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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Beim Würfelspiel. (Mit Abbildung S. 776 und 777.) Der kleine Gott Hazard ist eine der ältesten Gottheiten, mochte er auch im Olymp nicht hoffähig sein; aber die Römer und Griechen huldigten ihm in der Stille. Im Grunde ist er doch nur ein kleiner Page der großen Göttin Fortuna, der ja bei den Römern prächtige Tempel errichtet worden waren, wie bei der Stadt Präneste. Auch die Weisheit der Auguren hing von den Launen des Zufalls ab. Und ob rechts die Vögel stoßen oder links dahinter steckte doch der kleine Gott Hazard, der die Zeichensprache in den Lüften veranlaßte und den Zeichendeutern erst den Stoff gab zur Ausübung ihrer Kunst. Der glückliche Wurf aber ist nicht bloß im Altertum, sondern zu allen Zeiten die Bürgschaft des Erfolges; ja oft des Ruhmes. „Der Würfel ist gefallen,“ sagte Cäsar, als er über den Rubikon schritt und dies war ein glücklicher Wurf. Dies Würfelspiel aber geht durch die ganze Weltgeschichte und nicht immer steht das Glück im Einklang mit dem Gewinn oder auch nur mit dem Verdienst, und nur allzu oft ist es den Dummen hold. Der erstaunlichste Glückswechsel vollzog sich im Leben der berühmten Männer! Da heißt es: hie Jena und Austerlitz, hie Leipzig und Waterloo im Leben des ersten Napoleon und noch größer war der Schicksalswechsel im Leben des dritten, der von Hause aus ein verwegener Hazardspieler war. Doch mit dem blutigen Würfelspiel der Weltgeschichte haben die Würfel nichts zu thun, die auf unserem Bilde aus dem Becher gerüttelt wurden. Der Könner, der hier im Familienkreis weilte, befaßt sich nicht mit Staatsgeschäften. Ein glänzendes Gastmahl oder ein Ausflug in ein Bad dürfte der ausgesetzte Preis sein, den der Verlierende wird zahlen müssen. Mit leicht erklärlicher Spannung verfolgen darum die Mädchen den Gang des Spieles. †     

Vor der Jägerhütte. (Zu dem Bilde S. 773.) Ins Hochgebirg versetzt uns das lebenswahre und stimmungsvolle Bild C. W. Allers' – vor einer der Jägerhütten, wie sie an guten sich anbietenden Punkten für Jäger und Förster errichtet werden. Ludwig Ganghofer hat in dem soeben erschienenen von C.W. Allers und Hugo Engl trefflich illustrierten Prachtwerke „Das deutsche Jägerbuch“ (Union deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart) der Schilderung des Hüttenlebens im Hochgebirge ein besonderes Kapitel gewidmet. Er nennt das tage- und wochenlange Verweilen „auf der Hütte“ eine der richtigen Hochschulen für die Erkenntnis der Bergnatur. Unter dem breiten Schutzdach einer solchen Hütte hat C. W. Allers zwei Jägergestalten dargestellt. Der Mann mit der Brille ist Ganghofer selbst, der hinaufschaut in das rastlose Strömen und Gießen. Zu seinen Füßen senkt sich der waldige Berghang nieder ins Thal, das von dichten wirbelnden Nebeln erfüllt ist. Keuchende Windstöße rütteln die triefenden Tannen und peitschendem Regen, der mit klatschendem Knattern über das Schindeldach fällt. Aus der Hütte läßt sich aber das Prasseln des Feuers und das Klappern der Pfanne vernehmen. Das versetzt die beiden Jäger in eine gar behagliche Stimmung und sagt der eine zum andern: Gelten S’, nach so ei’m Marsch und bei so ei’m Wetter, da thut ei’n d’ Hütten wohl!“

Deutschlands merkwürdige Bäume: Der Weiden- und Erlenbaum
bei Groß-Gerau.

Nach einer Photographie von H. Ohnacker in Groß-Gerau.

Deutschlands merkwürdige Bäume: Der Weiden- und Erlenbaum bei Groß-Gerau. (Mit Abbildung.) Unsere Abbildung zeigt uns einen interessanten Doppelbaum, eine Erle, die auf einer Weide wächst. Der Weidenbaum ist noch in vollem Wuchse und ungefähr 2 m hoch, der daraufstehende Erlenbaum hat dagegen eine Höhe von 4 bis 5 m und einen Stammesdurchmesser von etwa 30 cm. Noch vor zwei Jahren war der Stamm des Weidenbaumes völlig unbeschädigt, jetzt aber haben ihn die Erlenbaumwurzeln allmählich gesprengt. Die Bäume stehen am Rande einer Wiese, die Groß-Gerau bei Darmstadt von Trebur, dem ehemaligen Tribur scheidet. *      

Kleine Krankenwärter. (Zu dem Bilde S. 781) So gut sollten es alle Kranken haben; drei teilnehmende Seelen zur Aufwartung, die einzig mit Anschauen, Zudecken und Füttern beschäftigt sind! Und nichts ist zu kostbar, um das teure Leben zu retten; der Mutter schöne Steppdecke, des Vaters Lodenmantel und das allerfeinste Bettkissen waren gerade recht, um den mutwilligen Lockenkopf zu beherbergen, der den ganzen Unfug angegeben hat und nun voll Spannung beobachtet, ob das gute kleine Schwesterlein, die Einzige, welche den Fall ernsthaft nimmt, ihr Süppchen richtig auf den Boden schütten wird. Auch der im Stuhl daneben gravitätisch sitzende „Herr Doktor“ scheint diesem Problem bedeutend mehr Interesse zu schenken als seinen verschiedenen Krankheitsfällen, denn hartherzig läßt er die offenbar vom Lande hereingekommene Patientin zu seinen Füßen warten, welche mit dem dickverbundenen Hals noch schlimmer dran zu sein scheint als das im Bett liegende leidende Fräulein. Die eigentliche Heilung wird jedenfalls erst in einigen Minuten beginnen, wenn die Thüre aufgeht und die Mutter hereinkommt. Himmel, wie schnell dann Krankheit, Patienten, Pfleger und Arzt verflogen und verschwunden sein werden. Bn.     

Gruben- und Gichtgase. Die Menge der in Kohlengruben während des Aufschließens der Schichten sich entwickelnden Gase ist weit größer, als man gewöhnlich denkt. Die gelegentlich auftretenden schlagenden Wetter, der schreckliche Beweis für ihr gehäuftes Vorhandensein, kommen ja glücklicherweise nur in den seltenen Fällen vor, wenn die Ventilationsmaschinen vorübergehend stillstehen oder wenn sich bei der Aufschließung eines Kohlenflößes ausnahmsweise gewaltige Gasmengen entwickeln, die vom Wetterschacht nicht mit gleicher Schnelligkeit bewältigt werden können. Unendlich viel größer als in diesen vereinzelten Fällen der Konzentration sind aber die Gas- oder Wettermengen, die im täglichen Betrieb der Gruben von dem Ventilator abgesogen und durch frische Luft ersetzt werden. Nach Untersuchungen des bergmännischen Laboratoriums in Saarbrücken, die sich auf 23 Kohlenzechen des Saargebiets erstrecken, werden hier auf jede Tonne gewonnener Steinkohle 500 bis 30 000 l Gas entwickelt, ja vereinzelte Vorkommen steigen bis auf 60 cbm oder 45 kg Gas auf die Tonne Steinkohlen. Das täglich freiwerdende Gasvolumen jener Gruben beträgt über 60 000 cbm, und wenn man es, anstatt vermischt mit der Luft der Wetterschächte rein auffangen könnte, so würde seine Heizkraft größer sein als diejenige der gleichzeitig produzierten Kohlenmengen. – Bessere Erfolge hat man mit der Bemühung gehabt, eine andere unerschöpfliche Gasquelle des Hüttenbetriebs, die Gichtgase des Hochofenprozesses industriell zu verwerten. Diese Gase, hauptsächlich Kohlenoxyd enthaltend, entstehen bei der Reduktion der Eisenerze in jedem Hochofen in großen Mengen und zählten früher zu den lästigsten Produkten des Hochofenbetriebs. Man ließ sie, um der Luftverunreinigung vorzubeugen, beim Austritt aus der oberen Oeffnung oder der sogenannten Gicht des Ofens lange Zeit einfach in mächtiger Flamme verbrennen, aber endlich fing man sie auf und leitete sie durch große Röhren ins Eisenwerk zurück, um mit ihrer Verbrennungswärme Dampfkessel zu heizen oder den Gebläsewind zu erwärmen. Jetzt haben die Leiter des „Hörder Vereins“ jenes bedeutenden Hüttenwerkes in Hörde bei Dortmund, gelungene Versuche angestellt, die Gichtgase, die ebenso explosiv wie luftuntermischtes Leuchtgas sind, auch direkt zum Betriebe von Gasmotoren zu verwenden. Zur Ausnutzung dieser Erfahrungen im großen werden zunächst zwei 600pferdige Gasmotoren gebaut, welche die größten bisher vorhandenen Maschinen der Art um das Doppelte übertreffen. Die Kraft derselben soll zum Antrieb von Dynamomaschinen benutzt werden, deren Strom die beim Hochofenbetrieb freiwerdende Kraft im Form elektrischer Energie anderen entfernteren Betrieben übermitteln soll. Bw.     


Inhalt: Einsam. Roman von O. Verbeck (16. Fortsetzung). S. 773. – Vor der Jägerhütte im Hochgebirge. Bild. S. 773. – Beim Würfelspiel. Bild. S. 776 und 777. – Marthas Briefe an Maria. Ein Beitrag zur Frauenfrage, mitgeteilt von Paul Heyse (2. Fortsetzung). S. 780. – Kleine Krankenwärter. Bild. S. 781. – Das Kind. Roman von Adolf Wilbrandt (7. Fortsetzung). S. 784. – Ein Tischlein deck’ dich. Bild. S. 785. – Blätter und Blüten: Beim Würfelspiel. S. 788. (Zu dem Bilde S. 776 und 777.) – Vor der Jägerhütte. S. 788. (Zu dem Bilde S. 773.) – Deutschlands merkwürdige Bäume: Der Weiden- und Erlenbaum bei Groß-Gerau. Mit Abbildung. S. 788. – Kleine Krankenwärter. S. 788. (Zu dem Bilde S. 781.) – Gruben- und Gichtgase. S. 788.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_788.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)