jener beiden Factoren oft genug vom Uebel zu sein pflegt, so auch hier; denn der Hund, welcher seinem Eifer keinen andern Ausdruck geben kann, fängt an im Rade derart zu strampeln, daß die Butter rings in der Diele herumzuspritzen beginnt – die Hausleute eilen in diesem Falle schleunigst herbei, um ihn aus dem Rade zu befreien und so die Butter zu retten.

Mit unserer Schilderung sind wir nun bis zur Howand gediehen, welche an sich den Uebergang von der Diele zur Stube bildet, in ihrer Bedeutung aber die letztere vollständig in den Schatten stellt, da die Howand der eigentliche Wohnraum ist; denn hier nimmt der Bauer auf dem großen breiten Tische seine Mahlzeiten ein; hier kocht er; hier verrichtet er alle Geschäfte des täglichen Lebens. Die Howand ist aber nicht allein der Schauplatz der täglichen Geschäfte, sondern in Verbindung mit der Diele auch derjenige der außergewöhnlichen Ereignisse des Lebens – hier wird die Kindtaufe, die Hochzeit mit allen eingeladenen Nachbarn festlich und namentlich mit Tanz gefeiert, bei welcher die Diele den Tanzplatz abgiebt – hier aber steht auch der Sarg und wird die Trauerfeierlichkeit abgehalten.

Auf beiden Seiten hat die Howand Fenster nach außen, ebenso je eine Thür (Tegen-Sitelthür); außerdem aber befinden sich an der die Howand bildenden, der Diele zugewandten Seite der Dönse Fenster, aus denen man die ganze Diele übersehen kann. (Bei alten Häusern ist die Howand ab und zu durch ein niedriges hölzernes Gitter abgetrennt.) Der Lehmboden der Diele wird auf der Howand durch ein Pflaster meist verschiedenfarbiger, in regelmäßigen Vierecken wechselnder kleiner Kiesel abgelöst, und hier stehen die Torfkasten, ebenso alle Küchengeräte, darunter manch werthvolles alterthümliches Stück.

Auf der Howand finden wir nun auch jene Stelle des Hauses, welche bei allen Völkern eine besondere Verehrung genießt – die Feuerstatt – und hier im niederdeutschen Bauernhause tritt sie uns noch in der altertümlichsten Form entgegen; ohne irgend weiche Vorrichtung, mitten auf dem Boden der Howand, brennt das Herdfeuer, und der Rauch zieht, langsam an der Decke der Diele emporsteigend, zum Thor hinaus.

Die Einrichtung des Herdes, auch „Herdkuhle“ genannt, ist folgende: Das Feuer selbst wird entweder unmittelbar auf den Steinen des Bodens oder auf einer kegelförmigen Anschüttung von Sand oder endlich auf einer gemauerten Unterlage von Backsteinen hergerichtet, welche auch öfter hohl und an einer Seite mit einer Oeffnung versehen ist, um der Flamme Luftzug zuzuführen. Ueber diesem Herd befindet sich an einem in die Wand eingelassenen Balken ein nach links und rechts bewegliches galgenförmiges Holzstück, der Wendhaken, von welchem entweder eine einfache Kette oder ein sägeförmiger eiserner Halter, der Ketelhaken herabhängt, an welch letzterem wiederum, soll er noch verlängert werben, ein eiserner Haken, der „Längholt“ befestigt wird; der Apparat dient dazu, den Kessel über dem Feuer aufzuhängen. Ueberragt wird das Ganze von einer Herddecke, die da, wo sie nicht einfach blos aus Brettern besteht, sondern mit roh ans Holz geschnitzten Pferdeköpfen auf lang geschweiften Hälsen (den Springern des Schachspiels sehr ähnlich) verziert ist, der ganzen Diele ein altertümliches Aussehen verleiht. Ueber dem Herd hängen nun im Rauche an horizontalen Stangen Speckwiem) die Schinken und Speckseiten.

Dieses Herdfeuer kann zwar noch vollständig als typisch gelten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_627.jpg&oldid=- (Version vom 10.10.2022)