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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Denkstein ist aber diese Platte jedenfalls für eine, die ich hier vor Jahren in kaltem Frühlingswetter, in grauem Mantel, Hut und Schleier, gebückt, den Stab in der einen, das Brunnenglas in der anderen Hand, des Morgens einsam, einen Gegenstand der Neugier, wandeln sah – für Eugenie, die ehemalige graziöse Kaiserin von Frankreich. Denn sie war es bekanntlich, die im frivolsten Uebermuth ihre „petite guerre“, ihr „Kriegchen^, haben wollte, die den kranken Napoleon III. zur Kriegserklärung, sich selbst und ihn in die Verbannung trieb. Wie das Thränenkrüglein der Witwe erschien mir damals das Brunnenglas der Vereinsamten, um Thron und Sohn Trauernden! Ich hatte sie auf der Höhe ihres Glanzes in Paris so unzählige Male als mächtige Beherrscherin der Mode im Bois de Boulogne, dann bei der Einweihung des Suezkanals neben dem Khedive kokett auf einem Eselein daherziehen sehen, hatte sie in Schwalbach beobachtet, wie sie leicht geschürzt mit großem Stocke über die waldigen Höhen tänzelte – und gerade hierher, nach Ems, hatte sie wandern müssen, um Frist für ein mit Reue heladenes Dasein zu suchen!

Jetzt wird übrigens Ems auch sein stattliches Kaiser-Wilhelm-Denkmal erhalten, zu dessen Aufschrift Ernst von Wildenbruch das schöne Distichon verfaßt hat:

„Hier, wo Du oft von Thaten geruht, um zu Thaten zu schreiten,
Hält das dankbare Ems liebend für immer Dich fest.“

Straße am Kursaal.

Eine andere stadtgeschichtliche, aber nicht ganz erfreuliche Zeit begann für Ems, als aus den Erdgeschossen des Palais Royal in Paris 1839 die Spielhalter vertrieben wurden, die darauf nach Deutschland zogen und sich in den rheinischen Bädern ein Privilegium für die Errichtung öffentlicher Spielbanken zu verschaffen wußten. Baden-Baden, Homburg, Wiesbaden, Nauheim, Ems übten durch ihre Spieltische bedeutende Anziehungskraft aus, aber ihr Fremdenpublikum gewann dadurch nicht an sittlichem Werthe. In Menge zogen die Waghalsigen, die Gewinnsüchtigen, Hochstapler, Abenteurer herbei, von Paris kamen die „Damen von Breda“ mit ihrem sauberen Gefolge; Benazet, der Spielpächter von Baden-Baden, verstand gerade diese Gesellschaft zu ködern, er hielt die französische Boulevardpresse förmlich in seinem Solde. Die Berichterstatter der einflußreichsten Boulevardblätter waren seine Gäste; er stellte ihnen Equipagen zu Diensten und legte ihnen zum beliebigen Spielverbrauch Tausend -Francs-Röllchen auf ihren Nachttisch. Blanc in Homburg verstand das Geschäft nicht minder – er hat sich bekanntlich als Rückzugspunkt Monte-Carlo gesichert, als die öffentliche Meinung sich immer stürmischer gegen die rheinischen Spielhöllen erhob. Wiesbaden und Ems hatten eine gemeinsame Spielgesellschaft, was seine besonderen Vortheile bot; denn wenn in Ems ein Glücklicher mit einem Gewinn davonging, fiel er in Wiesbaden hinein, oder umgekehrt. Selbst die sogenannte bessere und beste Gesellschaft der Kursaison pflegte sich gern und mit einer erstaunlichen Vorurtheilslosigkeit gegen des Nachbars Ellenbogen an den Spieltischen zu sammeln. Millionen waren es, welche die Banken alljährlich einheimsten; unberechenbar aber war das Elend, das sie in den Familien anrichteten, bis endlich im Jahre 1866 ein preußischer Lieutenant an der Spitze eines Zuges von Landwehrleuten erschien und im Namen des Gesetzes des Eroberers die Spielbank für geschlossen erklärte.

Augusta- und Viktoria-Quelle.

Kursaal

In Rücksicht auf die mannigfachen äußeren Vortheile, durch welche die betreffenden Kurorte mit den Banken verknüpft waren, gestattete Preußen in den annektierten Ländern allerdings noch die Fortsetzung des Spiels bis 1872, dann aber war ich selbst Zeuge, wie der letzte „Halunkenzug“ alle bis zum Schlusse gebliebenen Schakale davontrug, die sich seit Anbeginn um die Banken gesammelt hatten.

Diese Banken, wie unselig und verdammlich auch ihr Treiben, waren für die Gemeinden der rheinischen Kurorte erklärlicherweise ein reicher Quell der Wohlfahrt gewesen. Nicht nur für die Wirthe, für die Besitzer von Spielaktien, welche riesige Dividenden abwarfen – ihre Gerechtsame hatten sie auch zu großen Abgaben für das Gemeinwohl und für Stiftung eines Ku-, Theater- und Verschönerungsfonds gezwungen – die schönsten Anlagen verdankten die Städte eben ihnen und natürlich auch den ganzen äußeren Flor; daß derselbe mit dem Ruine so vieler Familien bezahlt worden ist, davon haben die inzwischen verflossenen zwanzig Jahre allmählich die Erinnerung verwischt.

Und es ist gut so. Das psychologisch Merkwürdige aber bleibt, daß gerade in diesen Orten, von denen man erwartet, daß die Leidenschaft für das Spiel wie Mauerschwamm fortwuchern

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_338.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2020)