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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

No. 28.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Bob Zellina.

Novelle von Karl Theodor Schultz.
(Fortsetzung.)


Die Casernenwohnung des Lieutenants von Hollfeld hätte recht gut als Typus der echten preußischen Officierswohnung bis zu den letzten siebenziger Jahren gelten können. Von dem eisernen Bettgestell mit seiner harten Matratze und den in grobes Leinen gehüllten Wolldecken in der Schlafkammer an, am schlichten, roth angestrichenen Kleiderspinde und dem wahrscheinlich behufs freundlichen Gegensatzes weiß gestrichenen Waschtische vorüber – bis in die Vorderstube hinein, wo sich durch die bereitwillige, gegen eine monatliche Vergütung von zwei Thalern erschwingbare Hülfe des braven Fribourg fast eine Art von Comfort breit machte. Nur der runde eiserne Ofen und die mächtige Kohlenmulde dahinter erinnerten hier an von Staatswegen Geliefertes – das weit ausladende Schlafsopha in seinem grün und violett gestreiften Bezuge, die beiden Armsessel davor, der eine in mildschwarzem Kleide, der andere im frischesten Cardinalroth mit ganz jugendlichen Troddelbehängen an den Lehnen – und vor Allem die beiden großen Bilder in ihren schweren Barockrahmen (eins über dem Sopha, eins über dem Schreibtisch) brachten diesen für ein Casernenzimmer „wohlhabenden“ Eindruck hervor. Besonders zu dem Schreibtischbilde – jenes andere war nur die Lachtaube aus Sue’s „Geheimnissen von Paris“ – sah der alte Fribourg (wenn er sich pünktlich am zweiten des Monats sein Geld holte) denn auch stets voll der Genugthuung empor – ein solches Kunstwerk bei so geringer Miethe geliefert zu haben. Es stellte eine Kleopatra dar.

Momentan lagen auf dem Cardinalrothen allerlei Kleidungsstücke, und ein größerer Koffer stand geöffnet neben dem Schreibtisch. An diesem saß Hollfeld und blätterte in einem geschriebenen Hefte, das beinahe wie ein Tagebuch aussah.

Er horchte jetzt auf und rückte die kleine Lampe weiter fort.

Da klopfte es. Unwillig kehrte er sich um und rief nicht gerade einladend. „Herein!“

Doch kaum erkannte er in dem Eintretenden den Regierungsrath Ruland, als er freudig aufsprang und denselben mit feinster Verbindlichkeit willkommen hieß.

Nach ein paar allgemeinen Gesprächsthemen, die Hollfeld immer mit einer gewissen Beharrlichkeit ausgesponnen hatte, sagte der Rath plötzlich, während er eine ihm angebotene Cigarre ungenirt über den Cylinder der Lampe hielt:

„Mein Kommen, Herr Baron, sollte aber keine bloße Gegenvisite sein – mir liegt Etwas auf dem Herzen, was Sie nun zu berühren gestatten müssen.“

Der junge Officier, welcher dunkelroth wurde und den Rath einen Augenblick durchdringend ansah, erwiderte nichts, zeigte nur durch eine Verbeugung an, daß er zu hören bereit sei.

Ruland blickte auf die Cigarre und folgte scheinbar sinnend einem Paar der grauen Ringel, die auffallend lange vereint blieben, dann sagte er in seiner kühl über Allem und Jedem stehenden Weise:

„Es betrifft natürlich meine Tochter! Sie waren während dieses ganzen Sommers so gütig, dieselbe in jeder Beziehung auszuzeichnen, haben ihr – wenn ich Alma recht verstanden, selbst von Ihrem Hoffen gesprochen, durch Ihre Einberufung zur Kriegsakademie – wozu ich übrigens sehr gratulire!“ – der Officier verbeugte sich von Neuem – „den Lauf Ihrer Carrière beschleunigen zu können. Ist mein Schluß zu kühn, wenn ich annehme, daß Sie zu dieser Aeußerung kein bloßes pour parler antrieb, sondern ein Gedanke, den Ihr offenes – ich muß das Wort wohl brauchen! wenigstens für Vater und Tochter offenes Bewerben –“

„Und Sie, Herr Rath,“ unterbrach Hollfeld hastig. „Sie billigen – wollen mein Bewerben gestatten? O Sie sind mir blos zuvorgekommen! Morgen bei meinem Abschiedsbesuche wollte ich fragen, Sie recht herzlich bitten – mir die Erlaubniß zu geben, daß ich mich Ihrem Fräulein Tochter gegenüber erklären dürfe. Ich brauche es doch nur zu versichern, wie zwischen uns noch kein bindendes Wort gefallen ist? Für Gedanken, wohl gar Blicke – ein Meer von Hoffnungen, dafür könnte ich nicht einstehen. Doch Sie selbst haben uns, wenn auch nur durch Stillschweigen –“

„Gewiß!“ fiel der Rath schneidend ein, „das ist ein Fehler gewesen. Ich habe leider zu lange geschwiegen.“

„Leider?“ rief Hollfeld, als hoffte er noch mißverstanden zu haben.

„Herr Baron!“ fuhr Ruland jedoch trocken fort, „ich fragte eben schon meine Tochter, ob sie etwa an einen Brautstand dächte, der sich – wählen Sie selbst die Jahre! – vielleicht zwölf, fünfzehn hinauszöge. – Ich hatte mich selbstverständlich ein wenig über Sie, respective Ihre Verhältnisse informirt und habe übrigens bis auf die prosaische, für uns Väter aber nun einmal den Ausschlag gebende Geldfrage blos Gutes, ja Vorzügliches gehört.“

„Wäre es also wirklich nur diese Geldfrage?“ versetzte Hollfeld warm, „in eine Wartezeit müssen sich so Viele finden und halten sie dann auch aus. Warum sollte unsere Treue hinter der Anderer zurückbleiben? Ich fühle mich zu Allem stark, weil ich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_457.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2023)