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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Er sah mich verwundert an. „Nein – das nicht, ‚Gartenvergnügen‘ nennen wir es, wenn sämmtliche Parteien den Garten benutzen.“

„So so,“ erwiderte ich von Neuem enttäuscht. „Und giebt es da nicht manchmal Zwistigkeiten?“

Er lächelte verschmitzt. „Dagegen haben wir unsere Gartenordnung. Dieselbe ist in jeder Wohnung angenagelt, ebenso wie die Hausordnung. Wenn es Ihnen angenehm ist, näher zu treten – hier ist sie.“

Ich folgte seiner Einladung und begann das in dem Vorraum neben der Eingangsthür angeheftete Blatt zu lesen:

§ 1. Jede der vier Parteien erhält einen Tisch, der zu ihrer ausschließlichen Benutzung ist.
§ 2. In den übrigen Raum theilen sich die Parteien, wobei liebenswürdiges Entgegenkommen erwartet wird.
§ 3. Besuche sind in den Garten nicht mitzubringen.
§ 4. Ebenso sind Hunde und Kinder unter acht Jahren ausgeschlossen.
§ 5. Cigarrenreste, Aepfelschalen u. dergl. dürfen im Garten nicht weggeworfen werden.
§ 6. Blumenpflücken ist nicht gestattet.
§ 7. Die Pflege des Gartens ist auf Kosten der Theilnehmer an dem Vergnügen einem Gärtner übertragen.
     0Für jeden Schaden haben die Parteien aufzukommen.

Ich hatte genug, verzichtete auf weitere Unterhandlungen und entfernte mich mit dem Versprechen, meine Frau zu schicken.

Auch dieser Traum war also wie Nebel zerronnen, und mit den andern ging es nicht besser. Als ich endlich eines Abends – seit vierzehn Tagen war ich auf der Reise nach dieser unglückseligen neuen Wohnung – heimkehrte und mich ermüdet auf das Sofa warf, bemerkte ich, daß meine Frau wieder ihre gedankenvolle Miene angenommen hatte und mich fragend ansah.

„Du siehst so nachdenklich aus,“ sagte sie.

„Ich? – O nein – aber Du.“

„Ich dachte, daß wir’s hier eigentlich recht glücklich getroffen haben. Kein Klavier, kein Schlosser –“

„Und kein Gartenvergnügen,“ fiel ich ihr ins Wort.

„Der Hausherr ist ein liebenswürdiger Mensch –“

„Und wohnt nicht im Hause, was das Liebenswürdigste an ihm ist. Auch finde ich, daß unsere Treppen viel bequemer sind, als die anderer Häuser.“

„Und die Zimmer sind so gemüthlich, so behaglich.“

Ich war aufgesprungen, und wir schritten Arm in Arm von Stube zu Stube. Ueberall entdeckten wir neue Vorzüge, neue Herrlichkeiten. Die alte, verhaßte Wohnung hatte sich plötzlich verändert, es war gar nicht mehr die alte, es war eine neue, die schönste und bequemste unter allen, die ich gesehen hatte. Und zugleich war sie uns auf einmal ans Herz gewachsen wie ein guter, lieber Freund, dessen theure Züge uns aus jeder Ecke entgegenblickten, und die Idee, diesen Freund zu verlassen, erschien mir so toll, daß ich plötzlich laut auflachte.

„Du hast ganz Recht,“ sagte meine Frau, als ob sie mein Lachen verstanden hätte. „Wir bleiben natürlich.“

„Natürlich,“ erwiderte ich, und der Leser wird meinen, die Geschichte sei nun zu Ende. Sie ist es aber nicht, und sie wird es vielleicht nie sein, denn wir wären keine Menschen – wenn sie sich nicht jedes Jahr wiederholte . . . .




Blätter und Blüthen.


Auf Leben und Tod. (Mit Illustration S. 365.) Da liegt sie vor uns schweigend und großartig, die einsame Hochgebirgswelt! Die Schatten des Abends senken sich über den öden Felskahren herein, und der Vollmond tritt aus dem leichten Nebelgewölke, das über den fernen duftigen Berghöhen lagert. Ueberall Ruhe, überall Frieden, heilige Sabbathstille der Natur ringsumher; nur zwischen den Menschen herrscht auch hier Zwietracht und Haß und erbitterter Kampf auf Leben und Tod! –

Förster und Wilderer, diese beiden Erbfeinde, sind auf einem Felsvorsprunge nahe dem Rande eines Abgrundes auf einander getroffen, und nun entspinnt sich ein mörderisches Ringen. Der Wilderer, auf frischer That ertappt, hat sich gegen den kräftigen, kühnen Weidmann zur Wehre gesetzt. Seine Büchse ist ihm in der Hitze des Handgemenges entfallen und entladet sich unter seinem zufälligen Fußtritt; er ist waffenlos. Und nun sucht Jeder den Anderen in die Tiefe hinabzuschleudern, welche neben ihnen hinaufgähnt und über der hoch in den Lüften zwei Adler kreisen. Unheimliches Grauen und Entsetzen blickt aus den weit geöffneten stieren Augen des Wilderers, in Todesfurcht sträubt sich sein Haar; er scheint zu ahnen, daß er verloren sei, und klammert sich verzweifelnd an den Förster, um, sollte er in der unzugänglichen Bergschlucht seinen Untergang finden, wenigstens auch seinen Feind mit sich dort hinab zu reißen.

So ringen die zwei Todfeinde mit einander, neben sich den drohenden Abgrund, der vielleicht in der nächsten Minute Einem oder Beiden zum Grabe werden wird. J. C. Maurer.     

Abnutzung des Eisenbahnrads. Interessant ist es zu beobachten, welch großer Abnutzung das Eisenbahnmaterial unterworfen ist. Vor einiger Zeit hat man sorgfältige Berechnungen angestellt, und etwa Folgendes ist das Resultat. Wenn ein Eisenbahnwagen 1000 Kilometer zurückgelegt hat, so hat ein jedes Rad desselben durchschnittlich 85 Gramm abgenommen. Hatte man dieses Rad gebremst, so ergab dies noch einen weiteren Verlust von 45 Gramm. Stimmten diese Durchschnittszahlen nicht bei allen Beobachtungen überein, so lag dies an der Güte des gebrauchten Stahles; die besten Räder, die also den geringsten Verlust erleiden, dürften wohl die von Krupp sein. Der Verlust erscheint zwar an und für sich nicht so bedeutend, aber welche Masse Stahles geht im Verlaufe längerer Zeit verloren, zerfließt spurlos in die Lüfte! Nehmen wir an, ein Zug, aus 25 Wagen bestehend, läuft auf einer Strecke von 100 Kilometer. Hätte man die Räder vor der Abfahrt gewogen und würde man sie nach der Ankunft auf der letzten Station dieser Strecke wiegen, so würde man ein Deficit von cirka zwei Pfund erhalten, während die gesammten Räder der sächsischen Bahnen täglich sechs Centner verschwinden lassen.

Nehmen wir an, daß auf Deutschlands gesammten Geleisen 900000 Räder, in runder Summe, fahren, so beläuft sich das jährliche Deficit auf ungefähr 30000 Centner. 4400 Räder sind wider Willen der Bahnverwaltungen, wider alle Paragraphen der Strafgesetze verflogen. Täglich und stündlich geht diese rastlose Verminderung vor sich, ununterbrochen wird das Eisenbahnmaterial weniger. Wenn dies allerdings die ganze Abnutzung wäre, so wäre es noch erträglich, aber nun kommt noch dazu, daß die Räder sich nicht rund erhalten, jetzt muß gefeilt und geglättet werden. Auf diese Weise geht das Meiste verloren. Zuletzt, wenn das Rad cirka 50 Kilogramm an seinem ursprünglichen Gewicht verloren, wird es zur Werkstätte abgeführt und hier abgedankt. Bis es dahin kommt, hat ein gebremstes Rad die Strecke von 95000 Kilometer, ein ungebremstes hingegen eine solche von 145000 Kilometer befahren, im Durchschnitt kann man 125- bis 130000 Kilometer rechnen. Hiernach läuft das Rad eines Personenwagens cirka 5 Jahre, das eines Güterwagens etwa 8 Jahre.

Ein historisches Unikum befindet sich in den Sammlungen des vogtländischen alterthumsforschenden Vereins zu Reichenfels bei Hohenleuben, Kreis Gera. Es ist dies das Lämpchen, bei dessen Schein Wallenstein, Herzog von Friedland, in der Nacht vom 24. zum 25. Februar 1634 im Stadthause zu Eger durch den kaiserlichen Dragonerhauptmann Deveroux ermordet wurde.

Die Nachtlampe, bei deren Scheine Wallenstein ermordet wurde.
1/2 natürl. Größe.

Das Lämpchen befand sich in der ersten Zeit nach der Schreckensnacht im Besitze der mit den Waldsteins in verwandtschaftlichen Beziehungen stehenden Familie Terzky. Später gelangte es in den Besitz einer Frau von Wallersprungk, die entweder eine geborene Gräfin Terzky oder doch eine nahe Verwandte der gräflich Terzky’schen Familie war. Von der genannten Dame ist sie den Großeltern des Herrn von G. in Gera zum Geschenk gemacht worden. Letzterer überließ sie unter Wahrung seines Eigenthumsrechtes dem vogtländischen alterthumsforschenden Vereine zum Zwecke der Ausstellung in dessen Museum.

Die Form des Lämpchens entspricht derjenigen, welche im späteren Mittelalter und auch noch im 17. Jahrhundert in den Häusern der Begüterten die zu einiger Erhellung des Schlafgemaches dienenden Lampen im Allgemeinen zu haben pflegten. Die Tülle hat einen Durchmesser von knapp fünf Millimeter, die zur Aufnahme des Dochtes in derselben bestimmte Oeffnung einen solchen von zwei Millimeter.

Trotz seiner Unbedeutendheit beansprucht das Lämpchen ein hervorragendes Interesse. Es ist der stumme Zeuge einer furchtbaren Gewaltthat von höchster historischer Bedeutsamkeit gewesen. H. Meißner.     

Vor der Schlacht! Wer denkt bei diesen Worten nicht an Theodor Körner’s schönes Gedicht:

„Ahnungsgrauend, todesmuthig,
Bricht der große Morgen an!“

Doch nicht von „Leier und Schwert“ wollen wir sprechen, sondern von einem Schlachtruf, der von jenseit der Vogesen herübertönt. „Avant la bataille“ – diesen Titel führt ein neues französisches Werk, zu welchem das Haupt der Patriotenliga, Paul Deroulède, die Vorrede geschrieben hat. „Das ist die Fanfare, das ist der Trommelschlag, der in allen Herzen widerhalle!“ so bezeichnet der Redakteur des „Drapeau“, der in den Spalten seines Blattes die Kriegsfahne schwingt, die Losung, die den Titel der neuen Schrift bildet. „Die Schlacht ist unvermeidlich,“ ruft er aus, „die Armee ist bereit.“ Und das bildet ja auch den Inhalt des Werkes, welches, wenn auch nicht unmittelbar aus dem Kriegsministerium hervorgegangen, doch von einem Verfasser herrührt, der in den nächsten Beziehungen mit den officiellen Kreisen steht. Denn alle Materialien und Daten standen ihm zur Verfügung bei seiner Schilderung der französischen Armee, und so schwunghaft die Vorrede von Deroulède, die einleitenden und abschließenden Kapitel des Werkes sind, so trocken ist der eigentliche Inhalt desselben, eine Statistik der französischen

Militärverhältnisse, der Linie und Territorialarmee, der einzelnen Truppengattungen, der Rekrutirung, der ganzen Organisation des Generalstabes, des Medicinalwesens, alles durch unwidersprechliche Ziffern belegt, die in Reih und Glied aufmarschiren. Freilich, das Papier ist geduldig, auch das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_375.jpg&oldid=- (Version vom 27.5.2021)