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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Friedrich von Sallet, ein Sänger der Freiheit.

Zeitgemäße Betrachtung von Dr. Kalthoff

Neben der großen Schaar stolzer Namen, welche die erste Hälfte unseres Jahrhunderts geziert und die geistige Richtung desselben bestimmt haben, hat der Name Friedrich von Sallet’s den Ehrenplatz, der ihm gebührt, in weiteren Kreisen noch nicht gefunden. Die Menschen pflegen die Thaten und den Erfolg schneller zu würdigen, als das Sein und die Gesinnung. Es ist das tragische Verhängniß des lautersten Strebens, daß es von der großen Menge nur schwer verstanden, im lauten Lärm des Lebens nur schwer gewürdigt wird. Dafür aber sichert ihm die ewige Gerechtigkeit eine um so nachhaltigere Wirksamkeit in den verborgenen Tiefen liebender Jüngerseelen, welche weniger geräuschvoll bewundernd als thätig nacheifernd sich dem gleichen Streben weihen.

Friedrich von Sallet.
Originalzeichnung von Adolf Neumann.

Sallet’s Leben, das nur die kurze Spanne Zeit vom 12. April 1812 bis zum 21. Februar 1843 umfaßt, hat an äußeren Erfolgen nichts Glänzendes aufzuweisen. In seinem Lebensberufe als preußischer Officier hat er keine Gelegenheit gehabt, seine Tüchtigkeit zu erproben. Und wäre ihm diese Gelegenheit geboten worden, er wäre wohl mehr ein muthiger Krieger, als ein namhafter Stratege geworden

Sallet war Dichter. Aber seine Verse sind oft nichts weniger als correct, geschweige denn classisch. Der Dichter war Philosoph. Aber seine Philosophie bestand fast lediglich in der Aneignung einzelner Gedanken des Hegel’schen Systems, und selbst in der Kenntniß dieses Systems blieb er, nach dem Maßstabe strenger Wissenschaft gemessen, immerhin Dilettant. Der Philosoph war endlich auch Theologe. Aber mit seiner Theologie würde er vor einer Glaubensbehörde seiner Kirche schlecht bestanden haben. So liegt Sallet’s Bedeutung nicht in dem, was er gethan, sondern in dem, was er gewollt hat.

Der größte Theil seines Lebens fällt in eine Zeit, in der es im preußischen und im gesammten deutschen Vaterlande trübe genug aussah. Das nationale Selbstbewußtsein, das in den Freiheitskriegen so mächtig aufgelodert war, fing bald an, den politischen Gewalthabern unheimlich zu werden. Es galt, den neu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_097.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)