Seite:Die Gartenlaube (1888) 604.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Aus A. v. Werners Skizzenbuch.

der letztgenannten Dichtung haben Werners bewundernswerthe Zeichnungen einen vollgemessenen Antheil.

Nach mehr als vierjährigem Aufenthalt verließ er Karlsruhe, um seine Stadien in Paris fortzusetzen (1867). Dort hat er die zeitgenössische französische Kunst so gründlich studirt wie die daselbst angehäuften Schätze der alten Kunst aller Völker. Einen erkennbaren Einfluß auf seine Richtung und Weiterentwickelung aber hat erstere nicht ausgeübt. Auch Italien, wo er sich während der Jahre 1868 und 1869 aufhielt, ist ohne einen solchen Einfluß auf ihn geblieben. Er nahm die Heimath gleichsam mit sich. Im Schatten der Orangen Sorrentos, auf den sonnenheißen Klippen Capris, unter den immergrünen Eichen Olevanos zog es seine Seele unwiderstehlich zum Tannendunkel des geliebten Schwarzwaldes. Gerade mehrere seiner schönsten, gleichsam vom Duft des deutschen Waldgebirges würzig durchwehten Zeichnungen zum „Trompeter“ hat er an jenen Orten ausgeführt. Ebenso entstanden im Jahre 1869 seine meisterhaften Illustrationen zu Wilhelm Hertz’ epischer Dichtung „Hugdietrichs Brautfahrt“, von denen die vorliegende Nummer der „Gartenlaube“ das stimmungsvolle Bild „König Walmund findet Wolfdietrich im Walde“ wiedergiebt (S. 609).

Ein ehrenvoller Auftrag veranlaßte 1870 Werners Rückkehr nach Deutschland. Die Aula des neuen Gymnasiums zu Kiel, eines gothischen Backsteinbaues, sollte er mit Wandgemälden schmücken: „Luther auf dem Reichstag zu Worms“ und Friedrich Wilhelms III. „Aufruf an mein Volk“.

Der Künstler übernahm die schöne Aufgabe und führte in überraschend kurzer Zeit diese beiden, dem gegebenen Raume vorzüglich entsprechend komponirten, trefflich gemalten Bilder und unterhalb derselben die Einzelgestalten Gutenbergs und Fuggers, des Erasmus und Dürers aus. Während der Arbeit an diesen Malereien war der Krieg mit Frankreich ausgebrochen. Die deutschen Heere standen vor Paris. A. v. Werner wurde beauftragt, für das städtische Museum zu Kiel ein Oelbild zu malen, das die Ankunft der Truppen unter den Augen des Grafen Moltke zur Belagerung der französischen Hauptstadt darstelle. Um die nöthigen Naturstudien vorzunehmen, begab Werner sich ins Hauptquartier zu Versailles (November 1870). Der von dem Großherzog von Baden warm an den Kronprinzen Empfohlene fand dort eine sehr ehrende Aufnahme. Er sah den Krieg und das Leben des Hauptquartiers in der Nähe, zeichnete den Führer und die Soldaten des Heeres, die Landschaft, die Scenen des Marsches und der Gefechte und wohnte dem historischen Akt der Kaiserproklamation in der Spiegelgalerie des Versailler Schlosses bei. Als der Krieg beendet war, folgte Werner der Einladung des Kronprinzen, welcher den Künstler wie den Mann nach seinem vollen Werth schätzen gelernt hatte, nach Berlin. Hier ließ er sich dauernd nieder.

Sein erstes Gelegenheitswerk, das er daselbst ausführte, das kolossale Gemälde für das eine der Velarien, mit denen die Siegesstraße zum Einzuge der Truppen in Berlin geschmückt wurde, machte ihn für die Hauptstadt mit einem Schlage zum berühmten Meister.

Ihm als dem dazu Berufensten wurde dann auch die Lösung einer der größten Aufgaben der monumentalen Kunst übertragen: die als farbiger kolossaler Karton auszuführende symbolisch-historische Darstellung der Erhebung Deutschlands zum Kampfe gegen Frankreich, der Einigung der deutschen Stämme und der Kaiserproklamation, nach welchem Karton das Mosaikgemälde um den Fuß der Siegessäule auf dem Königsplatz zu Berlin ausgeführt werden sollte. Man weiß, in welcher kühnen, großartigen, poesievollen und originellen Weise Werner diesen Stoff behandelt und gestaltet hat.

Damals führte er die Tochter A. Schrödters, seine Braut, als Gattin in seine neue Heimath ein, wo er fortan eine immer ausgedehntere schöpferische Thätigkeit entfaltete. Jenes Bild für Kiel: „Graf Moltke und die Truppen vor Paris“, wurde vollendet, die farbigen Kartons für die tiefsinnigen, theils so heiteren und anmuthigen, theils so ernsten und hoheitvollen Mosaik-Friesbilder am Pringsheimschen Hause in der Wilhelmsstraße, das köstliche Kabinetstück „Graf Moltke in seinem Arbeitszimmer zu Versailles“ ausgeführt.

Dekorative und monumentale Wand- und Deckengemälde für öffentliche Gebäude und Privathäuser, realistische Geschichts- und Genrebilder, romantische Märchenbilder, Bildnisse – zuweilen in mittelalterlicher Maskirung – Illustrationen, Gedenkblätter, Zeichnungen, Aquarellen aller Art wurden in nie stockender Arbeit und gleichmäßiger Gediegenheit geschaffen. Im Auftrage der deutschen Fürsten und Städte malte er das zum Geschenk für den Kaiser bestimmte kolossale Gemälde der Kaiserproklamation zu Versailles. Was er darin gegeben hat, ist ein Triumph der Gewissenhaftigkeit und strengen Wahrhaftigkeit in der Schilderung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses. Der gleiche Ruhm gebührt in vollem Maße dem großen Bilde der Schlußsitzung des Berliner Kongresses von 1878 für den Festsaal des Berliner Rathhauses, den realistischen Wandgemälden aus den Kriegstagen Saarbrückens für den Rathhaussaal dieser Stadt, den Bildnißfiguren der Hauptführer der Deutschen für andere Wände desselben Raumes, welchen außerdem das symbolische Gemälde „Die Einigung Nord- und Süddeutschlands“ schmückt.

Aus A. v. Werners Skizzenbuch.

Die Wahrheit und genaue Richtigkeit in der Darstellung zeitgeschichtlicher Ereignisse in der Gesammtkomposition und -Wirkung wie in allen Einzelheiten bis zum letzten irgend erreichbaren Grade sinnlicher Täuschung zu treiben, gaben unserem Meister das riesige Panoramagemälde der Schlacht von Sedan für Berlin und die in dasselbe Gebäude ausgenommenen drei Dioramen aus der Geschichte jenes großen Tages, seiner Nacht und des folgenden Morgens die willkommene Gelegenheit. Was er dort, unterstützt durch werktüchtige ausgezeichnete Schüler und im Verein mit den Landschaftsmalern Professor Bracht und Schirm, in dieser Richtung geleistet hat, ist unübertroffen, ja mit wenigen Ausnahmen unerreicht in der modernen Panoramamalerei. Theils durch seine Schüler nach seinen Farbenskizzen, theils durch den Meister selbst mit eigener Hand ausgeführt, sind auch jene prächtigen Schilderungen aus altrömischem Leben, mit welchen er die Wände des Café Bauer dekorirte – Bilder, in deren Erfindung sich die künstlerische Phantasie um so freier ergehen durfte.

So zuverlässige, praktisch geübte Schüler und Mitarbeiter heranzubilden, die sich vor keiner Aufgabe zu scheuen hätten, galt A. v. Werner als eine Hauptpflicht auch jenes Amtes, zu dem er 1875 berufen wurde. Damals trat die längst schon als dringend nothwendig erkannte gründliche Umgestaltung des Instituts der Berliner Kunstakademie ins Leben. Wenn auch v. Werners Reorganisationsentwurf nicht in allen Punkten zur Annahme gelangte, so wurde der Meister doch mit dem Direktorat der Hochschule der bildenden Künste

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_604.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)