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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Stand hielt. Kurz vor Beendigung des Opferfestes wandte ich einmal den Blick zurück und überschaute das ganze Bild. Gerade tauchte die Abendsonne den Platz und seine Umgebung in unnachahmliche Farben. Hell flimmerte das Haupt der Siegesgöttin vom Triumphwagen des Königs. Von den Epauletten der Officiere, dem Schmuck der Damen, aus den Gläsern und Opernguckern blitzten tausend kleine goldene Fünkchen, und das Grün der Bäume und Gebüsche war von dem Gold des Himmels durchgluthet. Und ringsum in den Fenstern, auf den Dächern der anliegenden Straßen Tausende von Zuschauern, die auf das Schauspiel herabsahen.

Reigen der Priesterinnen.

Von der Physiognomie des in immer wieder wechselnden Farben auftauchenden Parkes mit seinem Gewühl und Treiben und allen Sehenswürdigkeiten eine erschöpfende Beschreibung zu geben, ist schwer.

Denken Sie sich den großen Garten mit seinen herrlichen von elektrischem Licht umflossenen Springbrunnen, seinem von tausend glitzernden Lichtern umgebenen See, die großen Tempel, eingetaucht bald in rothes, bald in grünes magisches Licht, aus den Gebüschen hervorlugende schneeweiße Statuen, Götterbilder, Nachbildungen der Kunst, bald ernst, bald launig, Altäre, kleine Tempel, daneben Verkaufsbuden, phantastisch aufgeputzt, bemalt und beschrieben mit griechischen Inschriften, in ihren Räumen buntgekleidete Nubier, Perser und Griechen, Tausende von kleinen Flammen in bunten Gläsern, die entweder ein kleines Theater oder eine Schaubude umrahmen – teppichbelegte und mit vielfarbigen Stoffen umhüllte Tribünen mit singenden, auf griechischen Instrumenten musicirenden Menschen im Kostüm des Alterthums. Ausrufer und Anpreisende, geschmückt mit Perlen, Federn und Pelzen, herumziehende Kapellen, dann Lager für die Krieger mit Zelten und Waffenplätzen, wieder Schaubühnen, dekorirt mit persischen und indischen Stoffen. Ueberall Rufen, Schreien, Singen, Musiciren, Tanzen! In den Wegen alle die Tausende, unter ihnen die Künstler und deren Frauen: griechische Krieger, Priesterinnen, rosengeschmückte Jungfrauen, behelmte ergraute Feldherren! Und aus den Restaurants, aus dem Café das Schwirren, Summen und Lachen der Menge, das Hin und Her der Dienenden, die Musik, das Treiben, das Auf- und Abwogen aller dieser der fröhlichsten Lust sich hingebenden, zahlreichen Menschen. Das für Eindrücke empfänglichste Auge war kaum im Stande, das Alles aufzunehmen. Eine solche Fülle von Licht, Farben, Tönen, ungewohnten Bildern und ungewohnten Erscheinungen war sinnverwirrend. Das Publikum zog von einem Schautempel zum anderen. Unterwegs hielten Inhaber der Verkaufsbuden Vorübergehende auf. Ueberall erscholl das Angebot: Schmuck! Schmuck! Pergamenische Postkarten! Oliven! Oliven! Kauft Blumen! Wegweiser durch das pergamenische Gedränge! Vasen, Perlen, Broschen, Armbänder hier, griechische Getränke dort. –

Im Hades.

Das trojanische Pferd, die Menagerie, das griechische Tingel-Tangel, die Osteria mit ihrer märchenhaften Umgebung, der große Restaurantsaal mit seinen essenden, trinkenden, schwatzenden, rauchenden Menschen: überall, wohin man sah, ausgelassenstes Leben! Selbst das Reich der stummen Geister, der dunkle Hades, wurde von frohen Scharen bestürmt. Man hatte einen der kleinen Teiche des Parks durch hohe „Felswände“ von Pappe in den Styx umgewandelt. Charon hielt mit seinem Nachen am Ufer, verhüllte Jedem, der nach der Unterwelt begehrte, das Haupt mit einem fahlgrauen Mantel und fuhr ihn für zwanzig Pfennig hinüber. Drüben spie ein dreiköpfiger Cerberus den Ankommenden Feuer und Qualm entgegen. An diesem aus Thon gefertigten Ungeheuer vorbei führte der Weg in eine enge Felsenhöhle, von der aus man durch Spalten unabsehbare Scharen der Abgeschiedenen einherschweben sah. Nach kurzer Wanderung im Stockfinstern gelangte man endlich in eine kleine Grotte, wo zwei mitleidige jungfräuliche „Schatten“ den durstigen Seelen in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_543.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)