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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Herren Söhne in allen Ehren, wenn man sie glücklich so weit hat. Aber jetzt betrachtet mir einmal dort das vergnügte Kind Gottes, die Elsbeth! Wie so was emporwächst, schlank und nett, ohne Umstände und immer frohgemuth, das ist schon eine Freude zum Ansehen; das junge Mädel, wie es sein soll, statt der schickmäßigen jungen Dame mit der Ueberlegenheitsmiene und dem frühzeitig vertrockneten Herzen! Auf die darfst Du Dir zu allererst etwas einbilden, Emmy.“

„Sie ist sehr hübsch,“ sagte der Medizinalrath anerkennend, „da macht sich das Gefallen von selbst.“

„Sie ist verständig, gut und heiter dazu,“ erwiderte Linchen eifrig, „das sind die drei Kardinaltugenden der Frau, und wo diese sich mit hellen Augen und rosigen Wangen verbinden, da kann man für das übrige ganz unbesorgt sein. Und passen Sie ’mal auf: die kleine Maja, die jetzt noch um acht Uhr zu Bett geschickt wird, das giebt einmal eine Schönheit!“

Die harmlose Karoline sprach nach ihrer Gewohnheit ohne Nebengedanken, der Vater seiner Tochter aber hatte Gründe, die Unterhaltung nicht reizvoll zu finden, und brach deshalb ab, indem er sich zu Emmy wandte.

„Sagen Sie ’mal, habe ich mich getäuscht oder ging vorige Woche wirklich der langbeinige junge Amerikaner an mir vorbei, den Sie vor ein paar Jahren im Hause hatten?“

„O, Francis Weston! Ja, der war es wirklich. Er besuchte uns auf seiner Hochzeitsreise, die natürlich bis nach Aegypten geht, und schien ungeheuer glücklich zu sein.“

„Brannte er denn nicht früher stark für Vilma?“

„Das mag sein; sein Herz war, glaube ich, aus sehr brennbarem Stoff. Allein nun scheint es endgiltig beruhigt und untergebracht zu sein; er erzählte mir, daß es zwei Jahre ‚sehr in Liebe war‘ mit Miß Herbert. ‚Aber ich sagte sie nichts davon, wenn wir waren allein, bis ich gehen konnte, zu sprechen mit ihrem Vater. O, es war sehr, sehr schwer‘. Und diese Prüfung scheint den guten Frank zum Manne gehärtet zu haben. Er tritt nach Beendigung der großen Hochzeitsreise ins Geschäft seines Schwiegervaters drüben ein.“

„Sieh einmal, da kommen Thormanns!“ sagte der Medizinalrath und betrachtete voll Interesse das Ehepaar, welches soeben den Hausherrn begrüßte. Auch Emmy eilte in herzlicher Freude hinzu.

„Merkwürdig,“ bemerkte Hoffmann zu dem vor einigen Augenblicken mit Helenchen herangetretenen Doktor Seiler, „wie famos der graue Mensch aussieht, seit er geheirathet hat. Das Glück leuchtet ihm ja förmlich aus den Augen. Und die junge Frau wie eine ernste Muse in dem weißen Gewand! Sonderbar, daß man die früher so wenig neben Vilma beachtete.“

„Ich finde sie gar nicht hübsch,“ sagte Helenchen geringschätzig. „Die Nase ist entschieden zu groß, und dann hat sie so einen eingebildeten Ausdruck im Gesicht!“

„A propos,“ fragte ihr Vater, leiser sprechend, den Journalisten, „wo ist denn die schöne Vilma diesen Sommer hingerathen? Man hat ja gar nichts von ihr gehört! Zieht sie sich jetzt von der Welt zurück?“

Seiler zuckte die Achseln. „Zuletzt sah ich sie mit ihrer würdigen Mutter in Reichenhall, und in ihrer Begleitung stets einen ältlichen abgelebten Diplomaten, der nur noch Haut und Knochen war, aber ein wirklicher Graf. Dem that die Alte wunderschön. Hören Sie, das ist ein gräßliches Weib!“

„St! da kommt sie eben!“ Und in der That erschien, einigen neuen Gästen voraus, unter der Thür Frau von Dürings erhitztes Gesicht, und sie eilte, die fetten Händchen ausstreckend, auf Emmy zu.

„Liebste Frau Ministerialrath, nicht wahr, wie unbescheiden, daß ich hier eindringe, wo Sie Gesellschaft haben –“

„Sie erfreuen uns sehr damit, Frau von Düring,“ erwiderte Emmy freundlich. „Es ist nur unser wöchentlicher einfacher Empfangsabend, freilich heute etwas festlicher durch den Geburtstag meines Mannes –“

„Ich komme nämlich gerade von der Bahn,“ fuhr Frau von Düring fort, ohne Emmys Rede zu beachten, „das heißt, von Paula, zu der ich fuhr; ich hörte, sie sei hier bei Ihnen ah, da bist du ja, mein Kind –“ und sie hauchte einen flüchtigen Kuß auf die Stirne ihrer Tochter – „ich wollte Dir eine große Neuigkeit bringen, eine sehr beglückende.“ Bei diesen Worten richtete sie sich empor und sprach im Kreise umhersehend voll Triumph: Unsere Vilma ist Braut – Braut des Grafen Vöhrenberg – eines der ältesten österreichischen Häuser – Schloß in Böhmen – ein wahrhaft en–or–mer Grundbesitz – wir werden künftig auch dahin übersiedeln – ich bin entzückt von meinem Schwiegersohn, aber positiv entzückt!“ ...

Alles dies sprudelte sie mit einer Geläufigkeit heraus, die bereits von bedeutender Uebung sprach, und warf dabei den Kopf so stolz empor, als es bei ihrer Kürze und ihrem Umfang nur irgend möglich war.

Die murmelnde Bewegung der Gesellschaft hätte sich am besten durch ein allgemeines tiefgefühltes: „Nun, Gott sei Dank, – endlich!“ wiedergeben lassen, sie kam indessen Frau von Düring gegenüber in der geziemenden Form zur Aussprache und diese nahm, in einem Sessel sitzend, mit der Theetasse in der Hand, eine Gratulation nach der andern huldvoll entgegen.

„Ja, sehen Sie, Liebste,“ sagte sie sehr laut, als Fräulein Linchen ihren von unerschütterlicher Sympathie für Vilma eingegebenen Glückwunsch aussprach: „Sie haben ganz recht, Vilma ist eine Perle, ein Juwel! Gott, wie viel glänzende Partien hätte das Kind früher machen können! Aber sie konnte sich nie entschließen, wo ihr Herz nicht sprach, auch stellte sie doch“ – das wurde nach Thormanns Seite hin gesprochen – „geistige Anforderungen, denen nicht jeder genügen konnte. Nun, das ist jetzt alles aufs charmanteste vereinigt, der Graf liebt sie ebenso glühend wie sie ihn –“

„Brrr!“ machte Doktor Seiler leise hinter der Front.

„Er ist ein Diplomat von ausgezeichneten Fähigkeiten,“ fuhr sie eifrig fort, „die Hoffnung einer künftigen Aera, Sie verstehen mich! Eine edle, ritterliche Erscheinung –“

„Um Gotteswillen, Fräulein Elsbeth,“ sagte der Journalist, „spielen Sie schnell einen Walzer, daß man diesen Kerl nicht auch noch als Adonis preisen hören muß!“

Und Elsbeth ließ sich’s nicht zweimal sagen. Lachend eilte sie zum Flügel, und im nächsten Augenblick schon drehten sich ihre Freundinnen mit den Herren Primanern und Sekundanern lustig im Kreise. Moritz, der bisher im Hintergrund gestanden hatte, besah rasch seine Finger, dann, als er sie tintenfrei fand, reichte er sie der hochaufgeschossenen Sigrid, deren schöne blaue Augen und starkes Blondhaar doch einige Hoffnung für ihre künftige Erscheinung gewährten, und sie nahm, in Beherzigung des Grundsatzes vom Spatzen in der Hand, den dreizehnjährigen Tänzer in Gnaden an.

Paula folgte während des fröhlichen Getümmels ihrem Manne in ein kleines Nebenzimmer und sagte, indem sie seine Hand faßte: „Welch ein Glück, daß dies so gekommen ist! Nun brauche ich nicht mehr die stete Sorge zu haben, daß Du meinen Besitz auch noch mit Opfern bezahlen mußt.“

„Er wäre mit dem Schwersten nicht zu theuer erkauft,“ sagte der glückliche Mann und sah ihr tief in die Augen. „Du hast mir mit Dir soviel gegeben, meine Paula, dazu unseren süßen Jungen, Sigrid hängt an Dir wie an einer wirklichen Mutter – wie könnte ich Dir all das je vergelten? Aber für Deine Mama und Vilma ist mir’s lieb, daß alles so kam, denn ihre Wege werden doch in Ewigkeit nicht unsere Wege sein; auch Hedy wird künftig lieber auf jenen wandeln. So können wir in Frieden scheiden. ... Daß Du Deiner Schwester Ausstattung besorgst, versteht sich von selbst, die Mittel dazu sind in Deiner Hand, wende sie an, wie Du es für gut findest!“

Sie hob die glänzenden Augen voll inniger Liebe zu seinem ehrlichen einfachen Gesicht empor. „Du Guter, Edler!“ war alles, was ihre Lippen leise sprachen, aber viel, viel mehr sagten ihm ihre Blicke und der warme Druck ihrer Hand. –

„Nun erklären Sie mir einmal, Beste,“ flüsterte eine Stunde später, als die Unterhaltung in vollem Gange war, eine sehr geputzte Dame, die Frau des Unterstaatssekretärs, die heute zum ersten Mal in Walters Hause war, ihrer Nachbarin, Frau Malchen Hoffmann, zu, „was das eigentlich für eine Art von Geselligkeit ist. Von Souper scheint ja keine Rede, ich sehe nur Thee, Bier und belegte Brötchen; und wenn es sich auch ganz niedlich macht, wie das blonde Haustöchterchen mit der gestickten Schürze überall geschäftig herumgeht und die Gäste versorgt, so muß ich doch gestehen, daß ich meine Meta nicht in dieser Rolle sehen möchte, dazu gehört doch Dienerschaft. Daß man Musik macht, ist ganz hübsch, Frau Walter spielt ja selbst sehr gut, und das Duett, welches vorhin Elsbeth und die andre Kleine sangen, war soweit recht nett, aber das sind doch am Ende alles keine Leistungen, auf die man heute

einladen kann. Und es herrscht keine rechte Trennung zwischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_219.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2020)