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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

worden. Die Zeit, in die Gustav Adolfs Geburt fiel, war in hohem Grad erregt. Alles drängte zu einer große Entscheidung zwischen dem alten und dem neuen System sowohl politischer als kirchlicher Art, und die Phantasie der Völker war von schauerlichen Bildern erfüllt. So auch in Schweden. Als Karl IX. vom Reichstag zum erwählten Könige der Schweden, Goten und Wenden erklärt wurde, soll es in Stockholm Blut geregnet haben. Die Geburt Gustav Adolfs selbst gab zu inhaltschweren Vorhersagungen Anlaß, welche auf Kampf, freilich auch auf Sieg hinwiesen. Auf ihn wurde eine Weissagung des Astronomen Tycho de Brahe gedeutet. Zehn Jahre vorher soll dieser einen in der „Kassiopeia“ neu entdeckten Stern ausgelegt haben als die Ankündigung eines großen nordischen Prinzen, der zum Retter der protestantischen Kirche erkoren sei.

König Karl IX. von Schweden und seine Gemahlin Christina.
Die Eltern Gustav Adolfs.

Schon als Kind zeigte Gustav Adolf ungewöhnliche Eigenschaften; seine Gutherzigkeit, seine militärischen Neigungen, seine Furchtlosigkeit traten früh hervor. In seinem zwölften Jahre sprach er außer seiner Muttersprache fertig Lateinisch, Deutsch, Holländisch, Französisch und Italienisch. Seine Vorliebe für die römischen Schriftsteller erhielt sich bis an sein Ende. Seine Erscheinung war immer gewinnend: hoher breitschultriger Wuchs, blondes Haar und blonder Bart, große blaue Augen.

Sein Vater hatte als erwählter Volkskönig unaufhörliche Kämpfe zu führen gegen seinen Neffen Sigismund von Polen, der dieser Königskrone zu lieb katholisch geworden war und gleichzeitig seine Ansprüche auf die Krone von Schweden aufrecht erhielt. Als Karl IX. 1611 starb, hinterließ er seinem jugendlichen Sohne nicht weniger als drei Kriege: den dänischen, den russischen und den polnischen. Alle drei führte Gustav Adolf ruhmreich durch, unter Ausdehnung der schwedische Oberherrschaft über die Ostseeländer von Esthland bis nahezu an Pommern. Sigismund war aber erst 1629 zu einem sechsjährigen Waffenstillstande zu bewegen, und die Kriegsgefahr erlosch endgütig erst mit dem 1632 erfolgenden Tode dieses Königs.

Gustav Adolf bestieg den Thron am 30. Oktober 1611 nicht auf Grund des bloßen Erbrechts, sondern erst, nachdem ein näher berechtigter Agnat, Herzog Johann, auf seine Ansprüche freiwillig verzichtet hatte, und nachdem er vom Reichstage förmlich gewählt war. Dies hatte dann später zur Folge, daß ihm nicht nur Kaiser Ferdinand I., sondern auch Ludwig XII. von Frankreich den nach damaliger Sitte nur altlegitimen Königen zukommenden Titel „Majestät“ verweigerte. Von letzterem erzwang sich Gustav Adolfs unerschütterliche Festigkeit die Zuerkennung des Titels.

Das königliche Schloß zu Stockholm.
Die Geburtsstätte Gustav Adolfs.

Aber nicht bloß der Form nach war der jugendliche Monarch ein Volkskönig; sobald er volljährig geworden, machte er das demokratische Königtum seines Großvaters zur vollen Wahrheit. Hatte er in der allerersten Zeit dem Adel Zugeständnisse machen müssen, so suchte er doch, sobald es möglich war, seine Stütze im dritten Stande, den Bürgern und Bauern. Wohl erklärte er das Recht, Gesetze vorzuschlagen, für einen ausschließlichen Besitz des Königs, aber er richtete die Gesetze, die er dem Reichstage vorlegte, auch so ein, daß dieser sie um ihrer selbst willen gutheißen mußte. Den Adel brachte er durch eine neue Ritterhausordnung, die diesen in drei Klassen teilte und dem Könige die Macht der Versetzung aus einer in die andere gab, in eine größere Abhängigkeit von der Krone als je zuvor, und dieses Abhängigkeitsverhältnis wurde dadurch noch vertieft und befestigt, daß er 1625 zur Errichtung eines stehenden Heeres schritt, die zwar unter ihm nicht mehr ganz vollendet wurde, deren großartiger Plan aber bis in unsere Tage die Grundlage des schwedischen Heerwesens geblieben ist. Die zahlreichen Offiziersstellen bildeten eine Lockspeise für den Adel und stellten dessen Kräfte zugleich in den wirklichen Dienst des Vaterlandes.

Der Hebung der Landwirtschaft, des Bergbaues, des Handels und Gewerbes widmete der König die größte Sorgfalt, schon um das Volk steuerkräftig zu machen und die notwendigen Mittel zur Führung der vielen kostspieligen Kriege zu gewinnen, und ebenso ließ er sich die allgemeine Rechtssicherheit angelegen sein. Streng

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_813.jpg&oldid=- (Version vom 22.9.2023)