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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

persönlicher Unabhängigkeit, bewahrten ihn glücklich vor dem gefährlichen Versuche, den sicheren Boden des einmal erlernten Gewerbes für immer zu verlassen. Zwar mit der Gärtnerei hatte er sich seit seiner Rückkehr aus Dresden nie mehr beschäftigt. Alsbald nach seiner Ankunft in Köstritz hatte er vielmehr unter der Leitung eines verwandten und befreundeten Malers das Landschaftszeichnen und Malen erlernt; mit Porcellanmalen erwarb er sich den Lebensunterhalt, während sein eigentliches Sinnen und Trachten physikalischen Studien gewidmet war.

Allein fünf Jahre nach Schottin’s Tode, im Jahre 1843, als er selbst eben einunddreißig zählte und noch ehe der Druck seines großen Tafelwerkes über die magnetischen Curven beendet war, keimte in ihm der Plan, ein Handelsgärtner zu werden, wobei er allerdings mit der bestimmten Aussicht rechnen konnte, für den ersten Anfang ein

Dr. Johann Ernst Herger.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Fleckchen des kleinen väterlichen Gartengrundstückes ohne Zinszahlung benutzen zu dürfen. Nun fiel denn auch den braven Eltern ein schwerer Stein vom Herzen. Lange genug hatten sie mit bangem Kopfschütteln den sonderbaren Bestrebungen ihres Sohnes zugeschaut, und nur die Autorität und innige Theilnahme des verehrten Hofrath Schottin hatte in früherer Zeit den öfteren Ausbruch sehr ernster Scenen verhütet.

Ernst Herger dachte zunächst an die gleichzeitige Pflege von Rosen und Nelken. Aber rasch, sobald der Entschluß erst einmal gefaßt war, ging er auch an’s Werk: für einen Thaler erwarb er sich in Dresden einige Moosrosenreiser und begründete mit solchem Anlagekapital sein später so weit ausgedehntes Rosengeschäft. Gleichzeitig pflanzte er ein kleines Beet mit Nelken an. – Doch wie sich nun bekannt machen, wie seine Zöglinge vertreiben, an wen sie verkaufen? Zu diesem Zwecke sandte er im nächstfolgenden Jahre Boten mit Mustern aus; die mußten in den Dörfern und Städtchen der Umgegend zuerst Aufträge auf Nelkensenker sammeln, und siehe: es gingen deren zum ersten Mal auf sechsundzwanzig Dutzend ein. Und ein Jahr später schickte er, einen Mann mit einem Rosenbäumchen aus, um nun auch Aufträge auf solche heimzubringen, und wieder war der Erfolg ein günstiger: es kamen Aufträge auf vierundzwanzig Stück zu je einem Thaler. Dies war der Anfang des später so großartigen Handelsgeschäfts.

Es war eine eigenthümliche energische Thätigkeit, die Herger in jenen Tagen zu entwickeln wußte. In Leipzig wurden eben die prachtvollen Tafeln zu seinen magnetischen Untersuchungen gestochen, und diese schwierige Aufgabe verlangte sehr häufig seine Gegenwart in der entfernten Stadt. Da machte er sich meist des Nachts auf den Weg und legte die vierzehnstündige Strecke von Köstritz bis dorthin zu Fuße zurück, und kaum war dann in Leipzig sein Geschäft beendet, so wendete er unverzüglich seine Schritte wieder der Heimath zu, wo nothwendige Gartenarbeit seiner harrte.

Seine Thätigkeit kannte kaum noch Grenzen. Zur Cultur hochstämmiger Rosenbäume brauchte er langaufgeschossene Rosenwildlinge. Zu ungeduldig, um lange zu warten, bis die von ihm ausgesandten Leute – meist Tagediebe, die gern vagirten – ihm solche brächten, machte er sich lieber sogleich selber an die Arbeit, und nun sah man den Mann, der noch vor Kurzem die Schwingungen der Magnetnadel gezählt, den Zeichenstift und Malerpinsel geführt hatte, mit einer schweren Hacke auf dem Rücken, die Wälder der Umgegend durchstreifen und auf die dornigen Ruthen fahnden, von deren Werth damals noch Niemand etwas ahnte. So viel ist gewiß: hatte Herger irgendwo vom Standorte eines prächtigen Rosenwildlings erfahren, und wäre dies der gepflegte Gartenzaun irgend eines grimmigen Hofbauern gewesen: der Wildling mußte heraus und sein eigen werden.[1]

Von nun an – das heißt von der Mitte der Vierziger Jahre an – gedieh die Herger’sche Rosenzucht und der Herger’sche Rosenverkauf zusehends. Schon nach zwei Jahren war das Fleckchen elterlichen Gartens, mit dessen Anbau er ursprünglich begonnen, für die erweiterten Bedürfnisse zu enge; es mußte mehr Raum geschaffen, neues Land erworben werden. Zuerst wurde nun von einem Nachbar ein schmales Streifchen für 140 Thaler erhandelt; von da ab aber, innerhalb fünfzehn Jahren, wuchs der Garten durch immer neuen Landankauf zu der beträchtlichen Größe von zwölf Morgen Grundfläche an, die er im Wesentlichen heute, wo er längst in andere Hände übergegangen, noch immer besitzt. Die Zahl der hochstämmigen Rosenbäume, die, veredelt und in sauberen und wohlgeordneten Schulen an einander gereiht, auf diesem Grundstücke standen, betrug längere Jahre hindurch mehr denn 70,000, und daneben wieder waren mehrere andere Morgen Landes mit wurzelechten Strauchexemplaren bepflanzt, sodaß dort zur Zeit der Blüthe ein wahrhaftes Meer von Rosen zu schauen war.

Wenn man fragt, durch welche Mittel denn die Rosenzucht Herger’s zu so rascher und glänzender Blüthe gelangte oder wie es kam, daß sich seine Rosen schon binnen weniger Jahre einen wahren Weltruf erwarben, so läßt sich dieser Erfolg, abgesehen von der damaligen Zeit, die vielleicht dem ganzen Unternehmen von vornherein günstig war, im Wesentlichen auf die tüchtige Art und die besondere Begabung des Mannes selbst zurückführen. Zunächst war Herger nicht etwa nur bestrebt, von allen namentlich in Frankreich und Belgien gezüchteten Rosen stets nur die neuesten in Deutschland einzubürgern; mit sicherem Blicke erkannte und wählte er hierzu vielmehr die tüchtigsten, besonders für deutsches Klima geeigneten. Er verschwendete nicht lange Zeit, Mühe und Geld vergebens an Sorten, die nun einmal in seinem Garten nicht gedeihen wollten; er vermehrte dauernd nur solche, die seine sorgfältigste Prüfung bestanden, und ließ, wie ein Vergleich seiner verschiedenen Kataloge erkennen läßt, mit Entschiedenheit fallen, was sich nicht als genügend kräftig bewährt hatte. Alsdann aber waren es auch hier wieder Herger’s erfinderischer Geist und sein bedeutendes Geschick im Experimentiren, wodurch das ganze Unternehmen von Anfang an sehr mächtig

  1. Als später der Bedarf von starken Rosenwildlingen immer bedeutender wurde, reichte die nähere Umgebung zu deren Production bald nicht mehr aus, und einzelne vagirende Lieferanten Herger’s erstreckten nun ihre Streifzüge weit hinein in die Thüringischen Wälder, ja sogar bis in den nördlichen Harz, in die tiefen Waldschluchten am Fuße der Harzburg.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 781. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_781.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)