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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

ich überall Herberge; denn der Bund Derer, die der neuen Lehre anhängen, ist größer, als Du weißt. Ein gelahrter Kräutersucher, der ihr auch zugethan ist, begegnete mir, da ich nach dem Weg in’s Weite spähte, und wies mir eine Schenke an der Heerstraße, wo unsre Gesinnungsgenossen nächtigen. Alsdann will ich zu erkunden suchen, wo Doctor Luther weilt. Von einem fahrenden Schüler hörte ich, daß er nicht in’s Elend gegangen ist, sondern wohlbehütet auf einer Burg in Thüringen lebt. Zu ihm will ich wallfahrten. Vielleicht sagt mir der große Mann, wie ihm ein Schalksnarr dienen kann.“

„So geh’!“ sprach Ursula. „Und laß Dich auch belehren von Deinem großen Meister, wie man ein schönes Hab’ und Gut so anwendet, daß es vielen armen Herzen nützt, die noch gefangen liegen in eisernen Ketten! Dann aber kehre wieder, nimm Alles, was ich habe, und thue damit, wie er will! Die Ursula aber behalte für Dich und verlaß sie nie wieder! Sie hat Nichts und Niemand auf der Welt lieb als Dich allein.“

Er drückte sie fest an sein Herz. Mitsammen gingen sie durch die abgelegnen nächtlich stillen Gäßchen nach der Stadtmauer. Sie ließ sich nicht zurückweisen; sie wollte ihn erst geborgen wissen und entgegnete auf seine besorgten Einreden:

„Die herbe Ursel hat Friede in Nürnberg.“

Sie standen am aufgesperrten Pförtlein. Da nahm Friedel die Narrenkappe vom Haupt.

„Ich thue sie von mir. Meinst Du, daß ein Sturz schwerer wiegt als sie?“

Und Ursula verstand ihn. Sie nahm den Sturz ab und schleuderte ihn in den Stadtgraben hinab.

„Hebe dich von mir, Ungethüm! Mögen Eule und Fledermaus in dir nisten.“

Da warf der Narr seine Kappe nach und sprach:

„Und in dir ein Spottvogel!“

Sie nahmen Abschied.

Bald stand er draußen und blickte auf die Ringmauern und Thorthürme wie vor wenigen Tagen. Aber diesmal war es ein glückliches ernstes Lächeln, mit dem er flüsterte: „Daheim in Altnürnberg!“

Eine Weile darauf stand in ihrem Haus mit strahlendem Antlitz die herbe Ursula vor dem Ingesinde, das jetzt erst vom Rathhaus zurückgekehrt war, und sprach:

„Nehmt den Beutel mit Gold und geht in die Spitäler, in das Waisenhaus und zu den Leprosen! Bringt jedem einen Theil und sagt, sie sollen Gott mit mir danken! Denn es ist mir Kunde geworden, daß der verlorne Sohn dieses Hauses heimkehren wird.“

Dann faltete sie die Hände zu stummem Gebet und schaute mit weinenden Augen zum Himmel empor, an dem glänzend der Morgenstern aufstieg. –

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Ein neuer Desinfectionsapparat. Ebenso alt wie die Kenntniß der ansteckenden Natur vieler Krankheiten ist das Bestreben, Mittel zu schaffen, welche dem weiteren Umsichgreifen derselben vorbeugen würden. Als einst die Menschheit die verheerenden Epidemien für den directen Ausfluß göttlichen Zornes ansah, da nahm sie ihre Zuflucht zu aller Art von Zaubereien und Amuleten, welche die Kraft besitzen sollten, den Dämon der Krankheit von den einzelnen Individuen fernzuhalten, und diese Schutzmittel haben sich in abergläubischen Gemüthern bis auf den heutigen Tag erhalten. Nur langsam brach sich eine bessere Anschauung Bahn: man vermied zunächst jede Berührung mit den an ansteckender Krankheit Darniederliegenden, oder suchte die Wirkung des unbekannten Giftes durch allerlei Oele und Salben aufzuheben, und während der Pest trugen die Aerzte des Mittelalters oft Masken aus Wachs und besondere Gewänder, in welchen sie sich den Patienten näherten.

In neuerer Zeit hat man schließlich Jahrzehnte hindurch die verschiedensten Chemikalien zu diesem Zwecke angewandt und schrieb vor Allem dem Chlorgas, der schwefligen Säure, der Carbol- und der Salicylsäure die Eigenschaft zu, Ansteckungsstoffe zu zerstören. Mit welchem Recht man diese ätzenden Stoffe als wirkliche Desinfectionsmittel bezeichnen durfte, das blieb freilich noch dahingestellt.

Erst der Gegenwart war es vorbehalten, den Nachweis zu liefern, daß wenigstens eine große Anzahl ansteckender Krankheiten durch kleinste, nur mittelst der stärksten Mikroskope sichtbare Organismen – sogenannte Bacillen – erzeugt werde. Seitdem nun die gelehrten Forscher durch sinnreiche Versuche die Lebensbedingungen dieser Organismen ergründet, ließen sie auch die oben genannten Mittel auf dieselben einwirken, um zu erfahren, ob jene ätzenden Stoffe mit Recht den Namen „Desinfectionsmittel“ trügen. Da zeigte sich aber bald, daß diese Stoffe vielfach das Leben der Bacillen erst in einer Concentration vernichten, welche auch die mit ihnen behafteten Gewebe zerstören mußte. Die Versuche führten jedoch ferner zu der wichtigen Entdeckung, daß es ein leicht zu beschaffendes Mittel giebt, die betreffenden Organismen ihrer ansteckenden Eigenschaften sicher zu berauben: die unter der Leitung von Dr. R. Koch in dem deutschen Reichsgesundheitsamte angestellten Experimente, welche bekanntlich ebenso wie andere Arbeiten des hochverdienten Forschers gerade in diesen Tagen auf dem hygienischen Congresse zu Genf den Neid der Franzosen erregt haben, erwiesen nämlich, daß die Bacillen durch Wasserdämpfe von 100 Grad Celsius sicher zerstört werden.

Es lag nun nahe, diese Entdeckung zur Desinfection von Wäsche, Kleidungsstücken und allen Gegenständen, mit welchen Kranke in Berührung gekommen sind, zu verwerthen und so einer weiteren Verbreitung der betreffenden Krankheiten vorzubeugen. So wurde von dem Verwaltungsdirector im Berliner Barackenlazareth, Herrn Merke, welcher sofort nach dem Bekanntwerden jener Entdeckung mit dem neuen Desinfectionsmittel umfangreiche Versuche angestellt hatte, die Maschinenfabrik von Oscar Schimmel und Compagnie in Chemnitz aufgefordert, einen Apparat zu construiren, in welchem Wasserdämpfe von 100 Grad Celsius nebst überhitzter Luft zur Desinfection benutzt werden könnten.

Ein solcher Apparat ist nun wirklich von der genannten Firma hergestellt worden; er besteht aus einem starken Gehäuse aus Eisenblech mit doppelten Wandungen, die mit einem schlechten Wärmeleiter (Holzasche etc.) ausgefüllt sind. In diesen Apparat werden die zu desinficirenden Gegenstände gebracht und, nachdem derselbe genügend erhitzt worden, einige Zeit belassen. Der ganze Proceß dauert höchstens anderthalb Stunden, und wird während dieser Zeit selbst das Innere von umfangreicheren Gegenständen, wie Bettstücken und Matratzen, auf eine Temperatur von über 100 Grad Celsius erhitzt.

Hoffentlich wird diese neue Desinfectionsmethode bald in unseren so vorzüglich eingerichteten Krankenhäusern die allgemeinste Verbreitung finden; und es wäre dringend zu wünschen, daß auch die großen Privatwäschereien die Einführung derselben in Erwägung zögen.


Ein trefflich gelungenes Portrait von Dr. Schulze-Delitzsch, dem unermüdlichen Vorkämpfer und Leiter des deutschen Genossenschaftswesens, ist vor Kurzem in großem Kupferstich aus dem Atelier von Alfred Krauße in Leipzig hervorgegangen. Sicher wird es vielen Freunden der deutschen Genossenschaften zur Freude gereichen, ihr Zimmer mit dem Bildnisse eines Mannes schmücken zu können, der sich um die Wohlfahrt unseres Volkes so unvergängliche Verdienste erworben. Wir weisen daher hiermit auf den besagten Kupferstich hin und bemerken, daß der Preis bis zum 15. November dieses Jahres für das Portrait auf weißem Papier Mk. 5 und für ein solches auf chinesischem Papier Mk. 6.50 beträgt; nach dem besagten Termin dagegen wird der Ladenpreis fast auf das Doppelte erhöht werden. Bestellungen sind an das Atelier von Alfred Krauße in Leipzig zu richten.




Kleiner Briefkasten.

J. Z. in Paris. Jede der neun deutschen Münzstätten führt einen Münzbuchstaben, welcher auf den aus ihr hervorgegangenen Münzen abgeprägt wird. Die Bedeutung der Buchstaben ist folgende: A Berlin, B Hannover, C Frankfurt am Main, D München, E Dresden, F Stuttgart, G Karlsruhe, H Darmstadt, I Hamburg.

M. v. M. in H. Einen Artikel über Garibaldi werden Sie in einer der nächsten Nummern unseres Blattes finden, und zwar einen aus der Feder unseres wackern, altgetreuen Johannes Scherr.

N. N. Die Adresse des Verfassers des in Nr.35 erschienenen Artikels „Aus deutschen Idiotenanstalten“ lautet: Herrn Director W. Schröter in Dresden-Neustadt, Oppellstraße Nr. 44.




Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung. 



Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_636.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)