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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Die Zahl der Börsenvereinsmitglieder wuchs auf 1610 heran, und da wurde das alte Heim zu eng, zu unscheinbar; man beschloß, einen neuen Bau aufzuführen, und bewilligte zu diesem Zwecke die Summe von 900 000 Mark. Aus der Konkurrenz, die für den Plan des monumentalen Gebäudes ausgeschrieben wurde, gingen die Berliner Architekten Kayser und von Großheim als Sieger hervor, und nach ihren Entwürfen wird in der nächsten Zeit das neue deutsche Buchhändlerhaus auf dem Grund und Boden errichtet werden, welchen die Stadt Leipzig dem deutschen Buchhandel als Ehrengeschenk überlassen hat.

Unter solchen Auspicien, in der pietätvollen Erinnerung einer ruhmreichen Vergangenheit und in der frohen Zuversicht einer glücklichen Zukunft, wurde die Feier der Grundsteinlegung in herkömmlicher Weise abgehalten. Und wenn die Festfreude auch schnell verrauscht ist, lange noch werden in den Herzen der Theilnehmer als ernste Mahnung die Worte erklingen, welche den Schluß der Urkunde, die nunmehr in Leipzigs Boden ruht, bilden, die Worte, die auch als Weihe bei den ersten drei Hammerschlägen gesprochen wurden:

„Gott schütze das neugeeinte Reich, Gott schütze dieses blühende Land Sachsen und die gastliche Hauptstadt des deutschen Buchhandels, Er schirme diesen Bau, die Bauleute und die Bauherren, Er segne unseren Buchhandel in seiner Ehrenarbeit für des Vaterlandes Gesittung, Wissenschaft und Kunst.“ C. Siegfried.     


Blätter und Blüthen.

Das Fest der Rosenkönigin in Ungarn. (Mit Illustration S. 416.) Seit alter Zeit bestand in vielen Ortschaften Ungarns die Sitte, um die Pfingstzeit, wo die Rosen am herrlichsten blühen, eine Dorfschöne zur Rosenkönigin zu erwählen und sie im festlichen Zuge in dem Orte umherzuführen. Allmählich war diese Sitte während der Türkenherrschaft in Vergessenheit gerathen, und erst in neuester Zeit wurden Versuche gemacht, sie von Neuem zu beleben. Unter Anderem wußte der vor einem Jahre verstorbene ungarische Magnat Graf Guido Karácsonyi das Fest der Rosenkönigin in sinniger Weise mit einer Hochzeitsfeier zu verschmelzen. Er hat zu diesem Zwecke für die Einwohner seiner großen Besitzungen eine Stiftung von 20 000 Gulden gemacht, deren Zinsen alljährlich einer tugendhaften und armen Braut aus Vörösvár, Solmár und Szent-Iván als Heirathsgut zum Geschenke gemacht werden. Die Freude des Hochzeitstages soll nach seiner Bestimmung noch dadurch besonders erhöht werden, daß die glückliche Braut an demselben als Rosenkönigin gefeiert wird.

Eine Scene aus diesem seltenen Feste führt uns unsere Illustration vor.

Sonnig, heiter ist der Tag, ein echter Festtag! Alles ist fröhlich, übermüthig gestimmt! Wie stolz und stattlich sitzt der junge Brautführer auf seinem Rappen, der den alten Gutsherrn durch Scharren zu begrüßen scheint, wie munter schaut der Bräutigam drein, wie hoch heben sich die Spitzen seines schwarzen Schnurrbartes bei dem überlauten „Eljen“, das er seiner gütigen Herrschaft zuruft! Und wie freundlich lächeln uns die schonen Freundinnen der rosengekrönten Braut an, die neben ihrem Triumphwagen schreitend Rosen streuen. Sie haben ihre Gärtchen wohl ganz beraubt, um den Wagen ihrer Freundin so herrlich zu schmücken; sie selber haben sich nicht minder geschmückt, ihre schönste Tracht angelegt, und diese bunte Tracht ist so malerisch, daß uns daneben die modische der beiden eleganten Edeldamen nicht mehr in das Bild passen will, und wir wünschten, sie hätten sich, wie der alte Gutsherr, auch mit dem Nationalkostüm bekleidet. Und die Braut – sie senkt ihr liebliches Köpfchen, als sei sie beschämt durch die ihr erwiesene Ehre; sie träumt wohl von vergangenen Tagen und kommenden Freuden – sie lauscht der herzbewegenden Streichmusik der Zigeuner, die wirklich Zauber ausüben können durch ihre wunderbaren Melodien.

Unmittelbar nach der Trauung wird der jungen Frau das Heirathsgut ausgezahlt und ein Festgelage, welches gleichfalls aus der Stiftungskasse bestritten wird, beschließt die Feier des Tages. T. S.     

Die Erbgroßherzogin von Baden in Miesbacher Tracht. (Mit Portrait Seite 409.) Am 20. September des vorigen Jahres wurde auf dem Schlosse Hohenburg bei Lenggries (Oberbayern) eine Hochzeit gefeiert, welche in der ländlichen Bevölkerung eine besonders lebhafte Freude hervorrief. Die junge Braut war Hilda, die am 5. November 1864 geborene Tochter des Herzogs von Nassau, welche sich auf dem väterlichen Schlosse mit dem Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm von Baden vermählte. Durch ihr heiteres liebenswürdiges Wesen hatte sich die junge Fürstin in den ländlichen Kreisen eine aufrichtige Liebe und Verehrung erworben, und die ländliche Jugend von Lenggries, Miesbach, Tölz erzählt es mit Stolz, daß die jetzige Erbgroßherzogin mit ihren Hofdamen noch vor Kurzem in dem kleidsamen Kostüm der Miesbacher und Tölzer Landmädchen sich froh an ihrem Sang und Tanz betheiligte. In Nr. 30 des Jahrgangs 1884 brachte die „Gartenlaube“ eine Abbildung der Miesbacher Tracht; wer jenes Bild vergleicht, wird in dem Kostüm der jungen Erbgroßherzogin leicht das Miesbacher Vorbild erkennen. * *     

Für die Reisezeit. Mit dem Wiederbeginn der eigentlichen Reisezeit hat die geschäftsführende Direktion des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen eine neue Ausgabe des Verzeichnisses der im Jahrgang 1884 S. 440 der „Gartenlaube“ erwähnten kombinirbaren Rundreisebillette veranstaltet, welches nebst der zugehörigen in Farbendruck ausgeführten Uebersichtskarte zum Preise von 50 Pfennig durch die Eisenbahnstationen zu beziehen ist. Die kombinirbaren Rundreisebillette werden nunmehr das ganze Jahr hindurch ausgegeben; die Gültigkeit derselben ist bei einer Rundreise von mindestens 600 Kilometer auf 45 Tage, und wenn mindestens 2000 Kilometer benutzt werden, auf 60 Tage erweitert. Auch die Zahl der einzelnen Kouponstrecken ist auf 1349 vermehrt worden, von denen 896 auf das Deutsche Reich, 341 auf Oesterreich-Ungarn, der Rest auf die Niederlande, Luxemburg und Rumänien entfallen. Verschiedene Strecken am Rhein, an der Donau, am Bodensee etc. können nach Belieben mit der Bahn oder mit dem Dampfschiff befahren werden, auch ist für Gebirgstouren und Ausflüge zur See, so z. B. nach Helgoland, Föhr oder Sylt, durch Einschiebung entsprechender Koupons gesorgt, ebenso kann das Vereinsgebiet verlassen und wieder betreten werden, ohne daß es der Rückkehr über dieselbe Ausgangsstation bedarf. Es ist ferner in das Belieben des Reisenden gestellt, Koupons verschiedener Wagenklassen für bestimmte Strecken zu vereinigen, und werden für die erste Klasse gelbe, für die zweite grüne, für die dritte Klasse braune Koupons ausgegeben, die zu einem Hefte vereinigt sind. Kinder von 4 bis 10 Jahren zahlen die Hälfte des Preises für Erwachsene. Freigepäck wird nicht gewährt. ....d.     

Emil Rittershaus, der beliebte Sänger aus dem Wupperthal, bringt sich den zahlreichen Freunden seiner Muse von Neuem in willkommene Erinnerung. Nicht nur sind seine „Neuen Gedichte“ (Leipzig, Ernst Keil’s Nachfolger) in fünfter, vermehrter und verbesserter Auflage erschienen, ein schöner Erfolg in der heutigen, der lyrischen Muse allzusehr abgewendeten Zeit; auch eine neue Sammlung: „Das Buch der Leidenschaft“ (Oldenburg, Schulze’sche Buchhandlung) hat Emil Rittershaus so eben herausgegeben. Hier sind zum Theil Töne angeschlagen, welche bisher dem Sänger der schlichten Empfindung und des patriotischen Aufschwungs ferner lagen. Die größere Hälfte der Sammlung besteht allerdings aus Liebesgedichten der Jugendzeit – und hier ist Alles schlicht und innig, in liederartigen Klängen austönend, bisweilen in eine wehmüthige Beleuchtung gerückt. Dieser Abschnitt macht den Eindruck einer lyrischen Nachlese, wobei auch manches weniger Hervorragende mit aufgenommen wird, weil es für den Dichter selbst ein pretium affectionis besitzt, ihm ans Herz gewachsen ist. Dagegen sind die „Bilder“ mehr in düstere Farben getaucht: die Nacht- und Schattenseiten der Empfindung und der Leidenschaft treten vor uns hin. Haß und Rache, zerstörtes Leben, zertrümmertes Liebesglück. Des Dichters Eigenart hat keinen dämonischen Zug, der sonst leicht zu Ausschreitungen und Ueberschwenglichkeiten verführt. Davon hält sich unser Dichter frei, indem er auch bei solchen Schilderungen ein anmuthiges Maß bewahrt. G.     

Das Testament einer Zwergin. Zu den großen Berühmtheiten gehörte lange Zeit die Zwergin Kate Bowsand, die in Europa unter dem Namen Madame la Marquise in allen Hauptstädten zur Schau gestellt wurde. Sie kam, sah und siegte – und trug nie Begehren, sich größer zu machen, als sie war. Dadurch unterschied sie sich von vielen namhaften Künstlern und Künstlerinnen; doch da sie so wenig unsterblich war, wie die mit Lorbeer überschütteten Tragödinnen, so mußte sie auch an ihren Tod denken. Sie machte daher ihr Testament, ohne aus ihrer Rolle zu fallen, das echte Testament einer Zwergin; sie bestimmte darin, daß 25 Puppen ganz nach jenem Körpermaße, welches ihre Erwerbsquelle gewesen, angefertigt werden sollten. Sie hatte wie alle Künstlerinnen eine sehr reichhaltige Toilette, obschon dieselbe nicht so viele Kisten in Anspruch nahm, wie etwa die Garderobe der Frau Geistinger. Madame la Marquise hatte nie unter enormen Transportkosten zu leiden. Mit den besten Kleidern ihres Nachlasses sollten nun jene 25 Puppen bekleidet und dann an arme Waisenmädchen vertheilt werden. G.     

Allerlei Kurzweil.

Astronomisches Problem.


Auflösung des Rebus auf Seite 392: 0 „Jugendreize“



Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner. S. 409. – Der Phönix. Gedicht von Franz Herzfeld. S. 412. Mit Illustration S. 413. – Der kleine Schuh. Skizze aus dem italienischen Badeleben von Isolde Kurz. S. 414. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 417. – Vom Jubelfest der Berliner Dienstmannschaft. Zur Erinnerung an die Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Dienstmanns-Institute. Von Dr. Karl Ruß. S. 420. Mit Illustrationen S. 420 und 421. – Verlorene Briefe. S. 421. – Ein Fest des deutschen Buchhandels in Leipzig. Von C. Siegfried. Mit Illustration S. 423. – Blätter und Blüthen: Das Fest der Rosenkönigin in Ungarn. S. 424. Mit Illustration S. 416. – Die Erbgroßherzogin von Baden in Miesbacher Tracht. S. 424. Mit Portrait S. 409. – Für die Reisezeit. – Emil Rittershaus. – Das Testament einer Zwergin. – Allerlei Kurzweil: Astronomisches Problem. – Auflösung des Rebus auf Seite 392. S. 424.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_424.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)