Seite:Die Gartenlaube (1886) 859.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

mit ihm nur aus Vorsicht! So alt geworden – verliebt sich zum ersten Male ernstlich, und da sitzt das Mädel wie ein Eiszapfen vor ihm! Diese Frauenzimmer! Ob unser Einer sie wohl auslernt! Wenn er sich nur kein Leid anthut – exaltirter Mensch wahrscheinlich; vielleicht bringt ihn das wieder auf die Malerei – ich muß nun endlich mit ihm davon anfangen. Ist es nichts mit Lucie, bestell’ ich gleich drei Bilder. Da wird er sich trösten. Er kommt mir wahrhaftig niedergeschlagen vor!

Sicher ist der arme Oskar niedergeschlagen! Das Luftschloß baute sich so schnell diesen Morgen. Nun er der Prinzessin gegenüber sitzt, die es bewohnen soll, scheint’s ihm dem Einsturz nah. Sie vermeidet es ja fast, ihn anzusehen … geschweige, daß sie ihm einen auch nur halb so ermuthigenden Blick zuwendet wie am ersten Abend. Eine Kokette ist sie! denkt er. O, wäre ich meinem Entschluß, sie nicht wiederzusehen, treu geblieben! Wer weiß, wie oft der „vorsichtige Papa“ schon ähnliche Gänge gemacht, wie heute Morgen. Aber ahnen soll sie nicht, daß ich um sie leide! …

Lucie aber denkt darüber nach, was sie wohl eben sagen könnte – es ist recht still … etwas Ausgelassenes? Nein! Etwas das ihm zeigt, ich gehöre nicht zu Denen, die zu seiner Gnaden Füßen liegen. Ich kann ja keinen Mann glücklich machen! Wenn nur Charly hier wäre, oder Mister Bacon, oder Nils Evans … die würden ihn schon belehren! Wie ernst er aussieht! Vielleicht giebt es Jemand, der ihn nicht glücklich machen will? Wenn Einer auch gar so anspruchsvoll ist! Er sieht schon eine ganze Weile nach mir hin – aber ich werde ihm den Gefallen nicht thun, ihm noch einmal zu zeigen, wie ich mir gewünscht, ihn kennen zu lernen … das hat ein Ende! Wahrhaftig! Er sieht mich schon wieder an – er denkt wohl, ich bemerke es nicht!

„Wissen Sie, Herr Schaumlöffel,“ fängt Frau Dunby jetzt an, welche sich berufen fühlt, das stockende Gespräch auf einen andern Gegenstand zu leiten, „daß ich mein Album mitgenommen habe. Sie haben doch einen Bleistift bei sich?“

„Zu dienen,“ ruft Oskar und greift in die Tasche.

„O – jetzt nicht, später! Im Wagen inkommodire ich nicht. Da kann man ja keinen Strich machen, ohne auszufahren.“

„Zeichnen Sie auch?“ fragt Oskar erstaunt.

„Ich? Wenn man mit einem berühmten Maler eine Partie macht und erzählt ihm, daß man sein Album mitgenommen hat, so …“ sie sieht ihn dabei bedeutungsvoll an.

„Mama will Sie bitten, Herr Schaumlöffel, ihr etwas ins Album zu zeichnen,“ sagt Lucie schnell, der diese Anspielung höchst unangenehm ist. „Aber Sie brauchen es deßhalb noch nicht zu thun. Wie die Patti in Amerika war, hat sie in Gesellschaften auch nicht gesungen, wenn man sie aufforderte.“

„Sie sind sehr gütig, mich mit ihr zu vergleichen!“

„Nehmen Sie es ihr nicht übel!“ begütigt die Mama. „So eine verwöhnte Theaterprinzessin, das ist natürlich etwas Anderes… Ja, Herr Schaumlöffel, ich möchte gern von Ihnen eine kleine Zeichnung im Album haben! Ich verlange es ja nicht umsonst.“

Oskar erröthet fast. „Ich bitte,“ ruft er schnell, „davon kein Wort! Mit dem größten Vergnügen, was Sie wünschen. Ich bin im Augenblick etwas außer Uebung – indeß …“

Dunby lacht gerade aus, während er ihn auf die Schulter klopft: „Für uns reicht’s – ich denke! – Sagen Sie ’mal, Herr Schaumlöffel, sind die Münchener Künstler immer so … bescheiden?“

„Wenn sie in einer so bescheidenen Haut stecken – immer!“ antwortet Oskar – Gott, muß Paul aufgeschnitten haben!

„Ich wollte Sie bitten,“ erörtert Frau Dunby, ihrer Tochter dabei einen triumphirenden Blick zuwerfend, „mir das Profil von Lucie ins Album zu zeichnen – mit nur ein paar Strichen, wissen Sie …“

„Paul muß mich geradezu für einen Maler von Beruf ausgegeben haben – das soll er aber hören!“ denkt Oskar. „Ich werde es versuchen – sehr gern – sehr gern!“ sagt er laut.

„Sie können doch im Freien zeichnen?“

Oskar zuckt die Achseln. „Ebenso gut oder so schlecht wie im Atelier.“

„Wie sollte er’s nicht können!“ ruft Mister Dunby, „alle anderen modernen Maler arbeiten im Freien! Lächerlich!“

Lucie ist roth geworden; diese „Bettelei“, wie sie meint, ist ihr höchst peinlich.

Man ist unterdeß in dem nur eine halbe Meile von München entfernteu Nymphenburg angekommen. Selbstverständlich steigt man beim „Kalkulator“ ab und stärkt sich durch eine „Halbe“, ehe man den Schloßpark besucht. Lucie und Oskar gehen in einer der schönen Alleen den Eltern voran, ziemlich unempfänglich Allem gegenüber, was Kunst und Natur hier zur Erquickung anderer Sterblicher geschaffen.

„Es scheint mir jetzt selbst, daß sie ihm nicht gleichgültig ist,“ sagte Frau Dunby zu ihrem Gatten.

„Nun? Und heute früh thatest Du, als ob ich mein Bischen gesunden Menschenverstand in New-York gelassen hätte, als ich es behauptete.“

„Nur, weil Du Dir weismachen ließest, sie sei die Erste! Ein wirklicher Künstler ist das auch nicht, darauf will ich wetten.“

„Was denn sonst? Unsinn!“

„Ja – ich kann Dir das nicht recht erklären – aber den wirklichen Maler erkennt man eben! Da ist ein gewisser Lirum-Larum … das sieht sich anders um; das kneift die Augen zusammen; das trägt sich anders; das agirt anders mit den Händen und spaziert anders einher … es ist, als ob die Malerei auf den ganzen Menschen abfärbte. Den gewissen Chic hat der Schaumlöffel aber nicht. Da hatte unser kleiner Flat drüben noch mehr davon. Sieh’ doch nur einmal hin – nur wie er den Kopf hält!“

„Du willst immer das Gras wachsen hören, Karoline, das ist eine alte Geschichte.“

„Was das anbelangt, meine Ohren sind auch scharf genug!“

„Weißt Du, daß ich Lucie gar nicht recht aufgethaut finde, und daß es mich fast reut, heut früh bei ihm gewesen zu sein? Was er eigentlich denken muß?“

„Du hast ihm ja gesagt, daß Du Dich nur aus Vorsicht erkundigt hättest. Du hast Dich ja zu nichts verpflichtet. Wenn er sich da gleich mehr einbildet, ist es seine Schuld.“

„Der nimmt so Etwas ernst – verlaß Dich drauf!“

„Freilich, wenn sie die Erste ist, vielleicht die Einzige …“

„Spotte nicht! Das ist ein Mensch, dem ich nicht gern weh gethan oder falsche Hoffnungen erregt haben möchte … Wenn mir schon sein ‚Sommerabend‘ gefiel – der Mensch ist mir fast noch lieber als sein Bild!“

„Ich kenne Dich kaum noch, Mr. Dunby, Du wirst sentimental! … Von was die Beiden sich jetzt wohl unterhalten? – sie scheint nun aufzuthauen.“

(Schluß folgt.)

Weihnachtsarbeiten.

Von Oscar Justinus. Mit Illustration Seite 856 und 857.

Die Scene spielt um die fröhliche Weihnachtszeit, und der Ort der Handlung ist eines jener Magazine für Tapisserie und Stickereien.

„Diesen Stickrahmen also werde ich nehmen, und jetzt darf ich Sie vielleicht noch bitten, mir etwas in fertigen Stickereien zu zeigen.“

Das Ladenfräulein geleitet die junge Dame, die soeben diesen Wunsch geäußert, in das anstoßende Zimmer, welches etwas weniger hell ist und in welchem bereits eine andere junge Dame vor einem Glaskasten sitzt und sich von einem andern Fräulein Brieftäschchen, Cigarrenetuis, Skatblöcke, Reisenécessaires vorlegen läßt. Jedes Stück wird natürlich als etwas ganz besonders Reizendes empfohlen.

„Es sollte eine kleine Weihnachtsüberraschung für eine Freundin sein, für die ich etwas selbst zu arbeiten nicht mehr Zeit habe. Es soll nicht zu viel kosten und seinen Werth namentlich durch das Aparte der Handarbeit erhalten,“ fuhr die eingetretene Dame fort und betrachtete von diesem Standpunkte aus die ihr eifrig vorgelegten und vorgehaltenen Sächelchen.

Jede will etwas „Apartes“ haben. Ich möchte die Dame sehen, die nach etwas „Alltäglichem“ fragt, und im Ganzen genommen gleichen sich doch die Dinge wie ein Ei dem andern. So dachte die Verkäuferin bei diesen Worten; auf die nebenansitzende aussuchende Dame aber machten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 859. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_859.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2023)