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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Geschrei, so bis in den Himmel erschallet, und bis in die Höll hinunter gehöret ist worden, darüber sich Himmel und Erden erzittert und alle Elemente sich entsetzet“, gerufen hat.

Ansprachen von solcher Kraft müssen denn doch endlich selbst eine Heilige rühren, und im Vertrauen auf diese Wirkung rückt der „mühselige Sünder“ endlich heraus mit seinem Begehren:

„Ich falle Dir zu Füßen und bitte Dich als eine Schatzmeisterin des Himmels, Du wolltest mir aus meiner großen Noth und Armuth helfen und mir mit einer Summe Geld, soviel mir gedeihlich sein möchte, auch rechtes gangbares Geld, so nun gib und gab ist; begnaden, dieweil ich denn gar so arm und elendiglich bin.“

Nun folgen noch die drei „Ermahnungen vor dem Schlaf“ an unsere mildthätige Himmelscassiererin, worauf sich der Bittende getrost auf’s Ohr legen und das Weitere erwarten mag. Ob die Gerufene erscheinen werde, hängt natürlich von dem größeren oder kleineren Vertrauen ab, so der „mühselige Sünder“ während der neuntägigen Beschwörung an den Tag gelegt hat.

Auch scheint es, als ob die himmlische Schatzmeisterin nicht immer „lieblich und angenehm“, sondern mitunter ziemlich polternd und unhold aufträte, denn in den letzten Zeilen giebt das Büchlein noch „Weis und Lehr“, wie man sich beim Erscheinen des „Geistes“ zu verhalten und von ihm „Urlaub“ zu nehmen habe.

„Wenn Du etwas hörst,“ steht daselbst geschrieben, „so sprich es gleich an: Gottes Gnad und Huld sei mit Dir im Namen des Va†ters, des Soh†nes und des heiligen Gei†stes amen.“ Und zum „Urlaub“ spricht man: „Dir aber, Du gutwilliger Geist, gebiete und befehle ich, daß Du in gehörigen Ort zurückkehrst und in Freuden und Gutwilligkeit ohne Getümmel und Schaden meines Leibes und der Seele. Dazu verhelfe mir die allerheiligste Dreifaltigkeit. †††.“

So berichtet unser Zauberbüchlein von der heiligen Corona, und wer möchte wohl daran zweifeln daß sie dem „mühseligen Sünder“ mit ihren Gnaden schon oft erschienen sei?

Soll sie doch vor mehreren Jahren einmal einem alten Mütterchen, das gar emsig neun Nächte hindurch gewacht und gebetet hatte, auf der Innbrücke in Passau begegnet sein! Es war eine bleiche, schöne, schwarz gekleidete Frau, welche ein Körblein am Arme trug. Aber die Alte hatte nicht den Muth, die Erscheinung sogleich anzureden, und als sie sich endlich ein Herz faßte und umkehren wollte, war die bleiche Frau verschwunden. Nochmals machte sie zwar die ganze heilige Zauberei nach Anweisung des Coronabüchleins durch, aber alles war vergebens.

Ein anderes Mal kam es zu Mühldorf einem reichen geizigen Bauern in den Sinn, mit Hülfe der heiligen Corona seinen ohnehin schon beträchtlichen Besitzstand noch vermehren zu wollen. Da ihm aber für seine Person allein die ganze Procedur um endlich den ersehnten Geist zu sehen, etwas zu mühevoll war, wendete er sich um Beistand an ein altes Weib, das in derlei Dingen, wie nicht minder im Wahrsagen und Traumdeuten eine gewisse unheimliche Berühmtheit hatte. Die Hexe versprach Hülfe, verlangte aber für ihre Mühewaltung 400 Mark, welche der Geizhals, obwohl ungern, in der Hoffnung eines größeren Gewinnes endlich opferte. Die Beschwörung begann und ging richtiger Weise durch neun Nächte von statten. Wirklich stellte sich auch in der letzten Nacht eine Erscheinung ein, aber nicht die heilige Corona, sondern ein handfester Gensd’armerie-Corporal, welcher die Zauberin wegen Betrugs in den Arrest abholte. –

Ein solch löbliches Ende wünschen wir den Versuchen aller „mühseligen Sünder“, die mit Hülfe der Anweisung des Corona-Büchleins auf Gelderwerb ausgehen. Wir übergeben dieses traurige Literaturerzeugniß der Oeffentlichkeit nicht als ein Stück erheiternder Unterhaltung. Dazu ist ein solches Zeichen verwahrloster Volksbildung viel zu beklagenswerth. Wenn der Erzähler und der Leser aber sich trotzdem eines Lächelns über so überstrotzend wuchernde Blüthen der Dummheit nicht erwehren können, so möge man diese menschliche Regung verzeihen. Es ist das immer noch die mildeste Strafe für Verführer wie Verführte.

J. C. Maurer.




Blätter und Blüthen.


Eine Riesenorchidee. Wer in der Congo-Niederung während der Monate October bis Februar eine Fahrt stromaufwärts unternimmt, wie ich sie bereits im vorigen Jahrgange Seite 487 geschildert habe, der wird eine Erdorchidee in voller Blüthe bewundern können, welche an mächtiger Entwickelung wohl von keiner ihrer Schwestern erreicht, an Schönheit von keiner übertroffen wird. Diese Orchidee (Lissochilus giganteus Hook.) ist ein Prachtgewächs ersten Ranges, eine Königin selbst in ihrer Familie, deren Glieder doch überhaupt die wunderbarsten Blumen hervorbringen, die wir kennen.

Eine Riesenorchidee.
Nach einem Aquarell von Dr. Pechuel-Loesche.

In ihrem Habitus, selbst in Form und Farbe der Blüthen, ähnelt sie einigen unserer bescheidenen heimischen Orchideen, den bekannteren, manche Wiesen zierenden Knabenkräutern; nur muß man sich die letzteren in’s Riesenhafte gewachsen denken, denn Lissochilus mit zwei Meter hohen Schäften sind keineswegs selten, einzelne treiben sogar noch höhere Blüthenstände. Die vorwiegend mild carminroth, bisweilen aber auch leuchtend roth gefärbten Blüthen sind von bedeutender Größe. In der Regel umgeben sie nicht sehr zahlreich und darum nur locker vertheilt den entsprechend dicken Schaft; bei besonders kräftigen Pflanzen entwickeln sie sich jedoch in größerer Menge und stehen so dicht gedrängt, wie die Abbildung zeigt. Es giebt gewissermaßen arm- und reichblüthige Exemplare dieses Lissochilus, ebenso wie es stark- und schwachriechende giebt. Die meisten besitzen einen zarten, bei weitem nicht so auffallenden Duft wie andere Orchideen; doch wird diese Eigenschaft wohl durch den Standort beeinflußt, denn ich bin auch auf einzelne Blüthenstände gestoßen, welche einen betäubenden Wohlgeruch aushauchten.

Die Verbreitung dieser Prachtgewächse scheint eine sehr beschränkte zu sein. Hat man, am Nordufer des Congo entlang fahrend, die Bullen- und Kalbinsel passirt, so erblickt man in der Gegend von Malela und am Südufer um Tschissanga die ersten Exemplare, welche, von fern an unsere stattlichen Malven erinnernd, sich auf feuchten und morastigen Blößen deutlich vom dunklen Hintergrunde des Buschwerkes abheben. Bis in die Umgebung von Ponta da Lenha finden sie sich in Menge und an diesem Punkte besonders zahlreich auf dem, vom Gebüsch gesäuberten schlammigen Grunde rings um die englische und holländische Factorei. Dort mögen gegenwärtig einige Hundert vorkommen Als ich im Jahre 1875 schon einmal diese Gegend besuchte, gab es daselbst erst wenige Exemplare. Zwei Jahre früher hatte Monteiro einige Pflanzen von dieser Stelle nach England gesandt, welche in Kew Gardens mit Erfolg cultivirt wurden. Sie sind wohl die einzigen, welche bisher in Europa Beachtung gefunden, denn von denen, die ich zu jener Zeit für unsere botanischen Gärten sammelte und nach Deutschland schickte, ist nichts weiter gehört worden.

Außerhalb des beschriebenen Uferstriches werden diese Orchideen sogleich seltener und verschwinden endlich gänzlich. Nur in dem Inselhaufen oberhalb Ponta da Lenha lugen noch ganz vereinzelt die schönen Blüthenpyramiden aus dem hohen Grase am Ufer. Auch habe ich sie nirgends weiter weder an der Küste noch im Inneren von Westafrika beobachtet, außer an einem zweiten Standorte, und zwar am Gabun auf einem sumpfigen Terrain unfern der Hauptfactorei des Hamburger Hauses Woermann. Doch erreichen dort die Exemplare nicht die Größe der am Congo vorkommenden.

Zwei andere riesige Erdorchideen, wahrscheinlich ebenfalls Lissochilus, die eine mit tief purpurrothen, die andere mit gelblichen, violett gefleckten Blüthen, fand ich vor neun Jahren sehr selten auf feuchten Stellen der Savane von Pontanegra an der Loangoküste, halbwegs zwischen dieser Niederlassung und dem südlicher gelegenen Massabe. Pechuel-Loesche.     



Chriemhild an Siegfried’s Bahre. (Mit Illustration S. 192 und 193) Aus grauer Vorzeit, entsprossen aus der germanischen Götter- und Heldensage, stammt das gewaltige Epos, „Das Nibelungenlied“ genannt, welches nun seit so manchem Jahrzehnte die Dichter und Maler, und neuester Zelt sogar die Componisten begeistert zu immer neuen Schöpfungen. Unter den Malern hat seit Cornelius und Schnorr von Carolsfeld wohl Keiner den mächtigen Stoff dramatischer und effectvoller behandelt, als der Meister des hier in einem trefflichen Holzschnitte wiedergegebenen Bildes, Professor Emil Lauffer in Prag. Zum Verständniß der auf dem Bilde dargestellten Scene ist es nothwendig, auf den uralten Volksglauben hinzuweisen, welcher sogar in unsern Tagen noch in manchen Gegenden verbreitet ist: daß die Wunden des Getödteten von Neuem zu bluten beginnen, wenn der Mörder an die Leiche seines Opfers herantritt oder dieselbe berührt. Im Mittelalter erwuchs aus dieser Anschauung das sogenannte Bahrrecht oder Bahrgericht, bei welchem der des Mordes Verdächtige vor den Leichnam des Getödteten geführt wurde, die Wunden desselben berühren und dabei in einer vorgeschriebenen Formel Gott um ein Zeichen zur Entdeckung des Schuldigen anrufen mußte. Wenn nun

bei diesem schauerlich-feierlichen Acte die Wunden des Leichnams zu bluten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_207.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)