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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Hoheit Karneval der Unsterbliche.
Eine Faschings-Huldigung von Richard Schmidt-Cabanis.

Herein nur, herein allinsgesammt,
0 Ihr preislichen Herren und Damen,
Geprüft vom Faschings-Marschallamt
0 Auf närrischen Rang und Namen!
Des Prunksaals Pforten erschlossen sich weit –
Willkommen, die Seiner Heiterkeit
0 Zu huldigen heute kamen!

Der Jokusstab im Wappenschild
0 Schafft Einlaß Euch ohne Phrase;
Als ältesten Adels Stammbaum gilt
0 Die längste Pappennase;
Als köstlichster Schmuck der Groß-Cordon
Vom hohen Orden des Cotillon
0 Am Band – mit dem Römerglase. –

Eröffnet hat Hoheit Karneval
0 Den Reigen seiner Audienzen,
Entboten sind die Getreuen all
0 Aus seiner Erblande Grenzen:
Der Truchseß Witz, der Kanzler Humor,
Das diplomatische Narren-Korps –
0 Die tollsten der tollen Exc’llenzen

Im Schellen-Ornat der Herrscher sitzt
0 Auf ragendem Bütten-Throne;
An Scepters statt die Pritsche blitzt,
0 Es funkelt die Kappe als Krone.
Und um ihn reih’n sich – nach Pflicht und Gesetz –
Abdera’s Vertreter und Schöppenstedt’s,
0 Des Parlamentes Barone.

Des Kriegsheers Generalissimus
0 Ragt Don Quixote im Bügel,
’s führt Harlekin als Syndikus
0 Des Staates Insignien und Siegel;
Auch schlägt man heut’ zum Ritter des Reichs
Als Lohn manch kecklichen Schwabenstreichs
0 Den Schalksknecht Eulenspiegel!

Doch was nicht zählt zur närrischen Zunft,
0 Der Kukuk hol’s und sein Küster!
’s wird außer Landes die trockne Vernunft
0 Gewiesen vom Stultus-Minister;
Die Griesgram-Sippe trifft Bann und Acht
Und cum infamia wird ausgelacht
0 Der Schulweisheit Philister!

So kleide denn, luftiger Faschingstraum,
0 Das All uns in Rosenschimmer,
Entsteig’ des Champagners perlendem Schaum.
0 Du buntes Märchengeflimmer!
Das Heut noch ist unser, drum lebe das Heut!
Schon morgen, ach, ist all die Herrlichkeit
0 Nur Scherben und Fetzen und Trümmer!

Doch ob auch verwehe die Zauberpracht
0 Der Morgenwind, der scharfe,
Ob all zersprungen auch über Nacht
0 Die Saiten der goldenen Harfe:
Fürst Karneval herrscht frei und froh
Mit Grazie weiter – inkognito –
0 Der wechselt nur seine Larve;

Der achtet, ein unsterblicher Held,
0 Des Aschermittwochs wenig,
Es bleibt ihm sein Reich – die weite Welt.
0 Die Menschheit ihm unterthänig:
Er nennt nur morgen „Herr Zeitgeist“ sich
(Du schöne Maske, wir kennen dich!),
0 Der heute heißt: Narrenkönig!


Die Andere.

Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Du mußt mir helfen,“ rief Lotte mir freudestrahlend entgegen; „denke Dir, die Herzogin will mich sehen – endlich! Ach, Tone, es war ein demüthigendes Bewußtsein, daß man keinerlei Notiz von mir nahm, daß man mich nicht kennen zu lernen wünschte! Und nun, wie liebenswürdig: die Herzogin kommt ganz inkognito nach – es soll aussehen wie eine zufällige Begegnung – nach Schloß Grunen: dort sollen wir uns treffen, und Du mußt mich begleiten. Sieh’ doch selbst, was die Fürstin schreibt“ – sie hielt mir einen zierlichen Brief unter die Augen. „Sie will Die sehen, die ihren Lieblingssohn in Fesseln schlug. O, sie soll ganz reizend sein! Tone, um Gotteswillen, was mache ich für Toilette?“ Und sie zog mich erregt in das Schlafzimmer und hieß Anita einige Kartons aus der Ankleidestube bringen. Sie zitterte und lächelte und war wie ein glückliches Kind.

„Ich freue mich, Lotte,“ sagte ich, „es wird Dir wohlthun. Hast Du gute Nachrichten von Deinem Manne?“

„O, prächtige! Er liegt in einem schönen Schlosse bei St. Nicolas und amüsirt sich herrlich, und er hat mir in Nancy einen ganzen Karton voll Seidenstoffe gekauft, lauter weiße Seide; er sagt, ich dürfe nur noch Weiß tragen.“ Und sie nahm Anita fast hastig die duftige weiße Mullrobe mit echten Kanten geschmückt aus der Hand. „Das, Tone? Geht das? – Natürlich nur, wenn wir schönes Wetter haben morgen. – Anita, holen Sie den Hut mit den weißen Straußfedern. Nicht wahr, Du kommst mit, Tone?“

Ich konnte es nicht abschlagen in ihrer Seligkeit: war mir doch auch ein Stein vom Herzen, daß man endlich Notiz von ihr nahm. „Wann soll das Rendezvous sein?“

„Um zwei Uhr morgen Nachmittag; wir fahren um Zwölf hier weg – sei pünktlich, Tone.“

Ich versprach es, lobte die Toilette, und als, in das gelbe Zimmer zurückgekehrt, die junge Frau hastig zu dem Schreibtische

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_173.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2024)