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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


den Worten, er habe ihm nichts mehr zu sagen. Die Deputirten und Senatoren, welche die Kaiserin umgeben, sind aufs Höchste erbittert: darauf könne man nur mit einer Kriegserklärung antworten; es wäre schimpflich zu zögern oder znrückzuweichen. Die Kaiserin ist Feuer und Flamme mit ihrem spanischen Stolze, ihrer glühenden Leidenschaftlichkeit; der unglückliche Kaiser, der frohen Muthes von den Tuilerien abgefahren war, erkennt augenblicklich die unvermeidlichen Folgen der neuesten Nachricht: der Kongreß ist jetzt unmöglich. Sein Gemüth verdüstert sich wieder. Dennoch denkt er noch an andere Mittel, den Krieg zu vermeiden; er ruft seine Minister Abends um 11 Uhr nach St. Cloud zu neuer Berathung. Wieder ein Mißgeschick: man hat vergessen, Louvet hinzuberufen, und ein zweiter Minister, der leidend war, machte eine Spazierfahrt im Bois, fand die Einladung zu spät vor und konnte erst gegen Morgen kommen. Und das waren die beiden Minister, die für den Frieden stimmten. Als sie am andern Morgen kamen, gelang es ihnen, noch zwei andere für ihre Ansicht zu gewinnen, doch die Mehrheit stimmte für den Krieg. „Der Kaiser,“ sagt Fidus, „fügte sich dem Beschluß seiner Minister, ohne seinen Willen und seine entgegengesetzte Ansicht in die Wagschale zu werfen; er fügte sich, aber mit schwerem Herzen, den starren Blick auf die düstere Zukunft gerichtet, die vor ihm auftauchte. Von jetzt ab beschloß er, in sein Schicksal ergeben, persönlich sich am Kriege zu betheiligen, trotz seines Leidens. Und wie schwer war dies Leiden! Es war die Krankheit, die ihn seit mehreren Jahren heimsuchte, an der er starb, und als er von St. Cloud abreiste, da sah man’s an seinm traurigen Lebewohl, an seinem Schweigen, an seiner stillen Ergebung, daß er wußte, er werde dies Schloß nicht mehr wiedersehen, er gehe, um nie zurückzukommen.

Nach dieser Darstellung hätten wir Deutschen dem Herzog von Grammont viel abzubitten, der bei uns für den Haupturheber des Krieges gilt und der doch einen Vorschlag machte, welcher vielleicht den Frieden retten konnte. Die Hauptschuld an dem Kriege aber trägt der Minister Ollivier, dem die Aufregung das Koncept verdorben hatte, und der, sonst ein glücklicher Improvisator, in jenem verhängnißvollen Augenblicke nicht die rechten Worte finden konnte, um den Kongreßvorschlag des Kabinets der Kammer annehmbar zu machen. Ein schlecht disponirter Minister, der zur rechten Zeit nicht glücklich zu stilisiren versteht – und darum hunderttausend Todte und Verwundete! Eine versagende Feder – und darum einer der größten Kriege der Neuzeit! Wir müssen freilich Fidus und seinem Gewährsmann die Verantwortung für diese Darstellung überlassen. Daß Kaiser Napoleon aber nichts weniger als kriegslustig war und daß von ihm selbst durchaus nicht die Initiative zur Kriegserklärung ausging, das bestätigen auch andere Mittheilungen. Rudolf von Gottschall.     

Eine tragische Ballmutter. Ein römischer Dichter verherrlichte in einer schwunghaften Ode „die schönere Tochter einer schönen Mutter“, und nicht selten hat man Anlaß, sich dieser Verse zu erinnern, wenn man ein liebreizendes junges Mädchen zum ersten Male in Begleitung seiner noch schönen Mutter, deren Reize sich voll erschlossen haben, das Parkett des Ballsaales betreten sieht. Auch der Pariser Aristophanes, Heinrich Heine, ist in die Fußtapfen des Odensängers Horaz getreten und hat die schöne Tochter einer schöneren Mutter in seiner leichtgeschürzten Dichtweise besungen.

Daß aber das anmuthige, von den Dichtern gefeierte Doppelbild auch die Vignette zu einer Tragödie bilden kann, erfahren wir aus Italien. Da begab es sich, daß eine schöne Mutter ihre aus der Pension zurückgekehrte Tochter beschwor, nicht mit ihr auf den Ball zu gehen: das wäre für die Ballkönigin ein allzu bedenkliches Schach gewesen; schon die Thatsache, daß sie im Besitz einer solchen erwachsenen Tochter sei, konnte ihre Herrschaft stürzen.

Doch das Mädchen wollte den Bitten der Mutter nicht nachgeben. Diese konnte solche Kränkung nicht verwinden; ihre Tochter erschien ihr auf einmal als die hassenswertheste Feindin, die sie aller ihrer Triumphe zu berauben drohte. Am nächsten Morgen fand man das anmuthige Mädchen todt im Bette, die Mutter hatte das eigene Kind mit Arsenik vergiftet. Sie wurde von dem Schwurgericht zu fünfzehnjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. Vergeblich hat sie mehrere Selbstmordversuche gemacht, wohl mehr um den Qualen ihres Gewissens zu entrinnen, als um sich der entehrenden Strafe zu entziehen. †      

Das heranziehende Gewitter. (Mit Illustration S. 505.) Es giebt Zeichen vor dem Sturm in der Natur wie im Menschenleben. Freilich bemerkt sie nur ein kundiges Auge, die Bedrohten pflegen sie in der Regel zu übersehen. Auch auf unserem Genrebilde hat der Maler ein solches Zeichen angebracht. Ueber den Häuptern der Beiden, die im entlegenen Straßenwinkel zärtlich mit einander kosen, sammelt sich ein schweres Gewitter, es zieht heran in der Gestalt der stockbewaffneten Matrone, welche dem unerwünschten Freier in derber Weise heimleuchten will. Er und sie ahnen es nicht. Und doch steht der Warner so nahe. Aus dem alten Krug schaut ein Gesicht hervor, das den zärtlichen Worten zu lauschen scheint und dabei spöttisch den Mund zum Lachen verzieht, denn es blickt mit einem der verkniffenen Augen nach der Alten hinüber und weiß, was da kommen wird. Argloses Mädchen, warum hast du den Krug stehen lassen und den Gang zum Brunnen über die gebührliche Zeit ausgedehnt! Jetzt wird an dir und an ihm der alte Spruch sich bewähren, daß der Krug so lange zu Wasser geht, bis er bricht. *      

Heitere Novellen. Unsere Erzählungslitteratur bietet so viel Ernstes, Düsteres, Tragisches, besonders seitdem sich die Autoren in Sensationsmotiven überbieten, daß wir gern einmal Novellen begegnen, die in harmlosem Plauderton erzählt sind. Als heitere Novellen kündigen sich die „Stromschnellen“ von H. Rosenthal-Bonin (Leipzig, Wartig’s Verlag) an. Es finden sich darunter recht hübsche Erzählungen, wie „Das Maifest in Guadix“ und „Ditta’s Zopf“ – dort ist das spanische, hier das italienische Nationalkostüm und die Volkssitte in beiden Ländern mit lebendigem Kolorit geschildert. Auch einige andere Geschichtchen sind originell, wie z. B. „Lizzie’s Schwur“. Zu den heiteren Novellen ist auch die neue Erzählung von Wilhelm Jensen „Die Heiligen von Amoltern“ (Leipzig, Elischer) zu rechnen; doch liest die sich nicht so glatt und gefällig, wie die Rosenthal-Bonin’schen Novellen: sie ist mit einem eigenartigen schroffen und derben Humor geschrieben und erinnert an die Muster von Rabelais und Abraham a Santa-Clara. Namentlich der Pater Romuald, eine absonderliche, fast groteske Gestalt, bereichert in seinen Predigten und Reden den deutschen Sprachschatz mit allerlei originellen Wendungen. Die Handlung spielt theils in einem Dorfe des südlichen Badens, theils in einer deutschen Kolonie in Spanien, und in den Kreis der Hauptpersonen, die eine etwas barbarische Theologie vertreten, bringt poetische Anmuth die liebliche Gestalt der kleinen Hexentochter Caton. †      

Unterschied zwischen Friedrich II. und Napoleon I. Der bekannte schweizer Historiker Johannes von Müller (geb. 1752, gest. 1809), der 1781 eine Audienz bei Friedrich II. hatte, aber 1807 in französische Dienste trat, schildert Friedrich und Napoleon mit den Worten: „Bei dem Ersteren fand ich die Alles verschönernde Phantasie eines dichterischen Gemüths; bei dem Letzteren den kalten, berechnenden Verstand.“ E. K.      



Allerlei Kurzweil.


Skataufgabe Nr. 4.[1]
Von K. Buhle.
Der Spieler in Mittelhand sagte auf folgende Karte:  

da Rothsolo von der Vorhand mit Eichelsolo überboten wurde, Grand an, verlor aber mit Schneider und bekam, obgleich er ganz fehlerfrei spielte, nicht mehr als zwei Augen herein. Wie saßen die Karten der Gegner und wie war der Gang des Spieles?


Auflösung der Skataufgabe Nr. 3 auf Seite 460.

Die Lösung dieser Aufgabe ist nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wenn man beachtet, daß der Spieler des Eichelsolo in Mittelhand sitzt, die ersten 6 Stiche mit 53 Augen erhält und danach noch eK, gK, rK, sO hat, so liegt zunächst die Schlußfolgerung nahe, daß der Spieler im ersten Stiche mit dem Daus in einer Nebenfarbe ans Spiel gekommen ist und dann fünfmal fordern mußte, um die Trümpfe der Gegner, wclche deßhalb in einer Hand stehen müssen, herauszuholen. Da nun ferner der Spieler mit 60 Augen verliert, dagegen mit 70 Angen gewinnen würde, sobald er anstatt sO den sK hat, so ergiebt sich weiter, daß er im letzteren Falle einen Stich auf sK bekommt und zwar mit 10 Augen, was aber nur möglich ist, wenn sD und sZ bereits heraus sind, und das kann kaum anders geschehen sein, als daß Vorhand ihre lange Schellenfarbe zuerst angezogen, der Spieler mit D übernommen und Hinterhand sZ blank gehabt hat. Damit ist aber nicht nur die Karte des Spielers gegeben, sondern auch für die Vertheilung der Karten der Gegner soviel Anhalt gewonnen, daß sie kaum noch Schwierigkeiten bieten kann. Der Spieler in Mittelhand hatte also:

eW, gW, rW, sW, eD, eK, gK, rK, sD, sO

und kann, wenn die übrigen Karten so vertheilt sind:
  Vorhand: gD, g9, g8, rD, r9, r8, sK, s9, s8, s7,
      Hinterhand: eZ, eO, e9, e8, e7, gZ, gO, rZ, rO, sZ; Skat: g7, r7

nach folgenden 6 Stichen:

1. s7, sD, sZ 0 (+ 21)
2. eW, e7, r8 0 (+ 02)
3. gW, e8, g8 0 (+ 02)
4. rW, e9, r9 0 (+ 02)
5. sW, eO, g9 0 (+ 05)
6. eD, eZ, s8,0 (+ 21)

nur noch einen Stich mit 7 Augen bekommen, er mag ausspielen, wie er will. Dagegen würde er, wenn er sK anstatt sO gehabt hätte, nur zwei Stiche mit höchstens 50 Augen abgegeben haben, wie der Augenschein lehrt.



  1. Abkürzungen: e., g., r., s. = Eicheln (tr.); Grün (p.); Roth(c.); Schellen (car.).
    VV., D., Z., K., O., 9, 8, 7 = Wenzel (B.), Daus (As), Zehn, König, Ober (Dame) etc.

Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 501. – Der Heidenhof. Eine Reise-Erinnerung von Fr. von Bülow. S. 504. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Die Elektricität im Dienste der Heilkunde. II. S. 508. Mit Illustrationen S. 509. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 510. – Gustav Freytag. Von C. Alberti. S. 514. Mit Portrait S. 501. – Blätter und Blüthen: Hohenschwangau und Neu-Schwanstein. S. 515. Mit Illustrationen S. 513 und 515. – Napoleon III. und der Krieg von 1870. Von Rudolf von Gottschall. S. 515. – Eine tragische Ballmutter. S. 516. – Das heranziehende Gewitter. S. 516. Mit Illustration S. 505. – Heitere Novellen. – Unterschied zwischen Friedrich II. und Napoleon I. – Allerlei Kurzweil: Skataufgabe N. 4. von K. Buhle. – Auflösung der Skataufgabe Nr. 3 auf S. 460. S. 516.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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