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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)


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Blätter und Blüten.

Die geistigen Fähigkeiten der Frau nennt sich eine sehr bemerkenswerte Schrift von Dr. Otto Dornblüth (Rostock, Werther), welche vom Standpunkte des vorurteilsfreien Mediziners die vielumstrittene Frage eingehend beleuchtet. Alle Einwände der Gegner, die Verschiedenheit der geistigen Anlagen beider Geschlechter, die mangelhafte Frauenlogik, die körperliche Unfähigkeit zu stärkeren Anstrengungen, die Nervosität und Erregbarkeit der Frauen, alle diese werden nacheinander geprüft, um den Verfasser schließlich zu dem Resultat zu führen, daß wirklich begabte Mädchen die etwaigen Mängel ihrer wissenschaftlichen Ausbildung durch ernsthafte Studien ausgleichen können, daß ihnen gerade die weiblichen Eigenschaften der größeren Feinheit und Schnelligkeit im Beobachten sehr zu statten kommen und daß bei vernünftiger Lebensweise ihre Gesundheit keinen Schaden nimmt. Für die vielen anderen aber wünscht der Verfasser ein ernsthaftes gründliches Lernen und die Entwicklung zur geistigen Selbständigkeit. „Denn das Ziel, dem der berechtigte Kern der deutschen Frauenbewegung zustrebt, ist ja nicht die studierte Frau, sondern die wahrhaft gebildete Frau.“ Und er setzt weiterhin die schwerwiegenden Worte hinzu: „Leider ist das Vorurteil weit verbreitet, daß eine höhere Geistesbildung die wahre Weiblichkeit und den eigentlichen Beruf der Frau gefährde. Wie traurig müßte es um die Ehe bestellt sein, wenn sie darunter litte, daß die Frau etwas Ordentliches gelernt hat! Ich habe in meinem Beruf zahlreiche unglückliche Ehen kennengelernt, zahlreiche Male Liebe und Glück, Gesundheit und Kindererziehung scheitern sehen, aber ich habe nie beobachtet, daß daran die zu hohe Bildung der Frau schuld gewesen wäre. Um so öfter war es die Halbbildung mit ihrem Gefolge von Putz- und Vergnügungssucht, schlechter Wirtschaft, Unfähigkeit zur Fürsorge für Mann und Kinder.“

Möchten doch viele, die bisher suchten, die hochwichtige Frauenbewegung mit ein paar billigen Schlagworten abzuthun, diese Ausführungen lesen und dann bei Erziehung der ihrer Autorität unterstellten Töchter danach handeln! Die Familie vor allem würde den größten Nutzen davon haben! Bn.     

Fasanenkuckucke.
Nach dem Leben gezeichnet von P. Neumann.

Fasanenkuckucke. (Mit Abbildung.) Aus dem dichten, von Lianen durchwobenen Dorngestrüpp, das in Südost-Australien die Ränder des aus Brigalow-Akazien bestehenden Buschwaldes begleitet, klingen nach Sonnenuntergang eigentümliche Laute weithin über die Grassteppen, durch welche die Fluten des Darling westwärts zum Murray rauschen. Hohl und tief folgen sich mehrere flötende Laute, immer schneller und schneller, immer höher und kürzer schmiegen sie sich aneinander an, sie schwellen auf zu einem langgezogenen vibrierenden Triller, um schließlich mit einigen gedehnten, klagenden Lauten zu enden. Fasanenkuckucke sind die sonderbaren Musikanten, Vögel von der Größe einer Krähe, mit kräftigem, hakigem Schnabel, kurzen gerundeten Flügeln, mit ziemlich hohen Läufen und einem langen, flusigen und breitfederigen Schwanz. Sie haben, wie alle Kuckucke, Kletterfüße, d.h. die erste und vierte Zehe sind nach hinten gerichtet, die beiden anderen Zehen greifen nach vorn und zwischen den einzelnen Zehen sind Hefthäute nicht ausgespannt. Nur die mittelamerikanischen Rennkuckucke (Geococcyx) machen hierin eine Ausnahme, weil ihre Vorderzehen durch eine kurze Spannhaut verbunden sind. Der ausgefärbte Fasanenkuckuck hat einen schwarzen Kopf, Hals und Unterkörper; die Flügeldecken sind rostbraun mit gelb-brauner und schwärzlicher Zeichnung, die sich in Bändern und Stricheln ausdrückt. Die Schwingen tragen schwarzbraune Querbinden auf rotbraunem Grunde. Der Schwanz ist schwarz und auf den Außenfahnen der Federn rötlichbraun quergebändert. Alle Federfahnen glänzen lackartig. Die jungen Vögel sehen ganz anders aus; bei ihnen sind der Hals und die Brust schmutzig gelbbraun, der Bauch auf schwarzem Grunde hellbraun gebändert, der Kopf und Nacken rotbraun mit weißen Federschäften. In der ornithologischen Systematik heißen diese Vögel Centropus phasianus, weil sie den Eindruck von kleinen Fasanen erwecken, wenn sie über den Erdboden dahinrennen, und weil bei ihnen, ebenso wie bei ungefähr 35 ähnlichen, die Tropen der Alten Welt bewohnenden Arten, an der ersten Zehe eine lange, gerade Kralle sitzt, welche ihnen den Namen Sporenfuß („centropus“) eingetragen hat, wie man denn auch die Vögel dieser Gattung Sporenkuckucke nennt. Unser Bild ist nach zwei Exemplaren von Fasanenkuckucken gezeichnet, welche augenblicklich im Berliner Zoologischen Garten durch ihre merkwürdigen Stimmen und ihr lebendiges Wesen die Besucher fesseln. Sie befanden sich gerade in der Mauser, als der Künstler sie porträtierte, daher erscheinen die einzelnen Schwanzfedern ungleich lang. Die Fasanenkuckucke leben an Waldrändern im dichten Unterholz, durch welches sie sehr schnell zu laufen verstehen und worin sie sich so geschickt verbergen, daß der Jäger regelmäßig getäuscht wird. Zum Fliegen sind sie nicht leicht zu bewegen, und wenn es geschieht, so schweben sie mit wenigen Flügelschläge eine kurze Strecke weit, um dann irgendwo einzufallen. Ihre Nahrung besteht wohl vorwiegend aus Insekten, jedoch scheinen sie auch kleine Kriechtiere und Mäuse nicht zu verschmähen. Sie gehören zu den Kuckucken, welche selbst brüten, bauen ein großes napfförmiges Nest aus Gras und Blättern, welches im Gestrüpp steht, und legen reinweiße, ovale Eier. P. Matschie.     


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 37/1897 ]



[ Verlagswerbung für den „Gartenlaube-Kalender 1898“ ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_628.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)