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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Riesen im Keller selbst gefertigt. Das Heidelberger Faß liegt noch heute im „Bandhaus“.

Riesenfässer der J. B. Sturm’schen Kellerei zu Rüdesheim.
Originalzeichnung von W. Klusmeyer.

Und trotzdem sind diese Kunstwerke, so darf man sie wohl nach ihrer äußeren Ausstattung nennen, nichts gegen die monströsen Fässer der Brauereien in England und Amerika. Barclay, Perkins u. Komp. in London, die bekannten Porterbrauer, haben Lagerfässer, die 192 000 Gallonen, also gegen 800 000 Liter, zu lagern im Stande sind.

In Würzburg, im Frankenlande, erbauten die Fürstbischöfe eine Kellerei, die ehedem als die größte der Welt galt. Die Räume sind noch erhalten und in Benutzung und befinden sich unter dem fürstlichen, jetzt königlichen Schloß daselbst. In diesen „heiligen Hallen“ des Steinweines und des Leisten ruhen nun neben Gebinden der mannigfaltigsten Formen und Größen drei Kolossalfässer, von denen das größte 660 Eimer (oder 55 Fuder = 440 Hektoliter = etwa 55 000 Flaschen) faßt und welches in der Höhe und Tiefe je 5 Meter mißt. Zwei kleinere, recht ansehnliche Ovalfässer mit einem Gehalt von 289 und 276 Eimern sekundiren dem größeren Koloß in trauter Eintracht. Diese Fässer dienten ehemals zur Aufnahme von „Bestallungswein“ oder Beamtenwein, denn es gab eine glückliche Zeit in Franken, in welcher Wein einen Theil der Besoldung fürstlicher Diener ausmachte. Damit nun Klagen über ungleiche Weine bei der Vertheilung nicht aufkamen, wurde der Rebensaft in diesen Riesenbäuchen zusammen gelagert. Verbrauchte doch die fürstliche Hofkellerei im Jahre 1782 allein 266 Fuder und 10 Eimer an „Beamtenwein“.

Ein kunstreich geschnitztes Faß, 30 Hektoliter, gleich 3750 Flaschen haltend, aus dem Jahre 1683 stammend, hat ebenfalls eine besondere Geschichte, denn es enthielt den edlen 1540er, wie noch eine Inschrift besagt: den sogenannten „truckenen Sommerwein“, der in einem Jahre gewachsen, in welchem die Flüsse, selbst der Rhein, „schier ausgetrocknet“ waren. Im Dreißigjährigen Kriege ward das Faß vergraben, um den Inhalt zu retten. Es ist ihm Nichts verblieben, als das Aroma im Innern, ein Genuß, mehr für den Kenner, wenn er den Spund lüftet, – als für den Trinker.

Der Stolz der Fürstengeschlechter früherer Tage hat sich auf die Fürsten des rheinischen Weinhandels vererbt. Und so treffen wir im Rheingau die Nachfolger des Heidelberger Fasses aus neuester Zeit. In den Kellern der Firma J. B. Sturm in Rüdesheim, die sich übrigens mit den Würzburger Kellereien an Ausdehnung reichlich messen können und die, in drei Etagen erbaut, als die größten Keller am Rhein an und für sich eine Sehenswürdigkeit bilden, lagern die jüngsten Meisterwerke der Faßbinderei. Und – was nicht zu unterschätzen, diese Fässer sind noch im Gebrauch – noch waltet in ihnen der lebendige Geist, „noch tobt er an die Wände“, und wer sich von diesem Geiste überzeugen will, ist jederzeit willkommen – die rheinische Gastlichkeit hält stets diese Räume auch dem Fremdling geöffnet.

Hier, unter den Resten der ehemaligen Boosenburg, im jetzigen Hause Sturm, lagert ein Faß, dessen schützende Wände 20 Stückfaß Wein zu 24 000 Liter oder 30 000 Flaschen bergen können. Das Faß ist vollständig rund, hat 3½ Meter im Durchmesser und ist ebenso lang. Das Eichenholz, welches zum Bau verwendet wurde, ward 1873 in Wien auf der Ausstellung prämiirt. Ein Jahr darauf erbaute ein Meister seines Faches das Kunstwerk in Weisenau bei Mainz. Zu Schiff geschah der Transport, und in Rüdesheim angekommen, ward das Faß, dessen Dauben 13 Centimeter stark sind, aus einander genommen und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_688.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2024)