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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Joseph Haydn.
Nach einem Wachs-Medaillon von Irwach auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.


ihm ein Deutscher, Philipp Emanuel Bach. Wie das Instrumentenspiel an der Hand der Oper zuerst in Italien eine allgemeinere Bedeutung gewann, so waren auch dort in Nachbildung von Lied und Tanz zuerst selbstständige Instrumentalstückchen (Symphonien) entstanden, und ihnen reihte sich dann bald in der feinen Gesellschaft dieses hochcultivirten Landes die Musica da camera, die Kammermusik an. Aber die dem Deutschen eigenthümliche Anlage zur tieferen Erfassung des Lebens befähigte nun, gegenüber der italienischen Musik, auch vor allem die deutsche Kunst, dieser Instrumentalschöpfung den vollen Athem einzuhauchen: da war es denn Philipp Emanuel Bach, der, aus der unerschöpflichen Harmoniewelt seines großen Vaters stammend, hier alle erforderlichen Mittel der Gestaltung und des Ausdrucks zu Gebote hatte und nun in seinen dreisätzigen Sonaten für Kenner und Liebhaber seinen Spruch, „die Musik müsse fürnehmlich das Herz rühren“, zur That und Wahrheit machte. Eine glückliche Fügung spielte schon dem jungen Haydn diese Neuschöpfung in die Hände, und nun kam er nicht mehr von seinem Claviere fort, bis alles durchgespielt war. Ja, wenn er oben unterm Dache vor seinem von Würmern zerfressenen Instrumente saß, beneidete er keinen König um sein Glück.

Derweilen war er jedoch selbst schon eben durch Instrumentalcomposition zu einem gewissen Ruhme gediehen, den ihm freilich die Handwerksmusiker mit den Ausdrücken „Modehansl“ oder „Gsanglmacher“ neideten. Er hatte die damals modische Menuett, die, vom Hofe Ludwig’s des Vierzehnten kommend, überall den Tanz der vornehmen Welt bildete, eben dieser mehr äußerlichen Vornehmheit entkleidet und sie, ausgestattet mit der ganzen österreichischen heiteren Gutmüthigkeit, dem Bürger und dem Volke geschenkt, die sie in Wirthschaft und Haus, in Garten und Salon gern aufnahmen. Hier verbanden sich Haydn’s volksmäßig natürliche Empfindung und sein Humor mit seinem künstlerischen Können, um ein vollendetes Gebilde zu schaffen; denn er fügte mit dem gesunden Instincte seine Menuetts ständig der Sonate ein und gab ihr damit zu der Vornehmheit der Kunst den Ton der Unbefangenheit, der sich schon bei Haydn zu dem Klange einer weltverlachenden Heiterkeit steigerte.

Claviersonaten schrieb er schon früh. Zu der Gattung des Quartetts und der Symphonie aber, als deren Schöpfer er zu gelten hat, führten ihn die Anregungen und Bedürfnisse der Zeit selbst. Das erstere wünschte sich einmal ein Musikfreund, Herr von Fürnberg, zu einer Hausmusik, an der Haydn theilnahm, und der Künstler schrieb dann in kurzer Zeit deren achtzehn. Die erste Symphonie aber entstand, als er selbst Dirigent eines Orchesters wurde. Dies letztere blieb er dann durch volle dreißig Jahre bei dem Fürsten Esterhazy in Ungarn. Und weil er dabei nach Belieben experimentiren, probiren, ab- und zusetzen konnte, so mußte er original werden, wie er selbst sagte. Doch liegt das Originale wohl mehr in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_193.jpg&oldid=- (Version vom 28.12.2022)