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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

hier unserer Jugend in meisterhafter Charakteristik und Darstellung vorgeführt werden. Dazu erscheint der umfangreiche Band in einer so reichen und geschmackvollen Ausstattung, daß er sich auch äußerlich als eines der schönsten Geschenke repräsentirt. – Dasselbe gilt von „James Cook oder: Dreimal um die Erde“ (aus dem gleichen Verlage), in welchem H. Meißner ein farbenfrisches, auf sorgfältigen Quellenstudien beruhendes Lebensbild des berühmten Entdeckungsreisenden bietet.

Ein sehr willkommenes Geschenk für manche Knaben ist auch Herrmann’s „Raupen- und Schmetterlingsjäger“ (Leipzig, Gustav Gräbner), dessen zahlreiche Farbendrucktafeln den Beifall aller Kenner der bunten Welt der Schmetterlinge finden dürften.

Jetzt erübrigt noch, kurz einer Reihe von Schriften zu gedenken, welche sich fast ausschließlich an junge Mädchen im sogenannten Uebergangsalter wenden. Brigitte Augusti bietet unter dem Titel „Das Pfarrhaus zu Tannenrode“ (Leipzig, Ferdinand Hirt und Sohn) eine von W. Räuber illustrirte packende Erzählung aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. – Emma Laddey bringt „für Deutschlands Frauen und Töchter“ eine Reihe von Erzählungen „Aus der Schule des Lebens“ (Stuttgart, Gebr. Kröner), in welchen sie das Hauptgewicht weniger auf romanhafte Verwicklungen legt als vielmehr auf die Schilderung der mancherlei realen Kämpfe und Anforderungen, denen sich die Frau heute nur selten zu entziehen vermag und auf die sie jedenfalls vorbereitet sein soll. – Von Helene Stökl, die schon längst als eine vorzügliche Schriftstellerin eingeführt ist, erschien ein Band feinsinniger und anziehender Erzählungen unter dem Gesammttitel „Schneerosen“ (Leipzig, J. M. Gebhardt’s Verlag). – Auch Clara Cron ist in weiten Kreisen bekannt, und ihre Erzählung „Die Freundinnen“ (Leipzig, Otto Spamer) gehört zu dem Besten, was sie geschrieben hat. – Die „Blüthen und Aehren“ (München, Richter und Kappler) von Marie Beeg sind ein empfehlenswerthes Sammelwerk, zu welchem verschiedene Autoren von Ruf Beiträge geliefert haben.

Damit bin ich am Ende meines Berichtes angelangt und habe nur noch eines Geschenkes zu gedenken, welches besonders allen Freundinnen der duftenden Blumenwelt willkommen sein wird. Ich meine das Werk „Unter blühenden Blumen“ (Leipzig, Meißner und Buch), das gegen 60 hübsche Blumenmalereien von Louise Preußer und Gräfin Olga zu Eulenburg enthält, mit poetischen Texten von Similde Gerhard. „Man freut sich an den hübschen Bildern und findet zugleich in ihnen schätzenswerthe Vorlagen,“ sagte mir eine junge Dame, die sich in ihren Mußestunden gern selbst mit Blumenmalen beschäftigt.

Dietrich Theden.     

Das Jubiläum des Berliner Hoftheaters. Es sind jetzt hundert Jahre, seitdem das Berliner Theater aus den Händen der Principalschaft befreit, unter die Oberleitung des Hofes kam. Friedrich der Große war am 17. August 1786 gestorben; sein Nachfolger, König Friedrich Wilhelm II., hatte schon bei Lebzeiten seines Oheims dem Theater rege Theilnahme zugewendet, aber auch die Mißstände wohl bemerkt, welche mit der Direktion Döbbelin eng verknüpft waren. Am 1. Oktober 1786 erklärte der König das bisherige Döbbelin’sche Theater in der Behrenstraße für ein deutsches Nationaltheater, sicherte ihm eine Unterstützung von 6000 Thalern zu, ließ von Verona Dekorationen malen und erlaubte, daß die Statistenkleider der großen italienischen Oper beim deutschen Theater gebraucht werden durften. Am 3. December wurde zum letzten Male in dem alten Theater der Behrenstraße gespielt und am 5. December das Nationaltheater in dem für französische Aufführungen bestimmten Schauspielhause eröffnet, welches der König jetzt dem deutschen Schauspiel überließ. Dieses Theater stand in der Mitte des Gendarmenmarktes zwischen den beiden Thürmen, ungefähr da, wo gegenwärtig die Freitreppe des neuen Schauspielhauses anfängt, bis zu dem Droschkenhalteplatze; es war im Jahre 1774 erbaut worden, faßte 1200 Personen, hatte 50 Fuß Theatertiefe, ein Parterre, zwei Ränge Logen und eine Galerie. Merkwürdigerweise waren die Garderoben der Schauspieler nicht hinter der Bühne, sondern hinter dem Zuschauerraume angebracht, so daß die angekleideten Schauspieler durch den Parterregang und beim Büffett vorbei mußten, um auf die Bühne zu kommen.

Eröffnet wurde die neue Aera des Schauspielhauses mit einem Prologe, einem allegorischen Ballett und einem Lustspiele von Jünger: „Verstand und Leichtsinn“; doch nicht bloß in Bezug auf die neue Verwaltung wurde eine neue Epoche eingeleitet; auch die Führung der Bühne sollte in einem neuen kunstverständigen Sinne stattfinden. Döbbelin war ein alter Theaterpraktiker im Stil unserer heutigen Bühnenpächter; er war Keiner von den Schlechtesten, und obwohl er die Grundlagen seines Geschäfts, das Singspiel und überhaupt das leichte Genre, das beim Publikum Zug hatte, keineswegs vernachlässigte, verschloß er seine Bühne durchaus nicht den Schöpfungen der jüngeren bahnbrechenden Talente. Im Jahre 1784 hatte er Schiller’s „Fiesko“ zur Darstellung gebracht, allerdings in bedauerlicher Verballhornung, aber doch durch das Spiel von Fleck mit glänzendem Erfolg: ja er hatte sich sogar an „Nathan den Weisen“ gewagt und das Stück an drei Abenden hinter einander gegeben, am 14., 15. und 16. April 1783; doch war die Aufnahme kalt und das Theater leer.

Trotz derartiger rühmenswerther Versuche, seinem Theater eine höhere geistige Bedeutung zu geben, war Döbbelin nicht der Mann, der ein neues Zeitalter der Reform hätte würdig vorbereiten können. Er wurde vom König Friedrich Wilhelm II. bald bei Seite geschoben: an seine Stelle traten die Professoren Engel und Ramler, der erstere Theaterdichter und durch seine „Ideen zu einer Mimik“ eine Autorität für die darstellende Kunst, welche durch ihn die förderlichsten Anregungen empfing. Damals schon hatte man das richtige Princip erkannt, daß die Leitung der Bühnen dramatischen Dichtern und Dramaturgen von Ruf und Beruf in erster Linie übergeben werden müsse. Engel, welcher den späteren Liebling des Berliner Publikums, Kotzebue, 1789 zuerst mit „Menschenhaß und Reue“ auf der Nationalbühne einführte und außerdem 1788 Schiller’s „Don Carlos“ in der Prosabearbeitung gab, welche der Dichter für die kursächsische Gesellschaft gemacht hatte, gestaltete das Theater durch seinen feinen Geschmack stilvoller, als es bis dahin der Fäll gewesen war. Seit 1783 besaß das Berliner Nationaltheater einen Schauspieler ersten Ranges, Fleck, einen der genialen, ihrer Inspiration folgenden Künstler mit großen Mitteln, der aber so launenhaft war, daß er dieselben Rollen sehr ungleich spielte, so daß man, wie es hieß, bald den großen, bald den kleinen Fleck zu sehen bekomme. Er war jedenfalls ein berufener Träger größerer Dichtwerke. Nachdem Engel zurückgetreten, übernahm Ramler, der sich, seiner Richtung und seinem Talent entsprechend, meistens auf die Feile des dichterischen Stils der zur Aufführung angenommenen Dramen beschränkte, die Oberleitung, bis an seine Stelle im November 1796 Jffland trat, ein Künstler ersten Ranges, dessen Direktion eine der bedeutendsten Epochen in der Berliner Theatergeschichte bezeichnet: ein Freund Schiller’s von Mannheim her, hatte er das Glück, die unsterblichen Meisterwerke des großen Dichters dem Berliner Publikum zuerst vorführen zu können.

Daß im Laufe dieses Jahrhunderts die General-Intendanz zu einer Hofcharge erhoben wurde, daß in der Bühnenleitung die Grafen Brühl und Redern und Herr von Küstner, der einzige Fachmann, der sich in Leipzig und Darmstadt als kunstverständiger Theaterdirektor einen Namen gemacht hatte, einander folgten, ist wohl noch in der Erinnerung der Zeitgenossen lebendig. Das Berliner Hoftheater beginnt sein zweites Jahrhundert unter einer neuen Leitung: hoffen wir auf einen freudigen Aufschwung der dramatischen Kunst an der am meisten begünstigten Stätte in der Hauptstadt des deutschen Reichs. †      

In der Puppenausstellung. (Mit Illustration S. 853.) Kurz vor Weihnachten werden in größeren Städten Puppenausstellungen veranstaltet, die entweder in dem sogenannten Weihnachtsbazar nur die Lust zum Kaufen beim Publikum erwecken sollen, oder auch „höheren Zwecken“, das heißt der Hebung und Vervollkommnung der Puppenfabrikation dienen.

Da sehen wir „Modedamen“, Figuren von 1 Meter Höhe; bekleidet mit den kostbarsten Stoffen, Spitzen und Hüten, repräsentiren sie die neueste Pariser Mode, blicken stolz in die Welt hinein, sind aber für die Kleinigkeit von 200 bis 250 Mark verkäuflich. Ein eben so beliebter, wie vielfach vertretener Typus ist die „Braut“; sie trägt natürlich weißen Atlas, eine Schleppe, Myrthenkranz und wolkigen Schleier.

Da giebt’s ferner Gruppen wie z. B. „Brüderchens erster Geburtstag“, die ein wahres lebendes Bild darstellen. „Zu früh erwacht“ nennt sich ein plastisches Genrebild, wo ein goldlockiges Büblein am Weihnachtsmorgen neugierig aus seinem Bettchen schaut, noch ehe die Mama das Anzünden der Kerzen am Tannenbaum beendet hat.

Während die geschilderten Puppentypen im Allgemeinen dem Anschauungskreise der Kinder entsprechen, treten andere Gestalten, die jetzt Mode geworden sind, aus demselben heraus. Da steht die „Königin Elisabeth von England“ neben „Marie Antoinette“, „Prinzeß Turandot als Salonschäferin“ in trauter Gesellschaft der „Frau Rath Goethe“, der Mutter unseres großen Dichters u. s. w.: alle in historisch getreuen Trachten trefflich geeignet als Lehrmittel in der Kostümkunde, aber wohl nicht als harmloses Kinderspielzeug. Nur zögernd trennen sich die Kleinen von den Puppen; uns Großen wird der Abschied leichter, wir nehmen unsere Töchterchen bei der Hand und denken triumphirend: habt ihr doch lachende Gesichter und warmes Herzblut, während in den Bälgen eurer glasäugigen, ernsten Abbilder nur „Seelen“ von eitel Roßhaar und Sägespänen wohnen.

Frithjof und Ingeborg. (Mit Illustration S. 865.) Der Sang von Frithjof dem Kühnen, nach alter Ueberlieferung der nordisch-germanischen Urzeit von Johannes Tegnér in genialer Neudichtung behandelt, ist bereits oft ins Deutsche übersetzt worden: jetzt hat Emil Engelmann, der Bearbeiter des Nibelungenliedes, die Frithjofssage in gefälligen, wohllautenden Versen frei übertragen. Die Uebersetzung (Stuttgart, Paul Neff) ist mit anmuthenden, von dem talentvollen Maler R. E. Kepler gezeichneten Bildern ausgestattet, von denen wir eines der schönsten hier wiedergeben. Es ist eine Scene aus dem siebenten Gesang: Frithjof’s Glück. Der Held kniet neben Ingeborg, der heißgeliebten, die sich in den Tempel des Gottes Baldur geflüchtet hat. Die betreffenden Verse Tegnér’s lauten in Engelmann’s Uebertragung:

Dort steht sein Bild, er selbst ist nahe, sein Auge blickt so mild und hold,
Als Opfer er ein Herz empfahe, von Liebe heiß und treu wie Gold!
O knie’ mit mir! Es wird dem Reinen das lieblichste Gelöbniß sein,
Wenn sich zwei junge Herzen einen, so fromm und treu wie er zu sein.


Kleiner Briefkasten.

M. L. in C. Von der Tagespresse wurde neuerdings die Notiz gebracht, daß der in der „Gartenlaube“ „unvollständig“ abgedruckte Roman „Was will das werden?“ von Friedrich Spielhagen demnächst als Buch erscheinen werde. Sie erklären darauf in Ihrer an uns gerichteten Zuschrift, daß der Roman, wie wir ihn abbracht, auf Sie den Eindruck eines durchaus abgeschlossenen Kunstwerkes gemacht habe. Wir glauben, daß alle Leser unseres Blattes denselben Eindruck empfangen haben müssen; denn der Verfasser hat allerdings mit Rücksicht auf die für den Journalabdruck gebotene knappere Zusammenfassung der Handlung im Einverständniß mit der Redaktion verschiedene Kürzungen, besonders bei der Schilderung der Knabenjahre des Helden, vorgenommen; er hat aber zugleich das Gestrichene durch passende kurze Einschaltungen erklärt und so dem Leser das Verständniß des tiefdurchdachten Werkes in klarer und meisterhaften Weise ermöglicht.



Inhalt: [ Verzeichnis des Inhalts dieser Nummer, hier z. Zt. nicht dargestellt.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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