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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Friedrich zu teil wurde und die er später als Vater seinen Söhnen geben ließ, in mancher Hinsicht als Vorbild dienen.

In diesem Sinne mögen die Erinnerungen an die Beziehungen Kaiser Friedrichs zur Turnkunst und der Turnerschaft aufgenommen werden; als ein eifriger Anhänger desselben hat er sich ja selbst bekannt. Bei Gelegenheit der Turnvorstellung der königl. Turnlehrerbildungsanstalt in Berlin am 19. März 1886 bemerkte der damalige Kronprinz in einer Ansprache an die Zöglinge, von jeher sei er ein großer Freund des Turnens gewesen, schon 1838, „als man das Turnen noch von einer anderen Seite angesehen.“

Welche Verdienste Kaiser Wilhelm I. um die Förderung des Turnwesens sich erworben, ist schon in den früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“ geschildert worden (vgl. u. a. Jahrg. 1888, S. 319). Kein Wunder also, daß er auch seinem Sohne von dessen frühester Jugend an eine sorgfältige körperliche Ausbildung geben ließ. Als Turnlehrer des Prinzen wurde Philipp Feddern berufen; er war ein einfacher Mann, ursprünglich Tischler, der dann dem Turnen, das er als Knabe auf dem Jahnschen Turnplatz in der Hasenheide liebgewonnen hatte, sich zuwandte. Allgemein beliebt und geachtet wegen seiner Biederkeit und mit Bescheidenheit gepaarten Tüchtigkeit, wegen seines sittlichen Ernstes, den er aber mit heiterem Sinn und froher Sangeslust sehr wohl zu vereinen wußte, ein aufopfernd treuer Freund, wahrhaft verehrt von der Jugend, steht Feddern noch heute, lange nach seinem Tode, in einem liebevollen Andenken bei seinen ehemaligen Schülern, die nunmehr ergraute Männer geworden sind.

Dieser Mann war wie geschaffen für den jungen Prinzen Fritz! Im Winter fanden die mit größter Regelmäßigkeit erteilten Turnstunden in Berlin statt, in einem Saale des von den Eltern bewohnten Palais. Dieser Saal war mit einfachem Turngerät, wie man solches damals auf dem Turnplatze gebrauchte, versehen. Im Sommer war’s freilich viel schöner. Da lebte man in Babelsberg, dem herrlichen Sitz an der Havel. Der Prinz bewohnte mit seinem Erzieher ein besonderes am Wasser gelegenes Häuschen. Unmittelbar daneben war das Badehaus, aus welchem man sofort in die freie Havel schwimmen konnte. Auch ein kleines Segelboot besaß der Prinz. So erlangte er schon in früher Jugend Fertigkeit im Schwimmen, worin er bekanntlich ein Meister war.

Die Statue der Berolina auf dem Alexanderplatz zu Berlin.
Entworfen von E. Hundrieser.

In der Nähe des Schlosses war in einem Eichenhain der Turnplatz angelegt. Hier wurde bei günstigem Wetter geturnt, bei ungünstigem ging man in einen Saal und trieb Hantel- und Stabübungen, auch Fechten, obwohl dieses von dem Fechtmeister am Kadettenkorps, Beneke, besonders gelehrt wurde. Zweimal in der Woche fuhr Feddern hinaus nach Babelsberg, sehr selten fiel eine Stunde aus. Am Turnen beteiligten sich noch einige Altersgenossen des Prinzen. Ein regelmäßiger und sehr eifriger Mitturner war der Erzieher, Ernst Curtius, der seitdem so berühmt gewordene Gelehrte, welcher, ein früherer Schüler Fedderns, es an Gewandtheit allen zuvor that, auch noch später als Professor in Göttingen das Turnen fortsetzte.

Prinz Fritz bewies bei dem Turnen dieselbe Treue und Gewissenhaftigkeit wie in allen übrigen Dingen, und so leistete er auch gleichmäßig Gutes.

Oft sahen die Eltern des Prinzen dem Turnen zu; auch der Prinzessin Luise gab Feddern Turnunterricht; sie entwickelte große Gewandtheit und Anmut in ihren Bewegungen.

Ein überaus schönes, ja herzliches Verhältnis bestand zwischen dem Prinzen und seinen Lehrern. Oefter wurden dieselben zu gemeinschaftlichem Essen eingeladen. Feddern, der stets im sogenannten altdeutschen Rock mit einer Reihe Knöpfe und bis oben zugeknöpfter Weste zur Turnstunde kam, fühlte sich anfangs unbehaglich, er versuchte, der Ehre der Teilnahme am Essen auszuweichen. Aber in liebenswürdigster Weise wurde er bedeutet, daß er als einer der Lehrer nicht fehlen dürfe, und so erschien er, ohne Anstoß zu erregen, in der gewohnten Tracht. Nur einmal mußte er sich zum Frack bequemen; das war 1848 in Charlottenburg bei der Konfirmation des Prinzen, zu der und dem darauf folgenden Galadiner König Friedrich Wilhelm IV. auch die Lehrer des Prinzen befohlen hatte. „Ja,“ hieß es, „Feddern, da mußt Du im Frack erscheinen.“ Er war in großer Verlegenheit, denn er besaß gar keinen Frack. „Frackverleihanstalten“ kannte man noch nicht. Es wurde ihm nun bedeutet, er möge nur kommen wie sonst. Das that er. In Charlottenburg aber nahm ihn ein Kammerdiener in Empfang, bekleidete ihn mit dem bereit gehaltenen Frack, band ihm eine weiße Binde um und machte ihn so salonfähig. Nach dem Diner legte er beide Kleidungsstücke wieder ab; das war das einzige Mal in Fedderns Leben, daß er einen Frack getragen.

Wie Prinz Fritz, so erhielten auch Prinz Friedrich Karl und der junge Prinz Albrecht von Feddern Turnunterricht, bis er – in der Nacht des 4. Juni 1849 – plötzlich an der Cholera erkrankte. Es war gerade Turntag. Ueberaus peinlich war es ihm, daß er nicht nach Potsdam fahren konnte. Sein Sohn mußte nach dem Bahnhof gehen, um nach Babelsberg die Nachricht zu besorgen, daß der Vater wegen Krankheit heute nicht kommen könne. Als er zurückkehrte, war dieser bereits verschieden. Elf Tage darauf starb auch die Mutter; für die verwaisten und vermögenslosen Kinder sorgten zunächst gute Freunde. Aber auch die Prinzen vergaßen ihren Lehrer nicht; sie ließen den Sohn Fedderns später auf ihre Kosten studieren.

Nach Fedderns schmerzlich beklagtem Tode übernahm Turnlehrer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0125.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)