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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

mit besonderen Pumpen hineingepreßt wird. Die gebräuchlichste Art dieser Cylinder faßt bei gewöhnlichem Luftdruck (= 1 Atmosphäre) ungefähr 30 Liter, bei 100 Atmosphären Druck also 3000 Liter oder 3 Kubikmeter. Die Engländer sowohl wie die Italiener haben bei ihren Feldzügen in Afrika dieses Verfahren angewendet; die Stahlcylinder wurden im eigenen Lande gefüllt, zu Schiff über die See und dann auf dem Rücken von Kamelen oder Mauleseln ins Innere des Landes gebracht. Vermöge dieser Einrichtung kann man einen Ballon von 300 Kubikmetern Gas in längstens einer halben Stunde füllen. Bisher hatte man auf besonders erbauten Wagen das Gas erst an Ort und Stelle fabriziert; dazu mußte man sehr viel Rohmaterial (verdünnte Schwefelsäure und Zink) mitschleppen und brauchte sehr viel Wasser, das nicht immer bequem zu haben war.

Zu den Ueberzügen der Ballons wird im allgemeinen chinesische Seide benutzt, welche sehr geschmeidig und haltbar ist. Die Engländer verwenden auch sogenannte „Goldschlägerhaut“. Es sind dies ganz feine Häutchen, die man von dem Blinddarm des Rindes abzieht; sie werden besonders zubereitet, hierauf in mehreren Lagen derartig übereinandergeklebt, daß der Rand einer Haut stets auf die Mitte der darunter liegenden kommt. Da man für eine Ballonhülle diese Häutchen in achtfacher Lage verwendet, so braucht man für einen Ballon von 300 Kubikmetern Inhalt ungefähr 35- bis 40000 Stück derselben. Diese Goldschlägerballons haben im Vergleich zu den aus Baumwolle oder Seide hergestellten und durch Firniß gasdicht gemachten den großen Vorzug der Leichtigkeit; sie sind aber dafür nicht sehr dauerhaft, bekommen sehr leicht Risse durch Anstoßen an Bäume etc., was ihre Verwendbarkeit stark beeinträchtigt.

Die Größe eines Ballons ist bedingt durch den Anspruch an seine Tragfähigkeit. 1 Kubikmeter Wasserstoffgas trägt durchschnittlich 1 Kilogramm, 300 Kubikmeter tragen also 300 Kilogramm. Man rechnet nun auf das Gewicht eines solchen Ballons, des Netzes und Ventiles, der Gondel und der Ausrüstung etwa 100 Kilogramm, auf das Gewicht des Drahtseilkabels 50 Kilogramm, auf das des Luftschiffers 75 Kilogramm; es sind also immer noch 75 Kilogramm zum Auftrieb vorhanden, was vollständig genügt. Nach Berichten über die französischen Manöver haben die Ballons thatsächlich gute Dienste geleistet, namentlich nachdem eine Fernsprechverbindung zwischen dem Ballon und der Erde hergestellt war. Durch technische Vervollkommnungen ist man dahin gelangt, das Luftschiff in einer halben Stunde zum Aufsteigen bereit machen zu können. Ferner ist der Ballonpark so eingerichtet, daß man den Ballon mit großer Leichtigkeit fortbewegen kann, auch in gefülltem und schwebendem Zustande. Während eines Gefechts bei den französischen Manövern wurde Bar le duc mit einem schwebenden Ballon durchfahren, ohne daß dabei die geringsten Unordnungen vorkamen, und General Gallifet blieb einmal zweieinhalb Stunden im Fesselballon, von dem aus er durch Telephon alle Bewegungen leitete. Endlich wird hervorgehoben, daß der Ballon auch bei Nacht durch Leuchtsignale seine vielseitige Verwendbarkeit bewiesen hat.

In belagerten Festungen, wo bereits im Frieden alle Vorbereitungen getroffen werden können, wird der Fesselballon von größtem Vortheil sein, da er dem Belagerten eine Uebersicht über sämmtliche Angriffsarbeiten des Feindes ermöglicht. Immerhin wird auch der Fesselballon trotz aller Verbesserungen im Felde wie im Festungskrieg vom Wetter abhängig bleiben. Der Wind, welcher die Gondel in schaukelnde Bewegung versetzt, erschwert die Beobachtung der feindlichen Stellung oder die Aufnahme derselben durch photographische Apparate bedeutend, Nebel macht sie überhaupt unmöglich. Es sind in unserem Klima nur wenige Monate, welche einer Rekognoscierung aus dem Fesselballon günstig sind; das lehrt uns die Kriegsgeschichte. Man denke nur an den sprichwörtlich gewordenen „Nebel von Chlum“ am 3. Juli 1866! Immerhin wird aber der Ballon zur Anwendung kommen können, und daher muß jedes Heer, will es nicht dem Feinde einen Vortheil über sich einräumen, solche luftige Gesellen ins Feld mitschleppen. Daneben aber wird eine schneidige Kavallerie, zu allen Jahreszeiten verwendbar, für eine Armee das beste Fühlhorn bleiben.

Man denke sich ferner eine bei der heutigen Feuerwaffe rasch entschiedene Schlacht mit unglücklichem Ausgang! Wo bleibt der theure Ballon, der erst heruntergeholt werden muß, um von seiner Verbindung gelöst und an die Transporttaue befestigt werden zu können? Wo bleibt die schwere Dampfmaschine mit dem tief im Boden verankerten Rade? – –

Das sind so Bilder aus dem Kriege der Zukunft, wie sie die Phantasie vor unserem geistigen Auge heraufbeschwören kann. Möge uns die praktische Probe auf ihre Wahrheit noch recht ferne liegen! Muß dieser Krieg der Zukunft überhaupt kommen? Viele verneinen’s, und es sind edle Menschen, die diesen Glauben in sich und anderen nähren. Aber andere bejahen es, und auch sie berufen sich dabei auf ideale Gründe. Ihnen ist der Krieg wie unsrem Moltke ein nothwendiges Mittel zur Erziehung des Menschengeschlechts; erst kürzlich hat der preußische General von Boguslawski diesen Gedanken aufs neue mit Eifer verfochten. Wie dem auch sei: möge der Krieg uns noch lange erspart bleiben! Schon der Gedanke an seine Möglichkeit übt ja eine erziehliche Wirkung: er mahnt uns, ein kräftiges männliches Geschlecht heranzuziehen, und unverwandt regt er mächtig an die Geister der Erfinder!



Blätter und Blüthen.


Für Hamburg und Altona. Allerorten regt sich immer noch mächtig die Liebesthätigkeit für die von der Seuche so schwer heimgesuchten Städte. Zur Linderung der großen Noth, welche über die unglückliche Bevölkerung von Hamburg und Altona hereingebrochen ist, soll nun auch ein litterarisch-künstlerisches Unternehmen dienen, zu dessen Herausgabe sich eine Anzahl Hamburger Männer entschlossen hat. Es soll ein Album erscheinen mit Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Künstler Deutschlands, dessen ganzer Reinertrag den Nothleidenden zufließen soll. Die Beiträge, die an Herrn M. Deutschländer, Hamburg, Hohe Bleichen 16, einzusenden sind, sollen sich durchaus nicht vorwiegend auf das Unglück beziehen, das die beiden Städte betroffen hat, das Buch soll vielmehr einen von Nebenrücksichten unabhängigen ästhetischen Werth erhalten. Die Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter) in Hamburg hat den Druck und Verlag übernommen.

Wir zweifeln nicht, daß die Vertreter deutscher Kunst und deutschen Schriftthums die ihnen hier sich bietende Gelegenheit gern ergreifen werden, ihr Können in den Dienst eines so menschenfreundlichen Werkes zu stellen.

Die Albertinerinnen in Leipzig. Bei den heutigen Bestrebungen, der Frauenwelt neue Berufe zu eröffnen, wird fast zu sehr außer Augen gelassen, daß ein altehrwürdiger, der weiblichen Natur aufs genaueste entsprechender Beruf noch lange nicht genügend ausgefüllt ist, die Krankenpflege im Privatdienst. Die religiösen Genossenschaften, Diakonissen und Barmherzige Schwestern reichen bei weitem nicht aus für das Bedürfniß der stets wachsenden Bevölkerungen, deshalb traten schon länger Privatvereine ihnen zur Seite, deren Thätigkeit am Krankenbett, nach den gleichen Grundsätzen ausgeübt, die gleichen segensreichen Wirkungen hat. Unter ihnen steht in erster Reihe der Albert-Verein in Sachsen, welcher seinen Pflegeschwestern die beiden für Frauen der gebildeten Stände nothwendigen Erfordernisse gewährt: eine gründliche Schulung für die Krankenpflege und einen festen Anhalt, um zeitweilig von ihrem anstrengenden Beruf ausruhen und sich erholen zu können, das heißt, einen Ort, der ihnen die Heimath ersetzt. Erst wenn dies der Fall ist, erhält die berufsmäßige Krankenpflege Werth und Bedeutung sowohl für die Ausübenden als für das Publikum.

Wer es einmal mit angesehen und erlebt hat, wie in den Zeiten der Familienangst und Aufregung die „Schwester“ als guter Engel ins Krankenzimmer eintritt, wie unter ihrem ruhigen Einfluß der Kranke sich auch beruhigt, mit welcher Dankbarkeit er an ihr hängt, sobald sein Bewußtsein wieder klar wird, der weiß es, daß diesem anscheinend so schweren Beruf ein ganz ungewöhnlicher innerer Lohn gegeben ist. Der äußere reicht für die einfache Lebensführung aus. Unsre Zeit hat neben manchen recht unerfreulichen Schatten doch die große Lichtseite einer stets mehr überhand nehmenden Erkenntniß von der Verpflichtung des Einzelnen, für das Allgemeine zu wirken. Möchten das viele von den alleinstehenden Mädchen bedenken und den Entschluß fassen, ihre Kraft und Leistungsfähigkeit einer so edeln Sache zu widmen, um dafür eine Befriedigung zu ernten, wie sie ein verkümmertes Stillleben nie gewähren kann!

Ausführliches über das Institut der Albertinerinnen erfährt man im Asyl des Albert-Zweig-Vereins zu Leipzig, Eberhardstraße Nr. 7. III. Wir wünschen, daß diese Zeilen die Anregung zu recht lebhafter Nachfrage geben mögen! Bn.     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 770. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_770.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2023)