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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

einlegen wollte, und die Holzschuherin, die neben dem welschen Bischof schritt, versicherte:

„Und wenn Ihr uns helft, will ich halt gern meinen venetianischen Perlenschmuck Euch übergeben, daß Ihr ihn in Eurer Capelle der heiligen Jungfrau als Opfer darbietet.“

Der schöne Mann ließ einen sanften Blick auf das schimmernde Geschmeide gleiten und neigte sich, als sei er ein dienstthuender Kämmerling bei der ackerseligsten Jungfrau und überbringe im Voraus deren Dank.

Der Narr traute seinen Sinnen nicht.

„Was räth der Narr in Sachen der Stürze?“ fragte ihn lachend der Bischof von Bamberg.

„Daß es dem Sturz geht wie der päpstlichen Tiara, von welcher der Kurfürst von Sachsen geträumt hat, ein Augustinermönch bringe sie zum Wanken, indem er mit einer Schwanenfeder daran rühre,“ war die Antwort.

„Eure Witze schmecken herb wie Schlehenwein,“ meinte der Bischof.

„Was würde nicht herbe im Laufe der Zeit?“ erwiderte der Narr und hob seinen Becher, dessen Füßchen silberne Schellen bildeten.

Bei dem Wort und Klang wandte sich eine hohe Frauengestalt, die an der Hand des Schultheißen schritt. Ihre schwarzen Augen sahen starr in die scharfen blauen Augen des Narren. Ein paar Athemzüge lang hafteten die Blicke Beider in einander, trotz des Entsetzens, das aus ihnen sprach, unfähig, sich loszureißen. Dann schlossen sich plötzlich die schwarzen Augen, und die hohe Frauengestalt sank lautlos zusammen.

Die Nächsten eilten zu Hülfe. Der Schultheiß richtete sie auf, die Imhofin, der Ritter Tylemann von Prem, ihr Nachbar am Panierberg, stützten sie. Sie wurde hinausgetragen.

„Die herbe Ursel ist in eine Schwäche verfallen,“ raunte es durch den Saal. Der Tanz stockte. Es hätte nicht mehr Verwunderung erregen können, wenn die Botschaft gekommen wäre, den Lorenzothurm habe eine Unmacht angewandelt.

„Was ist Euch? Habt Ihr Euch darob so erschreckte?“ fragte der welsche Bischof den Narren, der leichenblaß geworden war, während der Becher, aus seiner Hand fallend, klingelnd am Boden rollte.

Der lustige Rath fuhr empor. Er lachte mit weißen Lippen.

„Mein altes Leiden! Das Herz steht mir einmal still. Es ist nicht die Mühe werth, darüber zu reden.“

Die Wogen der Tanzfreude flutheten auch über diesen Unfall dahin und ließen ihn verschwinden wie einen Kiesel im See.

Denn jetzt kam der wichtigste Theil des Tanzes. Die Männer traten zurück, und die Frauen bildeten einen besondren Reigen um den Todten, und eine nach der andern küßte ihn zum Abschied.

Auch Elsbeth wandelte in der Reihe mit einem wehleidigen Gesicht und dachte: Wäre doch die Lust erst ausgestanden. Wie aus weiter Ferne vernahm sie die Tanzweisen; der Lichterglanz schien ihr trübe; die lachenden Gesichter waren ihr unbegreiflich. Nur jetzt, da sie dem ruhenden Pfalzgrafen sich näherte, war es ihr, als zwinge sie Jemand aufzuschauen. Da sah sie sich gegenüber den Wilhalm mit einem Weinglas in der Hand. Er blickte sie streng an, und auf seiner Stirn stand eine tiefe Zornesfalte gleich einem dräuenden Kometstern. Und als sie sich zum Antlitz des Pfalzgrafen bückte, zerdrückte er das kostbare, mit Goldperlen verzierte venetianische Glas, daß der rothe Rosatzer herumspritzte. Erschrocken wich Elsbeth zurück.

Niemand achtete darauf. Alle blickten nach der jungen Durchläuchtigkeit, deren Augen immer größer wurden bei dem feinen Tanzspiel, und als auch die Frau Rotmundin ihre Lippen nach dem schwarzen Schnauzbart stützte, erklärte er hastig seinem Beichtvater:

„Das Spiel verstehen wir auch. Wir wollen geruhen, den Todten vorzustellen.“

(Fortsetzung folgt.)





Auf dem Leuchtthurm.

Eine Episode aus dem Küstenleben.
Von Ferdinand Lindner.

Die Nacht war schon weit vorgeschritten, als ich am Deich entlang zum Cuxhavener Leuchtthurm hinausschritt; bald lag die Stadt hinter mir – nur noch an einigen Häusern vorüber, und ich war im Freien. Die Luft strich frisch von der See her; der Himmel war sternenklar. Und dort, vor mir, hob sich geisterhaft der Leuchtthurm empor; wie ein Schatten stand er in dem nächtigen Dunkel draußen über der See, deren Wogen man in regelmäßigen Pausen am Ufer aufrauschen hörte. Hoch oben auf dem Thurm aber schimmerte das freundliche, man möchte sagen, gastliche Licht, in dessen magischem Scheine sich die nächste Umgebung matt angeleuchtet von der umgebenden Finsterniß abhob.

Ich war an der Pforte angelangt, stieg die steile Wendeltreppe in die Höhe und überraschte in der nächsten Minute den Lampenwärter in seinem Thurmzimmerchen. Bereitwillig gab er meinem ausgesprochenen Wunsche nach und führte mich in das Lampenhaus. Ein wunderbar interessanter Raum das! Ich darf mir eine Beschreibung desselben hier wohl ersparen, da die beigegebene Skizze den Leuchtapparat zur Genüge verdeutlicht; die Reflectoren, welche unsere Zeichnung wiedergiebt, sind versilbert und senden das Licht auf eine Entfernung von drei deutschen Meilen in die See hinaus. Links in dem Gemache bemerkt man einen Ofen, welcher eine gleichmäßige Temperatur zu erhalten hat, damit die Scheiben bei niederem Thermometerstande nicht beschlagen; denn auf die Klarheit der Scheiben hat der Lampenwärter vor Allem zu achten.

Besonders interessant für den Laien ist eine Einrichtung unseres Leuchtthurms, welche ihn in die Reihe der sogenannten Blickfeuer stellt. Die eine Hälfte des Leuchtapparates wird nämlich in kurzen Pausen durch eine mechanisch auf- und niedersteigende Wand momentan verhüllt. Wozu diese Einrichtung? Zwischen dem Leuchtthurm und einem von Nord oder Nordwest ansegelnden Schiffe liegen gefährliche Bänke, welche in weitem Bogen umsegelt werden müssen, ehe man die Einfahrt in die Elbe gewinnt; je nachdem nun der Schiffer entweder die eine Seite mit dem Blickfeuer oder die andere mit stetigem Lichte vor sich sieht, kann er berechnen, welchen Theil jenes Bogens er bereits hinter sich hat und wie nahe er sich der Mündung befindet. Dieses mechanische Auf- und Niedersteigen der Blende macht einen ganz eigenthümlichen Eindruck; man glaubt, der Thurm lebe; er wird uns zu einem Hüter, der fürsorgend nach dem fremden Schiffer ausschaut; wir empfinden eine geheimnißvolle Correspondenz weit in die Nacht hinein mit Menschen, die sich einsam auf der fernen dunklen See befinden und deren Auge spähend an diesem Lichte hängt, welches das unsere zwar mit blendendem Glanze trifft, in jener Entfernung aber nur wie das Glimmen eines Leuchtwürmchens erscheint.[1]

Wir waren auf die mit einem Geländer versehene Gallerie, welche rings um den Thurm läuft, hinausgetreten; der wenn auch

  1. Bei der heute so verbreiteten elektrischen Beleuchtung begegnet man häufig der Meinung im Publicum, daß diese auch der Verwendung des Lichtes im Seewesen zu Gute kommen müsse. Dies ist aber vorläufig wenigstens ein Irrthum. Zwar steht da, wo es sich um mechanische Zwecke handelt, wie um die Beleuchtung von Werften und Hafeneingängen, der Verwendung des elektrischen Lichtes nichts im Wege, wo aber das Licht der Träger einer besonderen Bedeutung, das Mittel zur Ausübung einer Zeichensprache ist, ändert sich die Sachlage in dem Maße, wie binnenländische und maritime Verhältnisse verschieden sind. Vor allem kommt es hier auf zwei Gesichtspunkte an: der erste ist die unbedingte Unveränderlichkeit und Gleichmäßigkeit aller der Objecte, welche dem Schiffer zur Orientirung dienen. So lange die Technik also nicht ein Versagen des elektrischen Lichtes absolut unmöglich macht, ist eine Verwendung desselben für Leuchtfeuer unmöglich, da ein einziges solches Versagen sofort den Verlust von Menschenleben und Gütern zur Folge haben könnte. Der zweite Gesichtspunkt aber ist dieser: in einer Stadt kann von einer Centralstelle aus eine billige und bequeme Erzeugung des elektrischen Lichtes bewerkstelligt werden, wie aber bei den weit von einander abgelegenen Punkten an der See? Hierzu tritt nun noch der Umstand hinzu, daß alle Schiffskarten, alle Werke, welche die Küstenbeleuchtung verzeichnen, umgearbeitet werden müßten, da durch das elektrische Licht vor allem eine erhebliche Verschiebung der Entfernung stattfinden würde. Das Petroleum wird also wohl noch bis auf weiteres seinen wichtigen Dienst in den Leuchtapparaten der Küsten versehen müssen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_588.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)