Seite:Die Gartenlaube (1886) 209.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

von Gibraltar, woselbst seit nicht nachweisbaren Zeiten, gegenwärtig von der Besatzung der Feste gehegt und geschont, ein aus mehr als zwanzig Stück bestehender Trupp Magots oder Stummelmakaken sein Dasein fristet. Wälder und Felsengebirge, in denen sie bis zu dritthalbtausend Meter unbedingter Höhe emporsteigen, bilden ihren Aufenthalt. Hier wie dort hausen sie, wenige Arten ausgenommen, jahraus, jahrein, tragen aber dem Wechsel der Jahreszeiten in so fern Rechnung, als sie im Walde den reifenden Früchten zu Liebe mehr oder minder ausgedehnte Wanderungen unternehmen oder in den Gebirgen mit Beginn der warmen Jahreszeit aufwärts, mit Eintritt der kalten abwärts steigen; denn sie lieben, obschon man sie selbst in verschneiten Gegenden noch antrifft, die Wärme ebenso wie einen reichlich und mannigfaltig beschickten Tisch. Etwas zu beißen und zu knacken muß es da, wo sie bleibend oder für längere Zeit sich ansiedeln sollen, jedenfalls geben; sonst wandern sie aus. Waldungen in der Nähe menschlicher Siedelungen erscheinen ihnen als Paradiese; der verbotene Baum in ihnen kümmert sie nicht. Mais- und Zuckerrohrfelder, Obst-, Bananen-, Pisang- und Melonenpflanzungen betrachten sie als ihnen erb- und eigenthümliche Weidegebiete: Ortschaften, in denen frommer Wahn der Bevölkerung sie schützt, gelten ihnen ebenfalls als recht angenehme Wohnsitze.

Eine Familie der Mantelpaviane (Dschelada). Von Fr. Specht.

Alle Affen, die sogenannten Menschenaffen vielleicht ausgenommen, leben in Banden von bisweilen sehr erheblicher Stärke, denen ein altes Männchen als Führer vorsteht. Zu solcher Würde erhebt die wohl oder übel allseitig anerkannte Befähigung des Inhabers: die stärksten Arme und die längsten Zähne entscheiden. Während bei Säugethieren, unter denen ein weibliches Mitglied die Führung übernimmt, jedes andere Zugehörige der Herde willig folgt, erzwingt der Leitaffe, als Selbstherrscher und Alleingebieter der schlimmsten Art, unbedingten Gehorsam. Wer sich nicht gutwillig unterordnen will, wird durch Bisse, Kniffe und Püffe zur Pflicht geführt. Der Leitaffe verlangt sklavische Unterwerfung von allen übrigen Affen und ebenso von den Aeffinnen seiner Herde. Ritterliche Artigkeit gegen das schwächere Geschlecht übt er nicht: „Im Sturm erringt er der Minne Sold“. Seine Zucht ist streng, sein Wille unbeugsam. Kein Affenjüngling darf sich unterstehen, mit einer Aeffin seiner Bande zu liebeln, keine Aeffin sich erdreisten, außer ihm einem anderen Affen Huld zu

gewähren. Er selbst herrscht unbeschränkt über seinen Harem, und sein Geschlecht mehrt sich wie der Sand am Meere. Wird die Herde zu zahlreich, so sondert sich unter Leitung eines inzwischen erstarkten Mitaffen ein Trupp von ihr ab, um eine eigene Gemeinschaft zu bilden. Bis dahin wird jener allgemein geachtet und ebenso geehrt als gefürchtet. Alte geprüfte Affenmütter wie junge, im Backfischalter stehende Aeffinnen bestreben sich ihm zu schmeicheln, beeifern sich namentlich, ihm die höchste Gunst, welche ein Affe dem andern gewähren kann, fortwährend zu spenden, indem sie mit Ernst sich bemühen, sein Haarkleid von allen nicht zu ihm gehörigen Dingen und Wesen zu säubern. Er seinerseits läßt sich solche Huldigung gefallen mit dem Anstande eines Pascha, dem seine Lieblingssklavin die Füße kraut. Die Achtung, welche er sich zu verschaffen wußte, verleiht ihm Sicherheit und Würde im Auftreten, der Kampf, welchen er trotz alledem beständig zu bestehen hat, Wachsamkeit, Muth und Selbstbewußtsein, die Nothwendigkeit, seine Herrschaft zu erhalten, Umsicht, List und Verschlagenheit. Indem er diese Eigenschaften, zunächst wohl zum eigenen Besten, verwerthet, nützt er aber auch der Gesammtheit,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_209.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2024)