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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Felsbänke Veranlassung zu menschlichen Niederlassungen gegeben haben. Die unter dem Fockenstein durch Herrn Rösch vorgenommenen Ausgrabungen haben durch die große Reichhaltigkeit ihrer Funde dem Platze ein dauerndes Andenken erworben.

KLAUSTEIN.0 EINGANG z. Sophien-Höhle.

Bilder aus der fränkischen Schweiz: Rabenstein.

Bilder aus der fränkischen Schweiz: Wolfsberg, Egloffstein und Hipoltstein.

Die Fundgegenstände bestehen aus Scherben zerbrochener Thongeschirre, Steinhämmern, Splittern und Bruchstücken von Feuerstein oder ähnlichem Materiale sowie aus knöchernen Werkzeugen und Waffen oder Geweihstücken, abgesehen von den großen Massen von Asche, Kohle und zerschlagenen Thierknochen, als Ueberbleibsel von Mahlzeiten. Alle diese einfachen Werke der menschlichen Hand tragen den Typus der ältesten Zeit zur Schau, besonders die Gefäße, welche aus Thon mit Quarzsand oder Dolomitbröckchen vermengt aus freier Hand geformt und im offenen Feuer äußerst ungenügend gebrannt sind. Doch sind auch Scherben aus feinem Thon mit Glättung und mit Graphitüberzug nicht selten. Sehr häufig weisen sie Verzierungen auf, die in der Mehrzahl der Fälle mittelst der Fingerspitzen und der Nägel hervorgebracht sind. Die Steinbeile und -keile sind vorwiegend roh zugeschlagen, seltener geschliffen, Messer, Pfeilspitzen etc. aus Feuerstein oft mit großer Kunst zurecht geklopft. Am meisten imponiren die Werkzeuge aus Hirschhorn oder Knochen, welche in solcher Menge und Mannigfaltigkeit selbst nicht in den ergiebigsten, ihnen nahe verwandten Pfahlbaufunden erreicht werden, diese vielmehr oft noch durch ihre fast künstlerische Ausführung übertreffen. Pfeilspitzen, Harpunen und Angelhaken der verschiedensten Form deuten auf Jagd und Fischerei als Hauptnahrungsquelle unserer Höhlenbewohner; Messer zum Zerschneiden des Leders, spitze Knochenpfriemen, grobe Nadeln aus Hirschhorn mit Oehr oder Einschnitt zum Umbinden des Fadens, sowie zahlreiche Schabinstrumente aus Stein oder Knochen lassen erkennen, daß eine künstliche Bearbeitung der Felle zu Bekleidungszwecken stattgefunden; die überall vorkommenden Spinnwirtel aus gebranntem Thon, oft mit recht gefälligen Verzierungen, häkelnadelartige Instrumente, Webegewichte und andere Gegenstände lehren uns, daß Spinnen und Weben fleißig geübt wurde, während Schmuck-Gegenstände, als Knochen- und Thonperlen und durchbohrte Thierzähne, schon auf das Bedürfniß eines gewissen leiblichen Schmuckes hinweisen.

Oft genug freilich finden sich in den tiefsten Schichten der Feuerplätze oder in entlegenen Höhlen neben rohesten Steinwaffen nur die zerschlagenen Knochen des Auerochsen als primitivste, aber stahlharte Werkzeuge. Im Allgemeinen müssen wir annehmen, daß das Völkchen, welches hier sein Wesen getrieben, sich auf einer Culturstufe befunden oder richtiger eine solche sich errungen hat, wie sie heute noch von hochnordischen, uncivilisirten Völkern, z. B. den Tschuktschen nach den classischen Schilderungen Nordenskiöld’s, eingenommen wird, und es muß gewiß auf jeden Denkenden einen eigenthümlichen und höchst anregenden Eindruck hervorrufen, an einer Stätte zu weilen, an welcher diese ersten ansässigen Menschen mit den ersten Anfängen einer Cultur ihr rauhes, kampfreiches Leben abgesponnen haben, während in kaum fünfzehn Minuten Entfernung sich das freundliche Städtchen vor seinen Augen ausbreitet mit allem Ringen und Streben des neunzehnten Jahrhunderts, und ihm selbst ein kurzer Gang nach dem Telegraphenbureau genügt, um mit der Geschwindigkeit des Blitzes seine Grüße in die vielleicht ferne Heimath zu senden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 545. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_545.jpg&oldid=- (Version vom 12.6.2023)