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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

wird auf einen Quadratfuß für je ein halbes Pfund an Gewicht angegeben.“

Außer Henson haben noch Wenham und Stringfellow Modelle von Flugmaschinen nach ähnlichen Principien gebaut; dieselben bewegten sich an einem Drahtseile mit großer Geschwindigkeit vorwärts, stiegen auch auf kurze Zeit in die Höhe, erwiesen sich aber im Großen und Ganzen als durchaus unpraktisch und unzuverlässig.

Weit größere Erfolge hatten indessen die Anhänger der Luftschraube zu verzeichnen. Den ersten praktischen Beweis für die Anwendbarkeit derselben hat Sir George Cayley schon im Jahre 1796 geliefert. In J. Bell. Pettigrew’s interessantem Werke: „Die Ortsbewegung der Thiere nebst Bemerkungen über die Luftschifffahrt“ finden wir einen Auszug aus Cayley’s Abhandlung, der seinen für die Flugkunst epochemachenden Apparat (vergl. unsere Abbildung Seite 216) erläutert.

„Da es manchem meiner Leser Vergnügen machen wird,“ schreibt der genannte Verfasser, „zu sehen, wie eine Maschine sich durch mechanische Mittel in die Luft erhebt, so will ich ein Instrument dieser Art beschreiben, das sich jeder in zehn Minuten herstellen kann.

Haenlein’s lenk-
bares Luftschiff.

Hintere Ansicht.

a und b stellen zwei Korke vor, in deren jeden vier Schwungfedern von irgend einem beliebigen Vogel eingefügt sind, und zwar so, daß sie, wie die Flügel einer Windmühle, ein wenig schräg stehen, jedoch an beiden Korken in entgegengesetzter Richtung. In dem Kork a ist ein drehrunder Stab befestigt, der mit einer scharfen Spitze endet. Am oberen Theile des Korks b ist ein Fischbeinbogen angebracht, mit einem kleinen Bohrloch im Mittelpunkte zum Durchtritt der Spitze des Stabes. Der Bogen wird dann auf beiden Seiten gleichmäßig an den oberen Theil des Stabes gebunden, und die kleine Maschine ist fertig. Dann windet man die Schnur auf, indem man die beiden Flugschrauben in entgegengesetzter Richtung dreht, sodaß die Elasticität des Bogens sie, mit ihren vorderen Kanten nach oben gerichtet, wieder abwindet; man stellt darauf den Kork mit dem Bogen auf den Tisch und drückt auf den oberen Kork so stark mit dem Finger, daß die Schnur sich nicht abwickeln kann; wenn man nun den Finger plötzlich wegnimmt, so drehen sich die Federn und das Instrument steigt bis zur Zimmerdecke empor.“

Die Wirkung der Luftschraube ist durchaus ähnlich derjenigen der Schrauben bei unseren Dampfschiffen. Sobald die Schraube im Wasser in Bewegung gesetzt wird, übt sie einen Druck gegen das Wasser aus; dieses drückt in Folge dessen gegen den Körper des Schiffes und treibt es nach vorwärts. Bewegt sich dagegen die Schraube in der Luft, so wird in diesem Falle der Apparat, an dem sie befestigt ist, durch den Druck der Luft vorwärts getrieben, und zwar, der Stellung der Schraube entsprechend, in senkrechter oder in ebener Richtung. Wir brauchen dabei nicht besonders hervorzuheben, daß die Luftschraube anders gebaut sein muß, als die für die Vorwärtsbewegung im Wasser bestimmte. Im Jahre 1842 fertigte ein gewisser Phillips ein Modell, das zwei Pfund wog und aus einem Dampfkessel mit vier sich drehenden Fächern bestand. Sobald der Dampf durch die Fächer strömte, versetzte er sie mit großer Geschwindigkeit in Umdrehung; das Modell stieg in die Höhe und fiel erst zu Boden, nachdem es eine ziemlich bedeutende Strecke „durchflogen“ hatte.

Haenlein’s lenkbares Luftschiff. Längsansicht.

Die Idee des Schraubenluftschiffes fand vor Allem in Frankreich begeisterte Anhänger, und in den sechsziger Jahren fertigten jenseits der Vogesen Nadar, Pontin d’Amécourt und de la Landelle Uhrwerkmodelle, die in die Luft steigen und auch gewisse Lasten tragen. Durch diese Versuche im Kleinen ermuthigt, construirten diese Herren auf dem Papier großartige Flugmaschinen, bei denen die nach oben gerichteten Schrauben das Luftschiff heben und die quer an demselben angebrachten es in der Luft vorwärts bewegen sollten.

Als Curiosität führen wir ein solches Luftschiff der Zukunft unsern Lesern vor (vergl. Abbildung S. 216). Die mit m bis t bezeichneten Schrauben sollen hier das Aufsteigen des Schiffes bewirken, während die unten bei t befindliche zum Vorwärtsbewegen desselben bestimmt ist.

Wenn auch alle diese Versuche einerseits klar bewiesen, daß die Herstellung einer Flugmaschine kein Ding der Unmöglichkeit und kein leeres Hirngespinnst ist, so zeigten sie andererseits, daß wir von der praktischen Verwirklichung der angestrebten Idee noch unendlich weit entfernt sind, da unsere kühnsten Pläne einstweilen an der Unzulänglichkeit der uns zu Gebote stehenden technischen Mittel scheitern.

Henson’s Flugmaschine.

Inzwischen war in dem letzten deutsch-französischen Kriege der Luftballon wieder zu Ehren gekommen. Bekanntlich verließen während der Belagerung von Paris 66 Ballons mit etwa 160 Personen und gegen 3 Millionen Briefen die eingeschlossene Hauptstadt, und 364 Brieftauben, welche die Ballonfahrer mitgenommen hatten, kehrten mit Nachrichten in dieselbe zurück. Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit der Militär-Behörden aller Länder auf das verachtete Kind der Montgolfier wieder gelenkt, und die Verfechter der Ansicht, daß man den Luftballon lenkbar machen könne, erschienen von Neuem auf der Bildfläche. – Die jetzt zahlreicher auftauchenden „Erfinder des lenkbaren Luftschiffes“ halten daher vornehmlich daran fest, man müsse durch Schrauben oder Flügel dem Luftballon eine eigene Geschwindigkeit geben und ihn dadurch lenkbar machen. Indem sie ferner auf Grund meteorologischer Beobachtung anführen, daß die Windgeschwindigkeit nur an 26 Tagen des Jahres mehr als 5 Meter pro Secunde beträgt, behaupten sie, daß schon ein lenkbares Luftschiff von 5 bis 8 Meter Eigengeschwindigkeit während des ganzen Jahres mit Ausnahme von circa 8 Tagen gegen den Wind fahren würde.

Die größte Aufmerksamkeit unter allen diesen Apparaten verdient ohne Zweifel das lenkbare Luftschiff von Haenlein in Frauenfeld in der Schweiz. Dasselbe (vergl. die obenstehenden Abbildungen) ist in ovaler Form gebaut und hat eine Länge von 50,4 Meter bei einem Durchmesser von 9,2 Meter. Zwischen der Gondel und dem Ballon ist ein Rahmen angebracht, an welchem das Steuerruder befestigt ist und der außerdem dazu dienen soll, durch 4 Streben (v) die Verbindung zwischen der Gondel und dem Ballon zu vermitteln. Die am Hintertheile der Gondel befestigte Luftschraube, deren 4 Flügel aus dünnem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_217.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)