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verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Halbheft 14.   1892.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahrgang 1892. Erscheint in Halbheften à 25 Pf. alle 12–14 Tage, in Heften à 50 Pf. alle 3–4 Wochen vom 1. Januar bis 31. Dezember.



Der Klosterjäger.

Ein Hochlandsroman aus dem 14. Jahrhundert von Ludwig Ganghofer.
(6. Fortsetzung.)
18.

Die Dämmerung, welche über den Bergen die ersten Fäden spann, webte im Thale schon die grauen Schleier.

Wolfrat war aus dem Sudhaus heimgekehrt und saß mit Sepha am Tisch. Vor zwei Tagen hatte sie die Kraft gefunden, das Lager zu verlassen … es war die Kraft, die der Kummer und die Sorge giebt.

Sie hatten ihr karges Nachtmahl schon verzehrt, aber sie saßen noch, schweigend; jedes hielt die Arme über den Tisch gelehnt und grübelte mit verlorenen Blicken vor sich hin.

Lippele kniete auf der Bank und guckte zum offenen Fenster hinaus. Mit einmal rief er. „Schau, Mutterl, schau, die Berg’ thun brennen!“ Es störte ihn nicht, daß er keine Antwort erhielt. „So, so,“ schmollte er mit nickendem Köpflein, „wann die Dittibas’ verbrennen thut .. droben!“

Wolfrat erhob sich ungestüm, schritt ein paarmal in der Stube auf und nieder und warf sich im Ofenwinkel auf die Bank, daß das Brett laut krachte. Sepha schlug die Hände vor das Gesicht.

Eine stille Weile verging, dann streckte Lippele neugierig den Kopf; er hatte am Hag das Thürlein knarren hören.

„Vater! … Mannerleut’ kommen!“

Sepha erblaßte, und Wolfrat sprang auf das Fenster zu.

„Sie kommen, Seph’!“ sagte er mit heiserer Stimme und griff nach dem Tisch, als befiele ihn ein Schwindel.

„Jesus Maria!“ stöhnte das Weib, flog auf ihn zu und umschlang ihn mit zitternden Armen.

Er richtete sich auf. „Nimm Dich zusammen, Seph’,“ sagte er ruhig. „Sie dürfen kein unrechtes Wörtl hören. Komm’, setz’ Dich her, da …“ er drückte sie auf die Bank. „Und red’ keinen Laut! Vom Gesicht schaut Dir im Zwielicht keiner was ab. Und wenn es schief ausgehen sollt’ … ich glaub’s nicht, Seph’, sei ruhig … ich mein’ halt, für alle Fäll’ …“ seine Stimme dämpfte sich zu hastigem Geflüster, „so laß ich Dir eine Hilf’ zurück in der Noth … einen Schatz, der zum heben ist … mir ist er verschlossen so lang’ ich leb’ … aber wenn’s einmal aus ist mit mir, dann sollst Du was haben davon und mein Bub’ … ein goldener Schatz, Seph’ … und der Schlüssel dazu – das ist die Dirn’!“

Sie starrte ihn entsetzt an; von allem, was er sagte, verstand sie nur das eine: daß er an das Schlimmste dachte. Das Fenster wurde dunkel, als die Männer draußen vorübergingen. Wolfrat nahm hastig seinen Platz hinter dem Tisch wieder ein.

Die beiden Knechte, welche Herr Schluttemann ausgeschickt hatte, traten in die Stube; der Frohnbote, den sie mitgenommen, blieb draußen vor der Hausthür stehen.

Lippele rutschte hurtig von der Bank herunter, lief auf die Mutter zu und schmiegte sich unter ihren Arm.

„Ist der Polzer daheim?“ fragte einer der Knechte.

„Wohl wohl,“ sagte Wolfrat. „Was giebt’s?“

Der Knecht zögerte mit der Antwort; sein Blick streifte das Weib. „Geh’, komm’ ein’ Weil’ mit uns vors Haus.“

„Ich hab’ den ganzen Tag geschafft und bin müd’!“

„Wirst aber heut’ doch noch einen weiten Weg machen müssen!“

„Warum? Und wohin?“

„Warum, das wirst erfahren, und wohin, das wirst sehen.“

Wolfrat lachte. „Da bin ich aber schon neugierig. Wer will denn was von mir?“

„Der Vogt!“

„Der Vogt?“ wiederholte Wolfrat überrascht. „So? So?“ Er strich sich die Hand über die Haare und erhob sich. „Ja freilich, da muß ich schon gehen. Aber … wenn ich recht gehört hab’, ist ja der Vogt seit Feiertag auf der Jagd … freilich, hab’s ja von Euch selber

Max von Forckenbeck.
Nach einer Original-Aufnahme des Hofphotographen J. C. Schaarwächter in Berlin.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_421.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2024)