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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


zu unternehmen, womit auch ein Geldgewinn verbunden war. Im Jahre ließ er seine „neuen“, bereits oben erwähnten Memoiren erscheinen, in denen besonders über den preußischen Hof von 1688 bis 1720 eine Menge sonst wenig bekannter Geschichten enthalten war. Als König Friedrich Wilhelm I. 1740 starb, beauftragte sein Nachfolger Pöllnitz mit den Anordnungen zur Bestattung, eine Aufgabe, welche er zur Zufriedenheit des Königs ausführte. Man gab ihm dafür 6000 Thaler, um ihn aus dem Abgrund seiner Schulden zu reißen, und wies ihm eine Pension auf das eroberte Liegnitz an.

Ueber den Verkehr zwischen dem großen König und dem geistreichen Kammerherrn giebt uns der im zwanzigsten Bande der gesammelten Werke Friedrichs II. abgedruckte Briefwechsel genügenden Aufschluß. Der König schlägt in seinen Briefen sehr verschiedenartige Töne an: er hänselt den alten Baron, spricht von ihm häufig in geringschätziger Weise; ebenso oft, wie er ihn zum Zielpunkt seiner Witze macht, drückt er ihm auch seine ernste Ungnade aus; doch merkt man bisweilen einen gewissen Respekt vor dem gewandten Schriftsteller, und des Königs Wohlwollen ward nicht müde im Verzeihen und im Unterstützen.

Der Anlässe zur königlichen Ungnade gab es allerdings viele. Schon im Jahre 1742, als der Baron zur Mittheilung einer Nachricht nach Bayreuth an die Markgräfin, des Königs Schwester, ebenfalls eine geistreiche Memoirenschreiberin, gesandt worden war, versetzte er den König in Zorn, indem er der Markgräfin ohne Erlaubniß nach Frankfurt zur Kaiserkrönung folgte. Der stoffhungrige Schriftsteller hatte es nicht übers Herz bringen können, sich eine so günstige Gelegenheit zum Fabulieren in späteren Memoiren entgehen zu lassen. „Der Bursche hat nur Geist,“ Schrieb der König an Jordan, „aber er weiß sich durchaus nicht zu benehmen. Er ist jetzt über fünfzig Jahre alt; wann wird er einmal zu Verstand kommen?“ Diese letzte Bemerkung kleidete Friedrich sogar in Verse. Er entzog dem leichtsinnigen Kammerherrn seine Pension, ließ sich aber noch einmal erbitten, ihn in Gnaden anzunehmen. Bayreuth sollte ihm indeß noch ein zweites Mal verhängnißvoll werden. Wiederum vom König mit einem Auftrag dorthin geschickt, im Januar 1744, blieb er daselbst längere Zeit, denn einige Damen, darunter ein Fräulein von Marwitz, hatten sich vorgenommen, ihm die Hand einer jungen reichen Nürnbergerin zu verschaffen. Aber der windige Baron hatte kein Glück: trotzdem er, der reichen Braut zuliebe, wieder zur katholischen Kirche übergetreten war, holte er sich doch einen Korb. Das wirkte auf ihn so niederschlagend, daß er beim König um seinen Abschied einkam: er suche nichts mehr bei Hofe, er sei krank, sein Ende nah; er wolle sich ganz zurückziehen und in Ruhe sterben. Ein kleiner Rest seines Vermögens werde zu seinem Unterhalt ausreichen; er versichert, er werde in keines anderen Herrn Dienst mehr treten. Der König warf ihm in seiner Antwort Undankbarkeit gegen seine Wohlthäter vor; überhaupt sei er viel zu unruhig, um in der Zurückgezogenheit leben zu können, er schäme sich nur, nach Berlin zu kommen, weil die von der Marwitz geplante Heirath gescheitert sei. Am 1. April bewilligte er ihm indeß seinen Abschied, und zwar auf Pergament, mit Siegel und Unterschrift. Dies Aktenstück athmet einen vernichtenden Hohn und ist ebenso bezeichnend für den König wie für seinen Diener.

„Wir, Friedrich etc., thun kund und zu wissen, daß der Baron von Pöllnitz, aus Berlin gebürtig und, soviel Uns bekannt, von ehrlichen Eltern abstammend, Unserem hochseligen Großvater, preiswürdigen Angedenkens, als Kammerjunker, der Herzogin von Orleans in eben diesem Charakter, dem Könige von Spanien als Oberster, dem letztverstorbenen Kaiser als Stallmeister, dem Papste als Kämmerer, dem Herzog von Braunschweig als Kammerherr, dem Herzoge von Weimar als Fähnrich, Unserem in Gott ruhenden Herrn Vater als Kammerherr und zuletzt Uns als Ceremonienmeister gedient, da er sich, vom Strome der ehrenvollsten Militairbedienungen und der eminentesten Hofchargen, die nach und nach auf seine Person ausgeschüttet wurden, ganz überschwemmt gesehen, bei Uns unterthänigst gebeten hat, ihm zur Aufrechthaltung seines guten Rufs und Namens einen ehrlichen Abschied in Gnaden zu ertheilen. Da Wir nun mit Berücksichtigung seiner Bitte es nicht für gut finden, seiner guten Aufführung das Zeugniß zu versagen, um das er Uns gebeten hat, angesehen die höchst wichtigen Dienste, die er Unserem königlichen Hofe durch seine Schwänke geleistet, und die Kurzweile, die er Unserem Herrn Vater durch die neun Jahre zu Wege gebracht hat, so nehmen Wir keinen Anstand, zu erklären, daß während der ganzen Zeit, die der Baron rühmlich in Unseren Diensten gestanden, er weder Straßenraub begangen, noch Beutelschneider, noch Giftmischer gewesen ist, daß er weder Jungfrauen geraubt, noch Jemandes Ehre an Unserem Hofe gröblich verletzt, sondern sich stets wie ein Galanthomme und seiner Geburt gemäß betragen und stets von den Gaben, die ihm der Himmel verliehen, einen honetten Gebrauch gemacht hat, nämlich den Zweck zu erreichen, der bei den Schauspielen zu Grunde liegt und der darin besteht, das Lächerliche der Menschen auf eine lustige und heitere Art darzustellen, um solche dadurch zu bessern . . . Wir geben auch dem besagten Baron das Zeugniß, daß er Uns nie zum Zorne gereizt hat, ausgenommen, wenn er durch seine nichtswürdige Unverschämtheit alle Gränzen der Ehrfurcht überschreitend auf eine unwürdige und unerträgliche Weise die Asche Unserer glorreichen Vorfahren zu entweihen und zu entehren versuchte. Da man aber in den schönsten Gegenden unfruchtbare und wüste Stellen findet, da die schönsten Körper ihre Gebrechen und die Gemälde der größten Meister ihre Fehler haben, so wollen Wir auch mehr besagtem Baron seine Fehler und Mängel zugutehalten und ertheilen ihm, obgleich ungern, den von ihm begehrten Abschied. Wir wollen übrigens das ihm anvertraute Amt gänzlich aufheben und abschaffen, um dadurch das Angedenken daran für immer unter den Menschen zu vertilgen in der Ueberzeugung, daß nach besagtem Baron niemand würdig sei, es weiter zu bekleiden. Friedrich.“     

Pöllnitz bereute indeß bald sein Abschiedsgesuch und suchte sich beim König wieder anzubetteln, wobei ihm jetzt freilich sein Uebertritt zur katholischen Kirche recht hinderlich war. Friedrich nannte das Benehmen von Pöllnitz lächerlich und unwürdig; doch wollte er ihn noch einmal begnadigen unter den folgenden demüthigenden Bedingungen: 1) „Es wird durch öffentlichen Ausruf in Berlin verkündigt, daß bei hundert Dukaten Strafe verboten ist, ihm etwas zu borgen, sei es Geld oder Waren. 2) Pöllnitz ist verboten, jemals wieder seinen Fuß in das Haus eines fremden Gesandten zu setzen oder sonst Verkehr mit ihnen zu haben oder ihnen von den Gesprächen des Königs etwas mitzutheilen. 3) Wird Pöllnitz vom König zur Tafel geladen, so soll er, wenn die anderen Gäste bei guter Laune sind, nicht ein trübseliges Gesicht zur Schau stellen.“ In einer eigenhändigen Nachschrift ergoß der König die volle Schale seines Zorns über das Haupt seines Dieners. Es hieß darin: „Wenn Sie, wie Sie einmal äußerten, lieber den Schweinen als den großen Herren dienen möchten, so kann es Ihnen ja an einer Stellung nicht fehlen und Sie werden in Westphalen Beschäftigung finden und brauchen mich nicht dazu. In der That, Sie sind ein Unwürdiger, und wenn ich Sie aus dem Elend reiße, in welches Ihre Thorheiten und Unverschämtheiten Sie gestürzt haben, so thue ich dies nur aus Mitleid, denn Ihr Betragen verdiente, daß man Sie für immer hinter vier Wänden einsperrte.“

Friedrich, der so erbarmungslos gegen Trenck war, hatte Mitleid mit dem Spaßmacher Pöllnitz. Dieser konnte indeß nicht sogleich wieder ins rechte Geleise mit seinem Monarchen kommen. Noch im Herbste 1744 wurde er verhaftet, weil an den König ein Schreiben gelangt war, in welchem Pöllnitz verdächtigt wurde, als beabsichtige er, eine Schrift von großer Bösartigkeit wider Friedrich II. zu veröffentlichen. Alle Papiere des Barons wurden mit Beschlag belegt; doch erwies sich jene Anklage als ungerechtfertigt und Pöllnitz wurde wieder freigelassen. Einem Kaufmann Martini in Paris, einem Gläubiger, hatte Pöllnitz einen schlimmen Streich gespielt; wieder verzieh ihm der König, unter der Bedingung, daß er seine Schuld an ihn bezahle. Oft genug bat Pöllnitz seinen Herrn um Vorschüsse, wurde indeß meist abschlägig beschieden; der König würzte derartige Bescheide mit allerlei Bosheiten, welche dem „Katholiken“ galten; er vertröstete ihn auf die Zeit, wo er wieder eine Kirche der Jesuiten geplündert haben würde, und rieth ihm, sich an die Jungfrau Maria zu wenden, welcher die Kaiserin-Königin Maria Theresia ein Christuskind von massivem Golde am Grabe des heiligen Nepomuk in Prag gewidmet habe. Vielleicht würde sie ihm aushelfen. Auch um eine Ordenspfründe in Schlesien bat Pöllnitz den König, aber ohne Gehör zu finden. Ein anderes Mal erklärte er, daß er entschlossen sei, zur evangelischen Religion zurückzutreten; der König aber schrieb ihm, daß es ihn gleichgültig lasse, ob er reformiert, katholisch oder lutherisch sei.

Mit der Zeit wurde indessen Pöllnitz doch wieder evangelisch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 467. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_467.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2021)