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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


Von großer Bedeutung für diese Verhältnisse ward eine Verordnung Kaiser Konrads II., wonach die Söhne, Enkel und auch Brüder des unbeerbt verstorbenen Vasallen das Lehen erben konnten, wenn das Lehngut von ihrem Vater herrührte. Nun konnten erst alle Söhne des Vasallen und deren Nachkommen im Hinblick auf die Hoffnung zur Succession den Namen des Gutes und den davon abgeleiteten Beinamen annehmen. So wurde aus dem ursprünglichen Gutsnamen ein Geschlechtsname. Das galt aber vorerst nur vom unmittelbaren, unter Kaiser und Reich stehenden, das heißt hohen Adel. Die mittelbaren Lehengüter jedoch, die hinwiederum vom hohen Adel ausgingen, waren nicht erblich und wurden es erst im 14. Jahrhundert, so daß unter dem niederen Adel erst von dieser Zeit an Geschlechtsnamen auskommen. Die Uebung verbreitete sich aber auch beim hohen Adel so langsam, daß noch im 13. Jahrhundert in Urkunden neben den bereits einen Geschlechtsnamen führenden noch mehrere Zeugen bloß unter ihrem Taufnamen erscheinen.

Eine andere wichtige Neuerung vollzog sich zur Zeit der Hohenstaufen im 12. bis 13. Jahrhundert.

Vor dem 12. Jahrhundert sind nichtdeutsche Taufnamen in Urkunden ungemein selten. Erst von da an und namentlich gegen dessen Ende kommen hin und wieder die Namen Johannes, Peter, Paul, Philipp, Thomas, Martin, Joseph, Bonifaz und die Namen einiger anderer Heiliger der christlichen Kirche vor. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts, als man anfing, Heilige zu Schutzpatronen zu wählen, fügte man deren Namen den altherkömmlichen als zweiten an, während der alte blieb und nach wie vor zur Benennung im gewöhnlichen Leben diente.

Unter den fremden Heiligennamen war in dieser Zeit keiner so allgemein wie Johannes, Hans, daher auch die Redensarten: Hans an allen Enden, an allen Ecken, in allen Gassen.

Was die bürgerlichen Familien- oder Zunamen betrifft, so bildeten sie sich zunächst zur näheren Bezeichnung des Vornamens. Material dafür lieferten körperliche Eigenschaften mehr oder minder auffälliger Natur, wohl auch Spitznamen, und so entstanden die Lang, Kurz, Schwarz, Noth etc.; Heimath und Beschäftigung wie bei Frank, Baier, Sachs, Nürnberger, Müller, Schneider, Schuster etc.; Eigentümlichkeiten des Grundbesitzes wie bei Baumgarten, Winkler etc.; Bezeichnung des Wohnhauses nach altem Herkommen wie bei Zumbusch, Kranz etc.; woraus erhellt, daß die Hausnamen älter sind als die Personennamen.

Im 15. Jahrhundert wurden die alten echtdeutschen Namen immer mehr zurückgedrängt, um denen von Heiligen Platz zu machen. Auch Taufnamen aus dem alten Testament werden nun häufiger, so Adam, Abraham, David, Samuel, Benjamin, Joachim, Isaak, Tobias, Salomo, Josias, Elias, Sarah, Judith etc.

In dieselbe Zeit fällt auch die Unsitte, die Geschlechtsnamen zu gräzisiren oder zu latinisiren, sei es durch Anhängen einer lateinischen Endung oder, was noch schlimmer war, durch Uebersetzung des ganzen Namens ins Griechische oder Lateinische. So entstanden die Namen Martini, Pauli, Petri, Neander, Xylander, Agricola, Faber, Textor, Sartorius, Pistorius, da es ihren Trägern nicht vornehm genug gedünkt, Martin, Paul, Peter, Naumann, Holzmann, Bauer, Schmied, Weber, Schneider, Bäcker zu heißen.

Namentlich die Gelehrten konnten dem Kitzel nicht widerstehen, wie z. B. auch Melanchthon nicht, der ursprünglich Schwarzerd geheißen haben dürfte. Dafür mußten sie sich’s auch gefallen lassen, daß sich der Volkswitz gegen sie wendete und z. B. Osiander in Hofenanderle umbildete. Nebenbei hatte die Neubelebung der klassischen Studien auch die Folge, daß, wer irgend etwas im Leben gelten sollte – und das wünschten ja gar viele Eltern – auf den Namen Achill, Hektor, Cicero etc. getauft werden mußte.

Im 18. Jahrhundert tauchen auf einmal neue Taufnamen auf, wie Fürchtegott, Lebrecht, Gottlieb, Gottlob, Traugott etc. Dieselben wurden seit 1722 durch die Sekte der Herrnhuter eingeführt und gingen bald nach England und Nordamerika hinüber, und etwas später werden wieder andere der damaligen Romanlitteratur entlehnt.

Was endlich die Juden anlangt, so führten sie in einzelnen Theilen von Deutschland bis in unser Jahrhundert keine Geschlechtsnamen und wurden zur Annahme von solchen erst durch staatliche Verfügungen genöthigt, wobei vielfach Ortsnamen zu Grunde gelegt wurden. So entstanden die Nürnberger, Fürther, Pappenheimer, Wertheimer etc.

Von den heut üblichen Vornamen reichen nur sehr wenige bis in die Zeit der Karolinger zurück wie z. B. Anton, Andreas, Adalbert, Eberhard, Jakob, Karl, Johann, Otto, Ulrich, Otmar, Ludwig (Hludowig), Reinhard (Reginhard), Reiner (Reginher), Robert, Paul, Walther, Werner (Werinheri), Bernhart, Willibalt, Friedrich, Dietrich, Heinrich, Hermann (Heriman), Gebhard, Gotthart (Godehart) und Thekla.

Unter den Merowingern kommen schon vor Adolf (Ataulf), Ottmar (Audomar), Berthold (Berthoald), Theodor (Theodorich), Konrad (Gunro) und Bertha.

Noch weiter zurück, bis ins 5. Jahrhundert, reicht der einzige Name Sigmund (Sigemunt).

Auffällig ist, daß von den ältesten Frauennamen sich nur die zwei genannten Bertha und Thekla bis auf unsere Tage herab erhalten haben; als eine gute Vorbedeutung für die Zukunft aber wollen wir es betrachten, daß Sigemunt, der Siegesmächtige, seit unser Volk eine Geschichte hat, in seinen Heerscharen nie gefehlt hat.


Blätter und Blüthen.


Das Maria-Theresia-Denkmal in Wien. (Mit Illustration S. 473.) Der Monat Mai dieses Jahres brachte der österreichischen Kaiserstadt erhebende Festtage aus Anlass der Enthüllung des Maria-Theresia-Denkmales. Diese Enthüllung reihte sich als Glied in die Kette von Feierlichkeiten, welche das vierzigjährige Regierungsjubiläum Franz Joseph I. bezeichnen; aber in dieser Kette darf sie wohl das glänzendste Glied genannt werden. Mehr als sechzig Mitglieder der kaiserlichen Familie und alle Spitzen der Armee hatten sich zusammengefunden, um den Manen der großen Herrscherin eine Huldigung darzubringen; die ganze Bevölkerung Wiens, verstärkt durch tausend Gäste aus den Provinzen, nahm enthusiastisch theil an den verschiedenen Festakten. Die moderne bildende Kunst hat in dem Maria-Theresia-Denkmale einen ihrer besten Siege errungen. Der Schöpfer des Werkes, Kaspar v. Zumbusch, mag mit freudiger Genugthuung auf die Frucht fünfzehnjähriger Arbeit blicken; er hat einen vollen Erfolg eingeheimst. Aus der diesen Zeilen beigegebenen Abbildung des Maria-Theresia-Denkmals können die Leser sich einen Begriff von der Gesammtwirkung des herrlichen Werkes machen. Zumbusch, der in seinem vor dem Akademischen Gymnasium aufgestellte Beethoven nur sein Talent für die zielbewußte Durchbildung einer einzelnen Figur erwiesen hatte, legte nunmehr unzweideutig dar, daß seine Begabung viel weiter und viel höher reicht. Er verstand es, ein plastisches Zeit- und Geschichtsbild in großem Stil zu liefern, und wenn er auch gewiß manche Anregung von dem Berliner Denkmale Friedrichs des Großen empfangen hat, so bekundete er doch eine bedeutende Selbständigkeit der Auffassung und Ausführung. Das neue Monument in seiner Ganzheit bringt einen ebenso schönen wie starken Effekt hervor, obwohl erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden waren, denn Zumbusch hatte sich gerade in wichtigsten Zügen an gegebene Vorschriften zu halten. So sollte auf die Anbringung hervorragender historischer Persönlichkeiten an dem Monumente ein besonderes Gewicht gelegt werden. Aber noch andere wichtige Momente waren für ihn gründlich zu erwägen. Dem Denkmale war sein Platz angewiesen zwischen den mächtigen, langgestreckten Bauten des naturhistorischen und des Kunstmuseums, gegenüber der im Entstehen begriffenen Hofburg. Von dieser grandiosen Umgebung und Nachbarschaft nicht erdrückt zu werden, galt als eine nicht geringe Aufgabe für den Bildner. Er hat sie in bewundernswerther Weise gelöst; heute klingt das Denkmal mit den Hafenauerschen Prachtgebäuden harmonisch zu einem herrlichen Accord zusammen.

Die Schönheit des Werkes läßt den Gedanken an dessen riesige Dimensionen kaum aufkommen. Letztere mögen damit angedeutet sein, daß die Porträtstandbilder 3,63 Meter, die Reiterstandbilder 4,50 Meter hoch find, aber an Höhe noch gewaltig überragt werden von der Kolossalfigur der Kaiserin, welche in erhabener Majestät den obersten Platz einnimmt.

Ein Postament aus Mauthausener Granit trägt einen Aufbau aus grauem, rothgesprenkeltem Pilsener Syenit und von diesem baut sich der Kern des Monumentes aus, der aus jeder seiner vier Seiten eine Art von Triumphbogen – gestützt von Säulen aus grünem Tiroler Syenit – enthält. Auf vier vorspringenden Sockelflügeln erscheinen die Heerführer Daun, Laudon, Traun und Khevenhüller zu Pferde, ebenso wie alle übrigen Figuren in Bronze ausgeführt. Die Wände des Hauptsockels sind mit Nischen versehen; in letzteren sieht man Hautreliefs, vor ihnen aber freistehende Figuren Rathgeber und Zeitgenossen der Kaiserin. Die beistehenden Figuren sind: Fürst Kaunitz, Fürst Wenzel Liechtenstein, Van Swieten, der treffliche Leibarzt Maria Theresiens, und Haugwitz, einer der tapfersten Generale der Monarchin. In den Reliefgruppen finden sich: der berühmte Staatsmann Bartenstein, die Feldmarschälle und Generale Starhemberg, Mercy, Lacy, Hadik und Radasdy; die bedeutenden Numismatiker Eckhel und Pray, die Musiker Gluck, Haydn und Mozart (als Kind); Grassalkovich, ungarischer Magnat, Bruckenthal, siebenbürgischer Landesgouverneur, Riegger, Rechtsgelehrter, Martini, Feldzeugmeister, und Sonnenfels, der Mann ohne Vorurtheil.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_483.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2020)