Seite:Die Gartenlaube (1894) 083.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Landrat“. Auf der dritten Karte war eine siebenzackige Krone zu sehen, darunter der Name: „E. de Montrose.“

„Wohin gehst Du, Ilse?“

„Ich wollte in den Garten, Papa, um Blumen zu holen für mein Zimmer und für den Speisesaal. Oder wünschest Du, daß ich mich ganz zurückziehe?“

„Behüte, Kind, behüte – mach’s, wie Du willst, ganz wie Du willst!“ Doßberg sprach erregt und abgebrochen. „Das heißt – ich meine – wir werden wohl ausfahren. Sage Fink, er soll den Jagdwagen einstweilen anspannen lassen, und wenn wir zurückkehren, soll ein Frühstück in meinem Zimmer serviert werden – nein, nein, nicht im Speisesaal, bei mir!“

„Schön, Papa!“

„Und Deine Blumen – ja, Kind. wär’ es nicht besser, Du ließest sie doch noch einstweilen? Man könnte vielleicht den Garten sehen wollen – und ich, ich weiß nicht –“

„Aber gewiß, das eilt ja gar nicht! Also auf Wiedersehen, liebster Papa – und – und kaltes Blut!“

Doßberg lächelte schmerzlich; Ilse küßte ihn eilig auf die Stirn und verschwand dann in der Tiefe der Vorhalle.

Das Arbeitszimmer des Barons war ein großer Raum mit schön gewölbter Decke, die eichene Ausstattung ernst und gediegen. Der große Gewehrschrank in der Ecke, der früher die kostbarsten Schußwaffen enthalten hatte, war jetzt fast leer; eine aus prachtvollen alten Schilden und Waffen zuammengestellte Trophäe, die früher die Mittelwand geziert hatte, fehlte gleichfalls – ein Sammler hatte bemerkenswert hohe Preise für beides gezahlt.

Von den drei Herren, die den Baron erwarteten, hatte sich’s nur ein einziger bequem gemacht; er saß oder lag vielmehr in einem der tiefen braunen Ledersessel, die zu beiden Seiten des großen Sofas standen. Der joviale etwas beleibte Landrat Melchior liebte es nicht, sich zu „strapazieren“, die lange Fahrt war ihm nicht gerade gemütlich gewesen, daher dehnte er seine Glieder jetzt in ungeniertester Weise und gähnte ein paarmal herzhaft, worauf er freilich jedesmal ein: „Pardon, meine Herren!“ folgen ließ. Justizrat Sorau, ein jüngerer Mann mit üppigem Bart und einem bedenklich gelichteten Haupthaar, klein, beweglich, mit liebenswürdigen Formen, verfehlte dann nie, ein verbindliches: „Bitte, bitte, mein lieber Landrat!“ hören zu lassen, während sein Nebenmann sich ganz teilnahmlos verhielt.

Es war dies ein großgewachsener, gewählt gekleideter Herr, anscheinend in der Mitte der Fünfzig, ein wenig hager, ein wenig steif in der Haltung, aber offenbar vornehm und nicht uninteressant aussehend. Haar und Bart, sehr dunkel und nur leicht mit Grau durchsetzt, waren sorgsam gepflegt, desgleichen die auffallend schönen schmalen Hände, von deren einer er den Handschuh abgestreift hatte. Das Gesicht hatte einen kalten und hochmütigen Ausdruck, sobald die Augen gesenkt waren. Hoben sich aber die Lider und entschleierten die grauen Augen, so war der Eindruck ein anderer. Es war ein Paar merkwürdiger Augen, ausdrucksfähig und tief – sie konnten einen Zwang ausüben, den schon mancher als lästig, mancher als fesselnd empfunden hatte; in sie hineinsehen, ohne irgend eine Wirkung dabei zu spüren, das konnte schwerlich jemand. Herr von Montrose hob aber selten die Lider ganz, meistens zeigten seine Augen einen verschleierten Blick, so auch jetzt, da er stumm neben dem Justizrat stand und auf dessen lebhafte Bemerkungen nur ab und zu durch eine leichte Kopfbewegung antwortete.(Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüten.


Professor Heinrich Hertz †. Das Jahr 1894 hat gleich zu seinem Beginn in die Reihe der deutschen Naturforscher eine schwere Lücke gerissen. Am Neujahrstage starb zu Bonn der Professor der Physik Heinrich Hertz, noch nicht ganz 37 Jahre alt, der Mann, dessen Forschergeist es gelang, das Wesen jener geheimnisvollen Kraft zu erfassen, nach der man so gerne unser Zeitalter zu benennen pflegt, der Elektricität.

Professor Heinrich Hertz,
gestorben 1. Januar 1894.
Nach einer Photographie von R. Krewaldt in Bonn.

Man wußte schon längere Zeit, daß die Licht- und Wärmestrahlen sich in Form von Wellenbewegungen oder Schwingungen einer feinen durch den ganzen Weltraum verteilten Substanz (gewöhnlich „Aether“ genannt) fortpflanzen; dem Rätsel der elektrischen und magnetischen Fernwirkungen dagegen stand man noch zweifelnd und tastend gegenüber. Wohl hatte der englische Physiker Maxwell vor 30 Jahren aus theoretischen Erwägungen geschlossen, daß auch die Elektricitat auf solchen Schwingungen beruhe, aber es fehlte der Beweis, und Maxwells Lehre fand ebensoviele Gegner wie Anhänger. Hertz ist es gewesen, der die so überaus schwierige Aufgabe gelöst, den Zusammenhang zwischen Licht und Wärme einerseits, Elektricität und Magnetismus anderseits durch Versuche bewiesen und damit die Einheit zweier bisher als verschieden betrachteter Gruppen von Naturerscheinungen dargethan hat.

Durch diese That hat sich Hertz mit einem Schlage in die erste Linie unter den Naturforschern aller Kulturvölker gestellt. Und doch war er damals, als er seine grundlegenden Untersuchungen ans Licht der Oeffentlichkeit brachte, noch nicht einmal ganz 32 Jahre alt! Am 22. Februar 1857 zu Hamburg geboren, hatte er erst dem Baufach sich gewidmet, dann aber mehr und mehr in mathematische und physikalische Studien sich versenkt, so daß er schließlich den praktischen Beruf aufgab, um sich ganz seiner Wissenschaft zu widmen. Nachdem er in Berlin als Assistent von Helmholtz tiefgreifende Anregung erfahren, ließ er sich in Kiel als Privatdocent nieder, wurde dann Professor an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, von wo er 1889 an die Universität Bonn berufen wurde. Wie viel hätte man von seiner so überaus glänzenden Begabung noch erwarten dürfen! Aber es hat nicht sein sollen! Ein schweres Leiden, das ihn seit langem quälte, hat seinem Wirken ein schmerzlich frühes Ziel gesetzt.

Der neue Bühnenvorhang im „Malkasten“ zu Düsseldorf. (Zu dem Bilde S. 80 und 81.) Ende des Jahres haben die Leser mit uns dem „Malkasten“ einen Besuch abgestattet, seinen Garten bewundert und bei einer Festbowle die hervorragenden Mitglieder der Düsseldorfer Künstlervereinigung kennengelernt. Der Festsaal, in welchem jene Bowle und seitdem wohl noch manche andere getrunken ward, besitzt auch eine Bühne für scenische Darstellungen, und für diese Bühnne hat Karl Gehrts einen neuen Vorhang gemalt, der, selbst ein Kunstwerk ersten Ranges, würdig ist, ein Künstlerhaus wie den „Malkasten“ zu schmücken. Die ideale Frauengestalt in der Mitte ist der Genius der Kunst, der Künstlerpoesie. Mürrische Verdrießlichkeit wird nicht geduldet in ihrem Reich, darauf deutet der mit der Schalksnarrenkappe geschmückte Putto, der einen Kauz mit schwanker Gerte neckt. Ueber dieser Gruppe treibt ein reizvolles Amorettenvölkchen in der Luft sein Spiel mit den Gerätschaften der Malerei. Im Hintergrunde schwebt der Elfenreigen, der bei keinem Gartenfeste des „Malkastens“ fehlt. Links in der Ecke ein Paar in vertraulicher Zwiesprach: es ist die Düsselnixe, die einen fleißigen Maler mahnt, des Tages Arbeit zu schließen und sich der frohen Geselligkeit hinzugeben. Ihnen gegenüber wird mit Klarinette und Gießkanne Musik gemacht – zu welcher Zeit auch solche Töne im Malkasten vernommen werden, das verrät die zurückgestülpte Karnevalsmaske auf dem Haupte des einen der lustigen Musikanten. In ihrer Nähe ruft uns ein trinkfröhlicher bierkrugbewaffneter Genius ein kräftiges „Prosit“ zu. Die landschaftliche Scenerie des Ganzen aber vergegenwärtigt den berühmten Garten, den Stolz und den sommerlichen Haupttummelplatz der Malkästner, durchströmt von der munteren Düssel. Eine üppige Borte von Blumen und Früchten umrandet diese Gebilde echter Künstlerromantik, darüber grüßt von einem Spruchband die durch ihre sonderbare sprachliche Form auffallende Losung des „Malkastens“ „Ich komme doch durch komme ich doch“, während unten das Wappen des Vereins mit Bierkrug und Hausschlüssel angebracht ist.

Der Künstlerhumor zeitigt bekanntlich manch glücklichen Bühnenscherz, und die Düsseldorfer Malkästner sind besonders berühmt um ihrer mimischen Leistungen willen. Das ist aber von jetzt an besonders in der Ordnung. Denn ein so schöner Vorhang verpflichtet die Darsteller, vor denen er sich hebt und senkt, zu ganz besonderen Anstrengungen.

Fastnacht. (Zu unserer Kunstbeilage und dem Bilde S. 73.) Die Schellenkappe aufs Haupt und die Maske vors Gesicht, damit man die Lichtungen und die grauen Fäden in deinem Haare nicht sieht und nicht merkt, wie ernst du bist, Welt! Nur einmal weg mit dem ewigen Rechnen und Sorgen und Streben und Grübeln, einmal im Jahr magst du dir’s gönnen, so recht von Herzen leichten Sinnes zu sein und dich im Strudel tollen Humors gesund und frisch zu baden! Karneval, lustiger Eintagsprinz,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_083.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2023)