Seite:Die Gartenlaube (1886) 341.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Landgrafen, Minnesang und Kreuzzugsabenteuer abgegeben hätten, dazu noch Donaulandschaft und der geheimnißvolle Autor des Nibelungenliedes, der bekanntlich seine Phantasie stark beschäftigte. Ein Stück dieses Romans, die Erzählung des Ritterknaben Juniperus vor Akkon, ist vollendet und der Welt übergeben, das Andere wird wohl auf immer für sie verloren sein, trotz der zu Zeiten in der Presse umgehenden Gerüchte von ungedruckten, aber vollendeten Manuskripten Scheffel’s. Freunde, welchen er den Plan des Romans mittheilte, erwarteten Großes davon, besonders ergötzlich gedacht war ein fahrendes Minnesinger-Trifolium: Höllenbrand, Schandolf und Lasterbalk, welches die minder respektabeln Seiten des Standes repräsentirte, der um den Landgrafen Hermann so glänzend durch Wolfram und seine Genossen vertreten war.

Sicher entstammt auch jenem Romanentwurf und dem Bedürfniß nach Proben höfischer Poesie, bez. noch ungedruckten Liedern der bekannten Größen, ein Theil der Aventiurelieder, die dann später vermehrt und als selbständiges Ganzes herausgegeben wurden. Als ich vor etwa 10 Jahren einmal bei Scheffel auf Fortsetzung jener alten Arbeiten drängte und ihn bat, mir mindestens einmal das vorhandene Manuskript zur Durchsicht zu geben, antwortete er, dasselbe sei so verworren und unleserlich, daß außer ihm sich Niemand darin zurechtfinden könne. Auch sei es ihm unmöglich, jetzt wieder in den alten Ton hineinzukommen.

Faksimile einer Handzeichnung von Joseph Viktor von Scheffel: Visp, Eingang in die Thäler von Monte Rosa.

Der Tod einer noch so geliebten Schwester ist für einen Menschen von lebhaftem Produktionsdrange keine dauernde Abhaltung vom Schaffen. Wenn also Scheffel in den nächsten Jahren stille saß und nichts von sich hören ließ, so ist der Grund davon neben ernsthaften Nervenstörungen, die ihn damals zuerst heimsuchten, vor allen Dingen der, daß er jenen starken Produktionsdrang nicht besaß. Er bedurfte allezeit günstiger Umstände und einer gewissen Lockung zum Schaffen. Vielschreiberei war ihm ein Gräuel, und er empfand es als großes Glück, daß er in der Lage war, auf die gute Stimmung warten zu können. Vielleicht wäre es ihm freilich besser gewesen, manchmal eine äußere Nöthigung zu haben. Müßig ging er aber darum doch nicht. Die Lust des Studiums war groß in ihm, er empfand im höchsten Grade die Wonne, welche das Versenken in geschichtliche Dinge gewährt, und indem er immer mehr den Quellen selbst in Archiven und Klöstern nachging, erwarb er sich die gründliche Gelehrsamkeit, welche ihn jeden Augenblick zur Uebernahme einer germanistischen Professur befähigt hätte. Was er aber noch bei seinen vielfachen Wanderungen durch Deutschland, die Alpen und Südfrankreich gewann, das war die genaue Kenntniß von Land und Volk, mit dem er gern in der menschlich-einfachsten Weise verkehrte, und nebenbei eine Fülle persönlicher Erlebnisse unter den seltsamsten Umständen, die er später, im Freundeskreise sitzend, mit unvergleichlichem Humor zum Besten gab.

Allerhand Aussichten eröffneten und zerschlugen sich in den nächsten Jahren, das Letztere hauptsächlich deßhalb, weil Scheffel immer abgeneigter wurde, sich dauernd irgendwo zu binden. Der fürstliche Herr der Wartburg bot ihm eine Stellung dort, er hielt sich auch vorübergehend bei ihm auf, ging aber dann doch wieder. Die Eltern sahen seinen Lebensweg mit gemischten Empfindungen: die Dreißig waren überschritten und von Seßhaftigkeit am eigenen Herde keine Rede. Als eine glückliche Fügung begrüßte es darum der alte Herr, als nun der Fürst von Fürstenberg den Dichter einlud, nach Donau-Eschingen zu kommen, um das dortige Archiv zu ordnen, und Scheffel den Antrag annahm.

Wie es ihm dort gefiel, zeigen die folgenden Zeilen, freilich in scherzhafter Uebertreibung, wie es der Ton der Korrespondenz zwischen ihm und dem Weinheimer Hause so mit sich brachte. Er hatte in diesem Hause beim Abschiedsbesuche die ihm seltsamer Weise noch unbekannten Makamen des Hariri gefunden und mit Entzücken gelesen. Allerhand Unsinn in Makamenform wurde darauf hin mündlich und schriftlich zwischen ihm und der lustigen Jugend betrieben, und ein paar Wochen nach seinem Scheiden kam von Donau-Eschingen die folgende schöne Makame:

„Jussuf Scheff-El spricht:

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_341.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2021)