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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

sie unter dem Titel „Merlino Coccajo“ in Turin erscheinen sollte, zugestehen; schon beim Betrachten eines einfachen leuchtenden Gegenstandes flimmern Einem nach wenigen Secunden die Augen. Wie würde es erst sein, wenn man leuchtende Schrift lesen sollte!

Noch weniger allgemeine Anwendung scheint die Beleuchtung ganzer Räume durch Sonnenphosphore, wie sie schon Noah in seiner Arche gehabt haben soll (siehe „Gartenlaube“ S. 10) finden zu können. Deutsche und schweizerische Eisenbahndirectionen stellen zur Zeit Versuche all, ob man in Eisenbahnwagons, deren Decken mit Leuchtfarbe bestrichen sind, Petroleum oder Gas sparen könne. Für Waggons, welche lange Tunnels zu passiren haben, scheint die Idee nicht übel. Die schon erwähnte Thonwaarenfabrik zu Seegerhall hat sich eine sogenannte Lichtmagnetlampe patentiren lassen, die zur Erleuchtung feuergefährlicher Räume als Scheunen, Petroleumlager, Spritfabriken etc. dienen soll, um bei deren Scheine gröbere Arbeiten verrichten zu können. Dieselbe besteht einfach aus einem möglichst großen, aus Pappe oder Blech angefertigten, trichter- oder hohlspiegelförmigen Schirm, dessen Innenseite mit der Leuchtfarbe überzogen ist. Das von dieser „Lampe“ ausgestrahlte Licht ist immerhin ein sehr schwaches und kommt dem Vollmondscheine bei Weitem nicht gleich. Uebrigens kann man sich derartige Schirme und sonstige Leuchtgegenstände leicht selbst anfertigen, da die Balmain’sche Leuchtfarbe durch die Firma Wirth u. Comp. in Frankfurt am Main – freilich nicht ganz billig! – zu beziehen ist. Im Oelanstrich ist dieselbe gegen Feuchtigkeit so wenig empfindlich, daß man damit sogar leuchtende Taucheranzüge hergestellt hat.

Gegenüber dem blauleuchtenden Balmain’schen ist von dem Chemiker Gäde in Berlin auch ein grünleuchtendes Schwefelcalcium bereitet worden, und da man auch gelb und roth leuchtende Varietäten erzielen kann, so sollte man statt der leuchtenden Büsten lieber leuchtende Sträuße mit grünen Blättern und mit rothen und blauen Blumen anfertigen.




„Reise um die Pariser Welt“ von Theophil Zolling (Stuttgart, Spemann). Der durch seine Feuilletons über Paris und die Pariser rühmlich bekannte Verfasser will in diesem Buche „ein getreues und möglichst umfassendes Bild des materiellen und geistigen Pariser Lebens unter der dritten Republik“ geben - und er giebt es in der That: der Pariser und die Pariserin, der Provinzler und der Fremde, die Armen und die Elenden, das Leben auf der Straße und im Salon, auf den Auctionen und im Bazar, in den Cafes und in den Spielhöllen – all dies führt uns Theophil Zolling in oft äußerst realistisch, oft pikant und fast blendend farbig gemalten Bildern aus der Seinestadt vor, und was seinen Schilderungen und Genrebildern einen besonderen Reiz verleiht, das ist die glückliche Vereinigung von zweierlei, das man so selten beisammen findet: er vermählt den kecken frischen Ton des Feuilletonisten mit der gediegenen Gründlichkeit des Psychologen und Ethnographen. Man folge ihm in die französische Akademie, die er so anmuthig und scharf zu schildern weiß, in das Theater, das er so gründlich kennt, oder in die Ateliers der ersten großen Pariser Maler, wo sein kunstverständiges Auge das Charakteristische und Schablonenmäßige so fein zu sondern weiß – überall wird man ihn als einen geistvollen Mentor erproben. Unter allen hier vereinigten ernsten und heitern Feuilletons möchten wir indessen den Preis den Studien über das politische Leben von Paris erteilen, Studien über die Abgeordnetenkammer, den Senat etc. und besonders den mit großer Feinheit und Subtilität entworfenen Portraits aus der Welt des Tageskampfes und der stillen Studirstube. Wer die Artikel über Henri Rochefort, Louise Michel, Emile Zola und Sarah Bernhard gelesen, der wird uns beistimmen, wenn wir in ihnen wahre Cabinetstücke einer mit sicheren Strichen agirenden geistigen Portraitmalerei erblicken. Namentlich dieser Theil von Theophil Zolling's „Reise um die Pariser Welt“ ist es, welcher dem Buche die Anwartschaft aus einen hervorragenden Platz in der deutschen Feuilletonliteratur über und aus der Seinestadt sichert.




Ein Wanderlager vor Weihnachten. (Mit Abbildung S. 845.) St. Jürgen in Hannover ist ein merkwürdiges Stück Landes, welches, dicht an der Weser gelegen, durch die regelmäßigen Herbstüberschwemmungen allwinterlich in eine Insel verwandelt wird. Hier wurde der nunmehr rühmlich bekannte Maler Ludwig Bokelmann, von dessen künstlerischen Erzeugnissen wir heute unseren Lesern eines vorführen (vergl. S. 845!), am 4. Februar 1844 geboren, und in dieser Einsamkeit, welche von dem Menschenverkehr nur selten berührt wird, wuchs er heran, indem er trotz strenger Verwarnung seines Vaters, des Hauptlehrers in dem genannten Orte, sich die Zeit mit Zeichnen und Schnitzereien vertrieb. Als fünfzehnjähriger Knabe wurde er, da er für die Wissenschaft nicht begabt genug erschien, zu einem Lüneburg’schen Kaufmann in die Lehre gegeben und ging nach absolvirter fünfjähriger Lehrzeit als Commis nach Harburg. Ein glücklicher Zufall führte hier Bokelmann mit dem Zeichenlehrer Früauff aus Hamburg zusammen, der bald die hohe künstlerische Begabung des jungen Mannes erkannte und ihn zum Eintritte in die Düsseldorfer Kunstakademie veranlaßte. In wenigen Jahren brach sich das lang unterdrückte künstlerische Genie Bokelmann’s Bahn, und nachdem er für sein erstes größeres Gemälde „Im Trauerhause“ in Wien die Medaille für Kunst erhalten hatte, war sein Ruf begründet. Von jener Zeit an schuf L. Bokelmann eine Reihe größerer Gemälde, welche seinen Ruhm weit über die Grenzen Deutschlands trugen und von denen wir das lebenswahre Bild „Im Leihhause“ erst vor Kurzem (Nr. 46) in Holzschnittreproduction unseren Lesern vorgeführt haben.

Das heutige Bokelmann’sche Bild ist gleichfalls aus dem menschlichen Leben heraus gegriffen und ragt durch die höchst charakteristische Gruppirung einzelner Personen besonders hervor. Es schildert uns, wie uns der Maler selbst mittheilt, das heute leider nur allzu sehr in Schwung gerathene Gebahren der Rammsch- und Schleuderverkäufe, bei welchen gute Waaren, die meistens aus Concursmassen stammen, neben schlechtem, beschädigtem Zeuge zu Spottpreisen losgeschlagen werden. In dem Zwielichte der Gaslampen und der Abenddämmerung blüht dieses Geschäft am besten, weil dann die Täuschung am leichtesten erzielt werden kann. Auf unserem Bilde hat in den weiten Hallen eines ehrwürdigen, nunmehr zu allen möglichen Zwecken vermieteten Patricierhauses eine derartige Handlung ihre Ladentische aufgeschlagen, und einer dieser Geschäftsleute bietet nun ein fragliches Gewebe für „echtes Bielefelder“ aus. In dem Fenster links steht eine Bauersfrau gar betroffen da; denn die kundigere Städterin erklärt ihr nach einem kurzen prüfenden Blicke, daß das, was sie soeben als Leinen gekauft hat, nur grobes Baumwollengewebe ist. In dem Fenster rechts bemerken wir dagegen einige Leute, die den „Rummel kennen“ und sich über die „Geprellten“ amüsiren oder eine günstige Gelegenheit abwarten, um ein Geschäftchen zu machen.

Vor dem Hause geht es gleichfalls lebhaft her. Zwei junge Damen überlegen sich, ob sie dort hineingehen sollen; denn sie trauen dem Frieden nicht recht, während eine andere Frau der Verlockung nicht widerstehen kann und schnell eine kleine Anleihe bei ihrer Bekannten contrahirt. Ein allgemeines Staunen und Anstehen unter den Weibern hat aber eine junge Frau erregt, die soeben für einen Spottpreis sehr hübsche Puppen gekauft hat. Das kleine Mädchen in der Mitte schaute sehnsüchtig nach diesen lieben Puppen hinüber, und ihre bittenden Blicke scheint der Weihnachtsengel rasch zu erfüllen; denn die alte Dame im Vordergrunde fragt das Kind, ob es eine solche Puppe haben möchte, und da die Antwort bejahend ausfällt, so wird die Dame – wir wollen es hoffen – dem Kinde sofort bescheren. Ihr werden bald in dichter Schaar die andern Weiber folgen, um den kleinen Mädchen daheim auch so eine schöne Puppe für den Weihnachtstisch zu besorgen, und der Ruf der billigen Puppen wird bald dem Geschäfte in dem alten Patricierhause neue Kunden aus der Stadt zuführen. Die „Rammschverkäufer“ reiben sich alsdann vergnügt die Hände; denn die aus einer Concursmasse kommenden und für einen Spottpreis verkauften Puppen bildeten ja unter Anderem den Köder, um das Publicum heranzulocken und es gelegentlich mit schlechter Waare zu bedienen.

Heute, kurz vor Weihnachten, kommt das fesselnde Bild nebst diesen wenigen Worten zu recht gelegener Zeit für unsere Leserinnen. Mögen sich unsere schönen Freundinnen dadurch zur Vorsicht bei den Weihnachtseinkäufen in derartigen billigen Rammschgeschäften mahnen lassen!




Lessing’s Leben von Heinrich Düntzer. Mit authentischen Illustrationen. (Leipzig, Ed. Wartig's Verlag [Ernst Hoppe].)

Es erscheint fast wie ein glücklicher Zufall, daß kurze Zeit, nachdem die neue Auflage des Danzel-Guhrauer’schen Werkes erschienen, diese neue Biographie Lessing’s auf den Büchermarkt gebracht wird, die eine nothwendige und unentbehrliche Ergänzung zu dem eben genannten Werke bildet. Der Schwerpunkt der Danzel-Guhrauer’schen Schrift liegt in der Besprechung der Werke des Dichters; Düntzer hingegen richtet sein Hauptaugenmerk darauf, die Einzelheiten des Lessing'schen Lebens in möglichster Vollständigkeit zu geben, ohne die Besprechung von dessen Werken ganz zu vernachlässigen. Auf diese Weise gewinnt Düntzer’s Buch einen besondern Werth; in weit größerer Vollständigkeit und Genauigkeit, und setzen wir hinzu, auch mit größerer Zuverlässigkeit, als dies bisher in irgend einem andern Werke der Fall war, entwickelt der Verfasser seine auf den fleißigsten und eingehendsten Forschungen beruhenden Angaben, die nicht wenige bisher allgemein angenommene irrtümliche Ansichten richtig stellen.

Für manche Perioden, z. B. für die Zeit des Aufenthaltes Lessing’s in Berlin und in Hamburg, dürfte in Düntzer's Buche jetzt wohl alles gegeben sein, was an Material überhaupt noch erhalten ist, sodaß die Acten, was positive Ansichten betrifft, hier als geschlossen erscheinen können. Wenn die Zeit des trübseligen Aufenthaltes Lessing’s in Wolfenbüttel auch noch einige nicht unerhebliche Nachträge gestatten wird, so findet sich doch auch hier eine Genauigkeit der Angaben, die, wie schon gesagt, alles vorher Erschienene hinter sich läßt. – Die zahlreichen Illustrationen bieten sehr Wertvolles. Außer Lessing’s Büste von Krüll, seinem Jugendbildnisse und seinen Portraits von Tischbein, von May und von Graff finden wir in dem Werke die Bildnisse von allen bedeutenden Zeitgenossen, Freunden wie Gegnern des großen Mannes. Die Faksimiles zeigen Schriftstücke aus den verschiedensten Zeiten seines Lebens; da ist ein Brief Lessing’s an seine Schwester von 1743, die erste Seite der Handschrift des Laokoon, einige Briefe aus seinen letzten Lebensjahren. Auch ein Brief der Wolfenbütteler Bibliothek fehlt nicht, und erwünscht wäre nur noch eine Abbildung des jetzt so sorgsam gepflegten und geschmückten Grabes Lessing’s gewesen. – Das ganze Werk Düntzer's erscheint als eine äußerst tüchtige, zuverlässige Arbeit, die wir hiermit auf’s Beste empfehlen wollen.

Sg.




Noch einmal die Seelöwen. Mit Bezugnahme auf den Schlußpassus eines in Nr. 37 der „Gartenlaube“ erschienenen sehr interessanten Artikels über die Seelöwen möchte ich mir einige Bemerkungen erlauben. Es heißt dort:

„Das Anziehende dieser Thiere hat sogar bei der californischen Regierung so viel Anerkennung gefunden, daß sie eine Heerde derselben, gegen achtzig Stück, unter ihren besonderen Schutz genommen hat. Diese Heerde wohnt auf einer steilen Felsgruppe am Eingange der Bucht von San Francisco, wo ihnen keine verderbliche Kugel nahen darf.“

Dies hatte bis voriges Jahr seine Richtigkeit, und es gereicht mir zur Genugthuung, daß der geehrte Herr Verfasser mit dem Wörtchen „sogar“ die oberste Staatsbehörde des Goldlandes trotz des schlechten Weltrufs, den dies vermeintliche Dorado aller Schlechtigkeit nun einmal nicht loszuwerden vermag, auf die humane Stufe anderer civilisirten Regierungen gestellt hat. Seit dem vorigen Jahre sind die lustigen Seelöwen

am „Goldenen Thor“ für vogelfrei erklärt worden, und es hat sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_855.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2023)