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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Sicher aber ist, daß der Ichneumon diesen Volkssagen die hohe Verehrung verdankt, die er unter den alten Aegyptern genoß, welche seinen Leichnam einbalsamirten, an heiligen Stätten beerdigten und sein Andenken durch Bildnisse auf ihren Monumenten verewigten.

Weshalb aber der infame Räuber, das Krokodil, der alte Zeitgennosse des Ichneumon, gleich diesem, wie Herodot und Strabo berichten, derselben Ehren genoß, ist weniger begreiflich und kann wohl nur der unbeschreiblichen Angst und dem überaus großen Respect zugeschrieben werden, den ein großer Theil dieser Völkerschaften vor dem Ungeheuer hatte. Heute soll der alte berühmte Leviathan in Unterägypten zu einer Mythe geworden sein, sodaß der Ichneumon sich dort nicht mehr an seinen Eiern laben kann.

Ruhig und still fließen nunmehr die Fluthen des klassischen Nils dahin, und Friede wohnt an seinen Ufern, wo die gelbblüthigen, viel gepriesenen Lotosblumen wuchern, wo die prächtigen Mimosen, Sykomoren und Tamarisken blühen und die eleganten Palmen ihre imposanten Kronen entfalten. Die einzigen Thiergeschöpfe, welche heutigen Tages diese paradiesische Landschaft noch beleben, sind außer dem Ichneumon Züge von Pelikanen, Störchen, Reihern und Ibissen, sowie Schaaren von Flamingos, Schwalben und wilden Tauben.

Dagegen beherbergt der obere Nilfluß noch viele Tausende von Krokodilen, die jedoch allmählich, je mehr der Mensch dort seine Herrschaft ausbreitet, der alles besiegenden Macht der neuen Jagdgeschosse unterliegen; bald wird man Krokodil und Schlange mehr und mehr vergessen, und auch ihr äußeres Bild wird im Gedächtnisse der dortigen Völker verblassen; denn die Zeit ist dahin, wo ihre Leichname in den heiligen Stätten der Krokodilstadt am See Moeris eine Grabstätte fanden. N. Funck.     


Die Gobelin-Manufactur zu Paris.

Zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung.
Von Ernst Pasqué.
(Schluß.)

Während der französischen Revolution lagen die Arbeiten der Gobelin-Manufactur so gut wie völlig darnieder; wie die Sansculotten des Jahres 1793 mit den Gobelins verfuhren, haben wir schon angedeutet. Doch unter dem Kaiserreiche erstand die Manufactur zu neuer Blüthe; denn Napoleon der Erste brauchte ihre Kunstproducte zur Verherrlichung seiner Thaten und seiner Person. Die letzten Arbeiten vom Jahre 1814: „Empfang der Königin Luise in Tilsit“, „Zurückgabe der Waffen an den Herrscher von Alexandria“, „Audienz des persischen Gesandten durch Napoleon“, blieben unvollendet, und heute noch sind diese drei Fragmente in dem Gobelin-Museum ausgestellt. Unter Ludwig dem Achtzehnten wurde 1825 die Teppichmanufactur der Savonnerie, von welcher später noch die Rede sein wird, mit den Gobelins vereinigt; desgleichen unter Napoleon dem Dritten die Teppichmanufactur von Beauvais; ihre schlimmsten Tage aber, ja fast ihren Untergang, erlebten die Gobelins unter der wahnsinnigen Herrschaft der Commune; denn am 25. Mai 1871, als die Communards sich vor den Versailler Truppen von den Buttes aux Cailles, vor der Barrière d’Italie gelegen, zurückziehen mußten, setzten sie die Gobelin-Manufactur in Brand. Glücklicher Weise war durch Beamte und Arbeiter des Etablissements ein großer Theil der werthvollen Tapeten rechtzeitig geborgen worden, doch zerstörte das Feuer der Petroleurs noch eine bedeutende Menge derselben. Nach dem amtlichen Berichte verbrannten achtzig laufende Meter Gebäude, darunter die dem Publicum geöffnete Gallerie, ein Atelier mit sechs Webstühlen, drei Säle, angefüllt mit Spulen, welche mit gefärbter Wolle und Seide umwickelt waren, die Schule der Tapetenwirkerei, ein Maleratelier und ein großer Theil des Magazins, welches letztere Gypsabgüsse für den Zeichenunterricht enthielt. Den Hauptverlust aber bildeten siebenzig große Tapeten, darunter eine ganze Reihe aus der Geschichte Napoleon’s des Ersten, unersetzliche Kunstschätze, die bis dahin eine Zierde der Gallerie gewesen waren und die Bewunderung jedes Beschauers erregt hatten.

Noch heute leidet die Manufactur unter den Folgen dieses schweren Schicksalsschlages; denn wenn in ihr gegenwärtig auch noch über hundert Arbeiter und Künstler beschäftigt sein mögen, ihre Glanzperiode ist dahin.

Es bliebe uns nun noch übrig, einige Worte über die Art und Weise der Herstellung der Tapeten zu sagen, obgleich diese wohl mehr oder minder bekannt sein dürfte. Also in Kürze Folgendes: Bei den Hautelisse- (hochschäftigen) Tapeten ist die Kette eine verticale, bei den Basselisse- (tiefschäftigen) Tapeten eine horizontale, doch wird heute bei der Tapetenwirkerei und Teppichweberei fast nur noch in Hautelisse gearbeitet. Bei ersterer sitzt der Arbeiter hinter der Kette; er hat das Fenster vor sich und das Gemälde, welches er copirt, neben sich (bei der Teppichweberei ist das Umgekehrte der Fall; er sitzt vor seiner Arbeit, hat das Licht hinter sich und sein Modell fast über sich). Vermittelst Pauspapier überträgt er das Gemälde, einen Theil desselben nach dem andern, auf seine Kette, und dann umfährt er mit schwarzer Kreide, die an ihrem Ende nicht zugespitzt, sondern leicht ausgekehlt ist, jeden Faden an der Stelle, wo sich die Zeichnung befindet, welche somit ganz genau auf beiden Seiten der Kette zu sehen ist. Nun muß er sich die ihm nöthigen, einarmig geformten, mit Wolle und Seide in tausendfachen Farbennuancen umwickelten Spulen (heute hat jede Farbe vierundzwanzig Schattirungen) hervorsuchen und ordnen, und erst dann beginnt seine eigentliche Arbeit, die er ebenso selbstständig fort- und zu Ende führt, wie er sie begonnen. Immer ist er dabei genöthigt, vor seine Tapete hinzutreten, Wirkung und Fortgang seiner Arbeit zu prüfen, zu bessern oder gar zu vernichten und wieder von Neuem zu beginnen, ein schweres Stück Arbeit, bei dem ein geübter und fleißiger Arbeiter im Durchschnitte pro Tag nur vierunddreißig Quadratcentimeter fertig zu stecken vermag; welchen Aufwand an Zeit dies für eine große Tapete erfordert, an der jedoch gewöhnlich mehrere Arbeiter beschäftigt sind, ist hiernach wohl annähernd zu bemessen, wie auch der Werth, den sie repräsentirt, dadurch in ein helles Licht tritt.

Der höchste Gehalt, den ein solcher Künstler bezieht, übersteigt nicht 2000 Franken, und vor der theilweisen Zerstörung der Gobelins durch die Commune befanden sich etwa fünfunddreißig solcher Kunstwirker dort.

Daß die Färbereien heute die höchste Stufe der Vervollkommnung erreicht haben, bedarf wohl keiner Darlegung; der alte Gluck würde sich wundern, wenn er heute die vierundzwanzig Nuancen seines Scharlachs vom tiefsten Roth bis zum feinsten Rosa, oder Grau von dem Dunkelgrau des Schiefersteins bis zu dem lichtesten Silbergrau der Perlmutter sehen könnte.

Schließlich sei es uns gestattet, noch eine kurze Darstellung der Entstehung und Entwickelung der Schwestermanufactur der Gobelins, der seit 1825 mit dieser vereinigten „Teppichweberei der Savonnerie“ zu entwerfen!

Neben den Tapetenwirkereien unterhielten die französischen Könige nämlich noch Teppichwebereien, in welchen Fußteppiche, doch auch Behänge, nach der Weise des Orients und anfänglich auch nach seinen Mustern, in Plüsch gewebt wurden. Nach den neuesten Forschungen war Johann Forstier der erste Teppichweber, welcher ein solches königliches Privileg erhielt. Er wurde im Louvre neben den früher vorgeführten flamändischen Tapetenwirkern untergebracht. 1615 hatte Maria von Medicis in dem damals vor Paris gelegenen Dorfe Chaillot ein Hospital für hundert arme Kinder errichtet, und zwar in einem großen alten Gebäude, in welchem schon seit langen Jahren eine Seifenfabrik bestanden hatte und das deshalb den Namen „la Savonnerie“ führte. In diese Savonnerie wurde die königliche Teppichweberei verlegt und die dort erzogenen Kinder zu Lehrlingen und Arbeitern für dieses Kunstgewerbe herangebildet. Die neue Anstalt behielt den obigen Namen bei und führt ihn in ihren Producten sogar noch heute, obgleich letztere nicht mehr in jenem alten Locale verfertigt werden.

Die Plüschteppiche, welche in der Savonnerie gewebt wurden, müssen wahre Wunderwerke gewesen sein; dafür spricht unter Anderem jener Riesenteppich, welcher aus zweiundneunzig Theilen bestand

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_126.jpg&oldid=- (Version vom 27.2.2024)