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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Käuze. Da haben wir hier einen unserer besten Landschafter, der zugleich recht hübsch walzt. Können Sie sich vorstellen, daß ihm viel mehr daran liegt, für den flottesten Tänzer gehalten zu werden, als für den besten Landschafter?“

„Nein – unmöglich!“

„Ein Anderer lehrt jetzt seinen Affen Skat spielen und vergißt die Malerei.“

„Von so Etwas hat man bei uns doch keine Ahnung!“

„Ja – Amerikaner sind zu praktisch … bei uns ist es aber so. Mein Vetter hat keinen Affen, aber dafür eine starke Liebhaberei für die Chemie. Eben bildet er sich ein, das Mittel gegen die Phylloxera gefunden zu haben … das ist jetzt ein Steckenpferd, von dem er nicht herunter zu bringen ist. Sprechen Sie ihm von Gemälden – so wird er Phylloxera antworten und schwören, er hätte noch kein anständiges Bild zu Stande gebracht.“ Paul wendet sich ab, um sein Lachen zu verbergen.

„Es muß doch etwas Ungesundes in der Kunst stecken,“ bemerkt der Amerikaner und fixirt die Gruppen von der Auer Dult. „Und dabei dieses Talent! Charming! … Das kauf’ ich ihm sofort ab … Charming!“

„Es ist bereits verkauft.“

„Schade – schade, daß so ein Mensch sich mit Affen abgiebt …“

„Mein Vetter hat, wie ich Ihnen schon sagte, keinen Affen; er beschäftigt sich dagegen zeitweis mit chemischen Experimenten.’ (Paul findet sich äußerst witzig und amüsirt sich innerlich himmlisch über den tollen Einfall.) „Haben Sie hier Bekannte?“ fragt er der Vorsicht halber.

„Nein! Ich werde unsern Konsul aufsuchen, bei dem ich accreditirt bin, sonst Niemand. Ich bin mit meiner Frau und Tochter hier.“

„Mein Vetter muß Sie jedenfalls in München herumführen, da ich leider für einige Tage verreisen muß. Ich bin froh, wenn er einen zwingenden Grund hat, sich aus seinen Grübeleien etwas herauszureißen … Aber wenn Sie mir gestatten, so will ich doch sehen, ob er nicht selbst …“

Paul stürmt zur Thür hinaus – er kann sich nicht länger halten. Wie alle Verliebte beschäftigt ihn die Vorstellung am meisten, was die Mietze dazu sagen wird, wenn er die Geschichte in Tutzing erzählt. Paul versteht es, solche Geschichten prächtig vorzutragen. Er sieht sie im Gedanken schon lachen und wieder alle ihre Grübchen zeigen. Selbst die gelangweilte, blasirte Tante wird lachen! Wie lange die Mystifikation dauern wird? – doch sicher ein paar Tage … Schließlich – einen Proceß kann ihm der Amerikaner nicht machen. „Und meiner Künstlerehre – kann es der was schaden, die ein unsterblich Ding ist?“ fragt er wie Hamlet und entscheidet zu Gunsten des Scherzes. Fritz muß ins Geheimniß gezogen werden; was Oskar betrifft, so muß er an dessen Gutmüthigkeit appelliren.

„Denke Dir, Schatz!“ ruft er, nachdem er eine Weile vor der Thür gestanden, immer fürchtend, er werde beim Eintritt ausplatzen … „denke, ich habe eine Bestellung auf ein Pendant zum ‚Sommerabend‘! Ja, weißt Du, das sind ungefähr zwanzigtausend Mark, mein Lieber!“

„Gratulire von Herzen!“

„Schade, daß der Amerikaner nicht acht Tage später eintraf, wo ich von Tutzing zurück zu sein gedenke. Du mußt ihn mir unterdeß hübsch warm halten.“

„Ich – um Gotteswillen – verschone mich damit!“

„Im Gegentheil! Wenn er die Woche hier von einem Atelier zum andern unbewacht herumflanirt, sieht er vielleicht Etwas, was ihm besser gefällt als der ‚Sommerabend‘, und dann ist die Geschichte futsch. Ich rechne auf Deine Freundschaft.“

„Aber, Lieber – wenn die Freundschaft etwas ausrichten könnte, wärest Du sicher!“ sagt der gute Oskar mit so warmem Ton, daß der Schelm fast gerührt wird, „aber ich bin ein unbehilflicher Mensch …“

„Thut nichts. Ich habe versprochen, Du würdest Dich seiner – vielmehr ihrer etwas annehmen …“

„Zwei Amerikaner gar?“

„Nein, aber es scheint, er hat Familie mitgebracht.“

„O – du meine Güte!“

„Vielleicht ist die Sache nicht so schlimm. Denke nur immer, daß sie mir zwanzigtausend Mark einbringt.“

„Was muß ich thun?“

„Weiter nichts, als die Leute ein wenig herumführen, sie im Auge behalten. Erzähle lieber nicht, daß Du in Amerika warst und Englisch sprichst!“

„Warum?“

„Weil … weil … genug, es ist mir lieber.“

„Wie Du willst.“

„Ich habe durchblicken lassen, Du wärst auch so ein Stück von einem Maler …“

„Aber Paul!“

„Es ist ja die Wahrheit, und Du kannst es vielleicht verwerthen.“

„Nimmermehr!“

„So – jetzt schnell hinüber: in einer Stunde muß ich auf und davon sein. Zu Gegendiensten gern bereit …“ und damit hat er das Opfer unter den Arm gefaßt, um es dem Amerikaner auszuliefern.

Dieser hat, während er allein blieb, seine Augen in alle Ecken geworfen und versucht, die seltenen Möbel, Gobelins und Waffen nebst anderen Alterthümlichkeiten sowie das Talent und die Narrheit des berühmten deutschen Künstlers auf Dollar- und Centswerth hin zu taxiren. Paul hat ihm sehr gut gefallen. Schade, denkt er, daß dieser nette Mensch nicht der richtige Schaumlöffel ist! Lucie wird unglücklich sein, wenn sie einen verdrehten Zwickel unter die Hände bekommt; sie wird aber schon durchsetzen, daß er sie unterrichtet … wird es schon durchsetzen!

Die Vettern treten ein, Paul stellt vor. Mister Dunby schüttelt Oskar’s Hand nicht ganz so kräftig, als er vorhin die seines Vetters geschüttelt hat.

„Ich möchte Ihnen den Vorschlag machen,“ sagte Paul, „meinen Vetter heute als Begleiter nach dem Löwenbräu anzunehmen. Ihre Damen …“

Damen! Oskar wirft Paul einen Blick zu, den dieser ignorirt.

„… werden dort eine angenehme Unterhaltung finden; Koncertmeister Bilse von Berlin ist hier, und das Programm ist ein sehr gewähltes …“

„Ich werde mich freuen, wenn Sie mit unserer Gesellschaft vorlieb nehmen,“ sagt der Amerikaner zu Oskar, „Miß Dunby, meine Tochter, ganz besonders. Sie zeichnet und malt selbst mit Vorliebe, und es ist möglich“ – er lächelt schlau – „daß sie einen Versuch machen wird, ein paar Lektionen von Ihnen zu erhalten.“

„Aber Paul, wie konntest Du!“ ruft Oskar, welcher meint, eine gütige Absicht seines Vetters zu entdecken.

„Ihr Herr Vetter hat mir durchaus keine Hoffnung gemacht,“ versichert Mister Dunby der Wahrheit gemäß, „im Gegentheil.“

„Aber halten Sie ihn fest!“ ruft Paul, sehr amüsirt, „lassen Sie nicht locker – als Lehrer ist er groß!“

„Betrachten Sie Ihre Bedingungen, wie sie auch sind, im Voraus als angenommen,“ versichert der Amerikaner und wiegt sich wohlgefällig in den Hüften. „Wie Ihr Herr Vetter mir vertraut, sind Sie ja in verschiedenen Sätteln gerecht?“ fügt er dann hinzu; denn er erinnert sich, daß Paul ihn gebeten, der augenblicklichen Laune des Künstlers nachzugeben und vom Malen nicht zu reden.

„Wenn man auf dem einen nicht recht fest sitzt, muß man es wohl auch mit einem andern versuchen …“

Der Amerikaner wirft Paul einen Blick des Einverständnisses zu: „Wenn man’s im Leben aus eigener Anstrengnng schon zu etwas Erklecklichem gebracht hat, mein’ ich, so sollte man sich des wohlverdienten Erfolges auch freuen! Sehen Sie, ich kann da ein Wort aus eigener Erfahrung sprechen. Jeder Zoll breit Boden, auf dem drüben, was ich mein Home nenne, gebaut, ist mit meinem Schweiße gedüngt, und ich bin stolz darauf. Ich bin kein Grübler und Kopfhänger, Herr Schaumlöffel – ich weiß, was ich werth bin, und freue mich, wenn man’s anerkennt. Ich habe große Hopfenpflanzungen,“ setzt er erläuternd hinzu, „und braue selbst … daher auch mein Verständniß für den ‚Sommerabend im Hofbräu‘ …“

Es ist ausgemacht worden, als Herr Dunby sich bald darauf von den Vettern empfiehlt, daß er mit seinen Damen um acht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_824.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2023)