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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

von Sully, war ihm zu Ende des Jahres 1615 eine Tochter geboren worden, die wie die Mutter Margarete hieß. Mit dem König Heinrich IV. war er eng befreundet gewesen, aber von der Regierung Ludwigs XIII., der im Jahre 1610 auf Heinrich IV. folgte und bis 1643 herrschte, glaubte er sich als Fürst und Protestant benachteiligt; zwischen ihm und dem Kardinal bestand persönliche Feindschaft. Nach mehrjährigen wechselvollen Kämpfen, in denen Rohan sich wiederholt hervorthat, siegte die überlegene Macht und Staatskunst Richelieus. La Rochelle, die Hauptfestung der Hugenotten, mußte sich im Jahre 1628 ergeben, und der Herzog von Rohan flüchtete mit Gattin und Tochter nach Genf, der Mutterstadt des französischen Protestantismus. Im Jahre 1629 schloß König Ludwig mit dem Herzog einen Vertrag, wonach die im Bürgerkrieg verfügte Beschlagnahme des ungehenren, über ganz Frankreich verbreiteten Güterbesitzes der Rohans unter der Bedingung wieder aufgehoben wurde, daß der Herzog, der in Genf der französischen Grenze zu nahe schien, bis auf weiteren königlichen Befehl nach Venedig in die Verbannung gehe.

Im August kam die herzogliche Familie in Venedig an. In treuem Zusammenhalten und in einer glücklichen Häuslichkeit fand sie einen Ersatz für die Entsagungen, die das Fernsein von der Heimat ihr auferlegte.

Der Herzog hörte auch als Verbannter nicht auf, für seine Glaubensgenossen zu wirken. Er trat mit dem griechischen Patriarchen von Alexandrien, Cyrillus, in Verbindung, der eine Einigung des Protestantismus mit der griechischen Kirche plante. Im Einverständnis mit dem Herzog schlug der Patriarch dem Sultan Murad IV. vor, die Insel Cypern gegen ein Kaufgeld von 200000 Thalern und gegen einen jährlichen Tribut von 20000 Thalern an den Herzog von Rohan abzutreten; Rohan sollte König von Cypern werden und seinen Glaubensgenossen auf der Insel eine Zufluchtsstätte bieten. Der Sultan stimmte zu. Nun konnte der Herzog jene zumal für die damalige Zeit beträchtliche Geldsumme nur zahlen, wenn er einige seiner Güter veräußerte. Da er selbst sich in Frankreich nicht zeigen durfte, seine Gemahlin aber seine Verbannung nur freiwillig teilte, so kamen beide überein, daß die Herzogin, eine geschäftlicher Verhandlungen nicht unkundige Dame, statt seiner nach Paris reisen sollte, um den Verkauf der Güter ins Werk zu setzen. Daß das Ehepaar eben jetzt der Geburt eines zweiten Kindes entgegensah, bildete kein Hindernis: im Gegenteil wünschte sich die Herzogin nötigenfalls die Hilfe von Pariser Aerzten zu sichern.

Während der Reisevorbereitungen erinnerte ein der herzoglichen Familie befreundeter venetianischer Senator, der ein welterfahrener Mann war, daran, daß es geraten sei, die Geburt eines herzoglichen Kindes in Paris geheim zu halten; werde ein Knabe geboren und erfahre der Kardinal Richelieu davon, so werde dieser gewiß die Mittel finden, das Kind der elterlichen Gewalt zu entziehen, um es in dem katholischen Glaubensbekenntnis aufwachsen zu lassen; daß das künftige Oberhaupt des Hauses Rohan wie der Vater Protestant werde und vielleicht zum Führer protestantischer Gegner der Regierung erwachse, verstoße zu sehr gegen die Politik Richelieus, als daß dieser nicht seine ganze Umsicht und Rücksichtslosigkeit aufbieten werde, um es zu verhindern.

Die Ausführungen des Senators und das Gewicht seiner Gründe leuchteten dem Herzog von Rohan durchaus ein: wußte doch auch dieser sehr wohl, daß der Kardinal der unversöhnlichste und verschlagenste seiner Feinde war. Es wurde daher beschlossen, daß die Herzogin in Paris zunächst in der Verborgenheit leben sollte.

Im Oktober 1630 trat die Herzogin, von ihrer damals fast fünfzehnjährigen Tochter und einer Kammerfrau begleitet, ihre Reise an. Sie bediente sich einer Sänfte, die bald von zwei Pferden, bald von mehreren Dienern getragen wurde. Ein jüngerer Freund des Hauses, ein Marquis von Ruvigny, folgte der Sänfte in einiger Entfernung zu Pferde, begleitet von zwei bewaffneten Lakaien; in der Nähe von Paris ritt er um einige Stunden voraus. Die Vorkehrungen waren so getroffen„ daß die Herzogin spät abends in Paris ankam und im Hause der Dienerin einer vertrauten Freundin abstieg. Am 18. Dezember gab sie einem Knaben das Leben. Das Kind wurde mit seiner Wärterin der Obhut eines den Rohans bekannten Apothekers Namens Rose anvertraut, und in dessen Hause blieb es für die nächsten Jahre. Do es nicht eben kräftig zu sein schien, so taufte man es bald; es erhielt den Vornamen „Tankred“, und als sein Vatersname wurde, da man seine wirkliche Abstammung für jetzt überall verheimlichen wollte, „Le Bon“ genannt. Dem Herzog wurde in aller Stille von der Geburt seines Sohnes Kenntnis gegeben. Allen, die um die Geburt des Kindes wußten, auch der Schwester desselben, wurde strenge Verschwiegenheit anbefohlen. Die Herzogin siedelte nach einiger Zeit des Nachts in ihr Stadtschloß in einer Weise über, daß jedermann glauben mußte, sie lange eben erst von Venedig an.

Der nächste Zweck der Geheimhaltung wurde erreicht: die Geburt des jungen Rohan entging den Spähern Richelieus, die sonst fast alles in Erfahrung brachten, was für ihren Herrn zu wissen nötig oder wünschenswert war. Aber dieser Erfolg, der überdies durch Verrat oder Zufall jeden Tag vernichtet werden konnte, war teuer erkauft. Was geschah und über welche Beweismittel verfügte man, wenn nach Jahren die Zugehörigkeit des Tankred Le Bon zum herzogliche Hause Rohan in Zweifel gezogen wurde? Es war ja fraglich, ob der Same von Mißhelligkeiten, der hier gesät war, einmal aufgehen werde, aber gesät war er, und das war um so ärgerlicher, als die geschäftlichen Verhandlungen, deretwegen die Herzogin ihre Reise nach Paris überhaupt untermomme hatte, nun, da sie sich ihnen hätte widmen können, zwecklos wurden. Der Patriarch Cyrillus storb, und mit dem Tode dieses gewandten und einflußreichen Unterhändlers zerschlug sich der Plan, Cypern anzukaufen; die Pforte trat von dem Verkauf zurück.

Inzwischen eröffnete sich dem Herzog von Rohan ein anderes, ihm noch mehr zusagendes Feld seiner Thätigkeit. Richelieu, der im eigenen Lande die Protestanten hart bedrängte, beschloß, in die Kämpfe des Dreißigjährigen Krieges mit einzugreifen und die deutschen Protestanten gegen Oesterreich und Spanien, die alten Feinde Frankreichs, zu verteidigen. Der Herzog von Rohan wurde von ihm im Jahre 1631 beauftragt, unter den Schweizer Kantonen Bundesgenossen für Frankreich zu werben und später im französischen Heere ein Kommando zu führen. Trotz wechselseitigen Hasses und Mißtrauens that Richelieu diesen Schritt, um den Einfluß und die Thätigkeit Rohans wieder für den königlichen Dienst fruchtbar zu machen, und Rohan nahm den Auftrog an, weil er ja nun wieder für die Rechte seiner Glaubensgenossen eintreten konnte.

Er bewährte sich als Diplomat wie als General und erhielt in Anerkennung seiner Verdienste im Jahre 1634 die Erlaubnis, nach Paris zurückzukehren. Bei dieser Gelegenheit sah er, nachdem er Frau und Tochter begrüßt hatte, seinen damals vierjährigen Sohn zum erstenmal. Geflissentlich besuchte er ihn nur selten und immer nur im geheimen. Ihn der Verborgenheit zu entreißen, konnte er sich auch jetzt noch nicht entschließen. Zwar hatte der König bewirkt, daß Herzog und Kardinal sich vor seinen Augen zur Versöhnung die Hand reichten, aber Rohan wußte genau, daß gerade Richelieu durch solche Scenen nicht ungefährlicher wurde und daß die Gründe, den jungen Tankred vor ihm zu bewahren, nach wie vor fortbestanden.

In der That brach auch der alte Hader zwischen beiden bald wieder in hellen Flammen aus. Es kam so weit, daß Abgesandte des Kardinals, der seinen mächtigsten inländischen Gegnern früher oder später in der Regel doch den Kopf vor die Füße legen ließ, den Herzog mit Gefangennahme, wenn nicht mit Ermordung bedrohten. Rohan flüchtete auf deutsches Gebiet. Er begab sich zu seiuem Freunde, dem Herzog Bernhard von Weimar, der damals in französischem Solde stand, und kämpfte an seiner Seite. Bernhard hegte hochfligende Pläne; er hoffte, sich am Oberrhein ein eigenes Fürstentum zu gründen, und Rohan hatte die Absicht, nach dem Friedensschlusse seine Tochter Margarete mit Herzog Bernhard zu verheiraten.

Während nun der Herzog von Rohan an den Kämpfen in Süddeutschland teilnahm, traf es sich – es war im Jahre 1636 –, daß ein spanisches Heer von den Niederlanden aus in Frankreich einfiel. In der Befürchtung, daß es Paris besetzen könnte, flüchteten viele Einwohner der Hauptstadt. Die Herzogin, auf der während der Abwesenheit ihres Gemahls die Sorge um den jungen Tankred doppelt schwer lastete, fürchtete zunächst nicht für sich, aber sie beschloß, ihren Sohn weiter nach Westen hin irgendwo unterzubringen, wo er vor den Wechselfällendes Krieges sicher wäre. Der Vater

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_676.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)