Seite:Die Gartenlaube (1885) 380.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

später mit dem auf deutschen Universitäten erworbenen Wissen in so glänzender Weise verwerthen sollte.

Die Grundlage zu dem schnell emporblühenden Ruhme Nachtigal’s bildete die glückliche Ausführung der schwierigen Mission, nach Bornu vorzudringen und dem dortigen Sultan Geschenke von König Wilhelm zu überbringen. Im Januar 1869 trat er diese Reise an, die sich zu einer der denkwürdigsten afrikanischen Expeditionen gestaltete und von der er erst im Jahre 1875 nach vielen Querzügen durch niemals von einem Europäer betretene Länder des Sudans glücklich in die Heimath zurückkehrte.

Von nun an galt Nachtigal als einer der ausgezeichnetsten Forschungsreisenden, dem Regierungen und gelehrte Gesellschaften hohe Ehrenbezeigungen erwiesen. Als Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin und als oberster Leiter der deutschen Afrikaforschung förderte er die letztere in rastloser Weise und bestrebte sich, einen Jeden, der ihn um Rath anging, mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit zu unterstützen, während er an seinem Werke „Sahara und Sudan“ arbeitete, dessen Schlußband leider unvollendet geblieben ist.

Von dem Posten des Generalkonsuls des Deutschen Reiches in Tunis, den er seit 1882 bekleidete, wurde er, wie allgemein bekannt, im vorigen Jahre berufen, sich nach der Westküste von Afrika zu begeben, um dort in den neuerworbenen Gebieten die deutsche Flagge zu hissen.

Am 11. April d. J. verließ er, bereits schwer an der Malaria erkrankt, Kamerun. Schon vor der Ankunft auf der Rhede von Lagos nahm, wie die Zeitungen auf Grund amtlicher Mittheilungen berichten, die Krankheit eine ungünstige Wendung, und aus Rücksicht darauf genehmigte Admiral Knorr, welcher ebenfalls vor Lagos anlangte, daß die „Möwe“ sogleich die Reise fortsetzte, um die hohe See zu gewinnen. Das Wetter war gleichmäßig schön und trocken, man konnte deßhalb den Kranken unter einem luftigen Zelt auf Deck lagern; gleichwohl verschlimmerte sich sein Zustand. Am 19. April erkannte er selbst die Gewißheit seines nahen Todes und diktirte seinen letzten Willen. Am nächsten Morgen früh 4½ Uhr verschied er im Beisein des Kommandanten und des Arztes; das Fahrzeug befand sich gerade 100 Seemeilen von Kap Palmas entfernt. Dort, wo bereits im Januar 1856 ein hoffnungsvoller junger deutscher Forscher, Philipp Schönlein, ein Grab gefunden hat, fand am Nachmittage des 21. April die Beerdigung Nachtigal’s statt unter Betheiligung der Officiere und Mannschaften.

Nun ruht der pflichtgetreue echte Sohn der Mark in weiter Ferne, an jenen Küsten, an welchen er der Deutschen Antheil gesichert hat. Auf dem Kap der Palmen ist er in die Erde gesenkt worden, dort, wo vor zwei Jahrhunderten die brandenburgischen Schiffe vorübersegelten, die eine Kolonialpolitik verwirklichen sollten, welche fest zu begründen vorbehalten blieb dem mächtigen Kanzler des geeinten Deutschen Reiches und seinem thatkräftigen Helfer, Gustav Nachtigal.


(Ein Kranz)
Zu dem Bilde von Helene Stromeyer.

Ein Kranz, bei des Tageslichts Scheide,
Geflochten aus blühender Pracht,
Hing über der altgrauen Weide,
Im feuchten Stürmen der Nacht.

5
Im Frühroth die Blüthen zerfallen,

Vom Thauen des Morgens beschwert. –
Sie haben die Nachtigallen
Die klagenden Weisen gelehrt.

Zerrissen, verflattert die Kränze,

10
Gestorben die Blumen im Hag;

Doch wieder, vom Lenze zum Lenze,
Erweckt sie der Nachtigall Schlag.

Wohl dem, wenn ihm Hoffnungen starben,
Das Glück, wie das Abendroth sank,

15
Dem im Bild es sich webt aus den Farben,

Dem die Klage sich löst im Gesang.

Karlsruhe, 27. Mai 1884.  Gustav zu Putlitz.


Plaudereien über Romandichtung.

Von Rudolf von Gottschall.
1.0 Wahrheit und Dichtung im Roman.

Schiller nannte einmal den Romanschriftsteller den Halbbruder des Dichters: in der That ist er nicht heimisch in jenen „Regionen, wo die reinen Formen wohnen“; er hat sich zu viel mit der Welt, mit der Alltäglichkeit einzulassen; er muß in sein Werk viel Stoffartiges mit herein nehmen, was sich nicht künstlerisch modelliren läßt.

Wie sich Wahrheit und Dichtung im Romane verhält, das ist eine Frage, die auch bei modernen freierfundenen Romanen aufgeworfen werden kann. Geistreiche Theoretiker und erfolgreiche Praktiker auf diesem Gebiete behaupten sogar, daß kein echter Romanschreiber dichten kann, ohne wie der Maler und der Bildhauer seine „Modelle“ zu haben. Freilich sitzen sie nicht bei ihm im Atelier, aber sie schweben seiner Phantasie vor. Wir theilen diese Ansicht Spielhagen’s nicht; wir meinen, daß der Dichter aus eigener Machtvollkommenheit, aus seinem eigenen Innern heraus seine Gestalten schafft, daß dies eine Art von Urzeugung

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_380.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)