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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Pierre d’Aillys „Imago mundi,“ d. h. „Weltbild“, ein ziemlich kritikloses Buch, auf das sich aber Kolumbus bis an sein Lebensende wie auf eine Autorität berief.

Aus diesem Buche schöpfte er die Ueberzeugung, daß der Ocean zwischen der Westküste Spaniens und der Ostküste Indiens nur sehr schmal sei, so daß man mit günstigem Winde in wenigen Tagen hinübersegeln könnte; aus ihm erfuhr er, daß das Paradies auf einem Berge im fernen Osten liege, und viele andere Dinge, die er auf seinen späteren Fahrten entdeckt zu haben glaubte.

In Lissabon erhielt er auch Kunde von dem Plane und der Karte, welche Toscanelli dem König Alfons V. von Portugal gesandt hatte. Schon damals brannte in seinem Herzen der Wunsch, auf Entdeckungen auszugehen, und er wandte sich brieflich an Toscanelli mit der Bitte um die Seekarte. Eigenthümlicherweise verschwieg er dem Florentiner Gelehrten, daß er sein Landsmann sei, und gab sich für einen Portugiesen aus. Toscanelli sandte Kolumbus bereitwilligst die gewünschte Karte und die Abschrift seines vor langer Zeit an den Kanonikus Ferdinand Maratinez gerichteten Briefes, in welchem der Plan der Westfahrt nach Indien genau beschrieben war. Die Karte Toscanellis ist verloren gegangen, aber aus dem erhaltenen Briefe erhellt, daß sie die Küsten Europas und Asiens in derselben Weise darstellte, wie dies auf dem Globus von Behaim der Fall war.

Von nun an war Kolumbus von der Möglichkeit, Indien auf dem Seeweg nach Westen zu erreichen felsenfest überzeugt; von nun an beginnt seine Entdeckerlaufbahn.

Der Atlantische Ocean nach Martin Behaim.

Er mußte aber zur Ausführung des Planes irgend einen Fürsten gewinnen. Am nächsten lag ihm der Hof von Portugal. Indessen König Alfons V. kannte diesen Plan wohl, ohne ihn weiter zu verfolgen; es wäre müßig gewesen, sich an ihn nochmals zu wenden. Da starb König Alfons im Jahre 1481 und ein unternehmungslustigerer Herrscher, Johann II., bestieg den Thron. An ihn trat jetzt Kolumbus heran.

Der künftige Entdecker der Neuen Welt stand vor den Räthen des Königs, die in nautischen Fragen sicher gebildeter waren als er, und begründete vor ihnen einen Plan, den sie längst kannten. Er imponierte ihnen nicht und man hielt ihn hier für einen „Prahler und Schwätzer“. Um so mehr war man aber erstaunt, als man die Forderungen des kühnen Fremdlings hörte. Er forderte Erhebung in den Adelstand, den Titel „Admiral des Weltmeeres“, die Würde eines Vicekönigs der neuentdeckten Länder und andere Ehren und Vortheile. Solche Auszeichnungen hatte die Krone von Portugal damals selbst ihren bewährtesten Entdeckern nicht eingeräumt. Der König lehnte das Anerbieten des Kolumbus ab, und die Portugiesen setzten ihre Fahrten längs der Küste von Afrika fort. Dies geschah um das Jahr 1483.

Da verließ Kolumbus Portugal und wandte sich nach Spanien. Am Hofe von Ferdinand und Isabella gab es keine so bewanderten Kosmographen wie in Lissabon, in dieser Beziehung brauchte also Kolumbus nicht soviel zu fürchten; aber in Spanien fehlte der Sinn für Handelsfahrten, und so mußte Kolumbus sich nach einem andern treibenden Grunde für die Ausrüstung einer Expedition umsehen. Und diesen fand er leicht. In Spanien tobte der Krieg gegen die Mauren; die Glaubensfrage beherrschte die öffentliche Meinung, und so stellte Kolumbus die Bekehrung der Heiden in den fernen Ländern und die Beschaffung von Goldschätzen zur Wiedereroberung des Heiligen Grabes als das Hauptziel seiner Expedition auf.

Der spanische Hof nahm sein Anerbieten durchaus nicht kühl auf. Bevor man aber Schiffe für Entdeckungsreisen ausrüstete, wollte man zuerst die Beendigung des Krieges mit den Mauren abwarten. Kolumbus erhielt eine kleine Unterstützung und wurde auf die Zukunft vertröstet.

Es begann für ihn die schwere Prüfungszeit des Wartens und der Ungewißheit, und da Granada sich länger vertheidigte, als man angenommen hatte, beschloß er, Spanien zu verlassen und sein Glück in Frankreich zu versuchen.

In der Nähe der Hafenstadt Palos erhebt sich auf einem dürren Hügel das alte Franziskanerkloster la Rabida. Dem fremden Wanderer, der es heute besucht, wird auf einer Plattform ein kleines Kreuz gezeigt. An dieser Stelle brach im Jahre 1491 Kolumbus erschöpft zusammen und bat die Mönche um Wasser und Brot für sich und seinen kleinen Sohn Diego. Eines der Gemächer des Klosters ist heute mit Gemälden geschmückt, welche Scenen aus den Entdeckungsfahrten des Kolumbus darstellen; von den Fenstern desselben blickt man auf den Ocean hinaus, und hier im Angesicht des Meeres klagte der fremde Seefahrer den Mönchen seine Noth, erzählte von seinen kühnen Plänen und seinen getäuschten Hoffnungen. Die Franziskaner meinten wohl, daß es rathsam sei, den seltsamen Menschen in spanischen Diensten festzuhalten, und da einer derselben, der Pater Juan Perez de Marchena, Beichtvater der Königin Isabella war, so gelang es ihm, zwischen dieser und Kolumbus zu vermitteln. Das war ein Wendepunkt in dem Geschick des Weltentdeckers. Granada fiel im Januar 1492; ein Vertrag zwischen Kolumbus und der Krone von Spanien kam zustande; drei Schiffe wurden für die Westfahrt ausgerüstet, und bereits am 3. August 1492 konnte das Geschwader den Hafen von Palos verlassen.

In unserer Zeit, die Hunderttausende, ja Millionen für Entdeckungsexpeditionen ausgiebt, dürfte es interessieren, zu erfahren, wieviel diese erste Fahrt des Kolumbus, die denkwürdigste aller Seefahrten, Spanien gekostet hat. Die Gesammtkosten werden auf 1140000 Maravedis angegeben, und dies beträgt laut einer Berechnung von Sophus Ruge nach unserm Gelde 29184 Mark!

Was Kolumbus mit seiner ersten Fahrt bezweckte, das hat er klar und deutlich in der Einleitung zu seinem Bericht über die erste Reise an Ferdinand und Isabella ausgesprochen. Dieselbe lautet:

„Nachdem Eure Hoheiten in diesem gegenwärtigen Jahre 1492 dem Kriege gegen die Mauren, welche in Europa regierten, ein Ende gemacht und in der großen Stadt Granada Friede geschlossen, dieses selbe Jahr am 2. Tag des Monats Januar sah ich in Kraft der Waffen die königlichen Banner Eurer Hoheiten auf den Thürmen der Alhambra wehen und sah den maurischen König aus den Thoren seiner Stadt ziehen und die Hände Eurer Hoheiten küssen.

In demselben Monat beschlossen Eure königlichen Hoheiten in Ihrer Eigenschaft als katholische Christen und Liebhaber und Verbreiter des heiligen christlichen Glaubens und als Feinde des Mohammedanismus und aller Abgötterei und Ketzerei, mich, Christoph Kolumbus, nach den Gegenden Indiens zu schicken, von denen ich Euren Hoheiten Kunde gegeben, und mich an den Fürsten Grand Khan zu beordern, der in unserer Sprache König der Könige heißt. Dieser hatte wie seine Vorfahren nach Rom

geschickt, um Lehrer in unserem allerheiligsten Glauben zu erbitten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_179.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)