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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.
Ein Danziger Patrizieridyll vor vierhundert Jahren.
Nach einem Gemälde von W. Stryowsky.


in der Hitze des Gefechts mitten unter die Feinde, und auch Thorismund, Theoderichs Sohn, verirrte sich bis dicht vor Attilas Lager, das er für das gothische hielt. Alsbald war er von einer Ueberzahl umringt, aber er wehrte sich tapfer und schlug sich, obwohl verwundet, sammt seiner Begleitung durch.

Attila hatte sich in sein Lager zurückgezogen, er war besiegt, aber nicht überwunden, es hätte noch viel Arbeit gegeben, hätte man ihn vernichten wollen. Aber das sollte nicht sein; und daß es ihm gelang, mit den noch immer ansehnlichen Resten seines Heeres fast ungestört zu entkommen, daran trug das Ereigniß mit die Schuld, welches der Künstler auf unserem Bilde wiedergegeben hat.

Noch auf dem Schlachtfelde hatten die Gothen an der Stelle des gefallenen Theoderich dessen Sohn Thorismund zum König ausgerufen, indem sie, von dem Rechte des bewaffneten Volkes Gebrauch machend, ihn nach alter Sitte auf einen Schild erhoben und ihn so auf lebendigem Throne allem Heeresvolke zeigten, während dieses zum Zeichen des Beifalls in laute Zurufe ausbrach und mit den Speeren und Schwertern gegen die Schilde schlug. Thorismund, dessen Tapferkeit sich eben noch so glänzend bewiesen hatte, mag dieser Ehre vollauf würdig gewesen sein. Indessen er war wohl der älteste, aber nicht der einzige Sohn seines Vaters, ein Bruder hatte in der Schlacht mitgekämpft und vier saßen zu Hause in Toulouse. Das Recht der Erstgeburt war damals in den germanischen Reichen keineswegs maßgebend für die Thronfolge. So mochte Thorismund nicht sicher sein, ob auch alle die ihm in einer zwar althergebrachten, aber doch tumultuarischen Weise übertragene Königswürde anerkennen würden. Darum zog er mit seinen Mannen ab, und Attila konnte sich soweit erholen, daß er im darauffolgenden Jahre Italien selbst seinen unheimlichen Besuch abzustatten vermochte.

Wie gut aber Thorismund seine Brüder kannte, das zeigte sich bald. Nur zwei Jahre nach der großen Schlacht wurde er von zweien derselben erschlagen!

Seine Excellenz. (Zu dem Bilde S. 17.) Genau so sah der Freiherr Kilian von Dünkelwitz-Blasenheim aus, als sein allergnädigster Fürst ihm am Morgen des allerhöchsten Geburtstages in Anerkennung und zur Belohnung vierzigjähriger treuer und angestrengter Kammerherrndienste das Prädikat „Excellenz“ verlieh. – Excellenz! Wie wundervoll das klingt! Wie das emporhebt über den gemeinen Höflingsschwarm, zu welchem einst gehört zu haben der Freiherr Kilian sich nur noch dunkel erinnern kann! Wer will es ihm verdenken, daß er an jenem großen Tag eine ganz ungewöhnliche und für sein Podagra höchst gefährliche Promenade im Schloßgarten machte, den Kopf hochmüthig zurückgeworfen,

die kurze Figur um einen Zoll höher gereckt, den Krückstock in der Rechten, die Linke majestätisch auf den Rücken gelegt, jeder Zoll eine Excellenz, welche die unterthänigen Grüße der Begegnenden als schuldigen Tribut gnädig hinnimmt. Die Haltung ist ganz königlich, es fehlt wahrhaftig nicht viel zum „alten Fritz“ – und dieses wenige bezieht sich ausschließlich auf den kleinen Zwischenraum vom oberen Kravatten- bis zum unteren Hutrande! Bn.     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_035.jpg&oldid=- (Version vom 30.6.2023)