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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

kanadische Polizei, die im Fort Cudahy in der Nähe der Dawson-City stationiert ist, sondern auch die strenge Zucht, welche die Goldgräber selbst ausüben.

Zu allen Zeiten und in allen Ländern war das Goldgraben ein Wagnis, bei dem Hunderte gewannen, andere Hunderte aber zu Grunde gingen. In Alaska ist das Risiko noch größer als in Südafrika oder Australien. Das Goldgebiet ist schwer zugänglich. Man kann es auf zwei Wegen erreichen. Zunächst führt dorthin der Wasserweg. Von einem der westamerikanischen Häfen, San Francisko, Portland oder Dacoma, reist man zu Schiff nach St. Michael an der Mündung des Yukonflusses und dann mit Flußdampfer den Riesenstrom aufwärts nach Dawson-City. Die Fahrt dauert etwa einen Monat. Diesen Weg benutzen auch die heimkehrenden Prospectors, indem sie auf selbstgezimmerten Flößen rasch stromabwärts treiben um nach dem Klondykegebiet zu gelangen, benutzen sie aber mit Vorliebe den direkten Landweg von Juneau aus, ungeachtet der vielen Beschwerden, die sie auf ihm erleiden müssen. Der Goldgräber kann in das Innere Alaskas keineswegs, wie er geht und steht, vordringen, sondern muß ein großes Gepäck mit sich führen. Es ist unbedingt notwendig, daß er Lebensmittel für mindestens sechs Monate mitnimmt, da er sonst Gefahr läuft, auf den Goldfeldern zu verhungern; auch muß er die nötige Kleidung mit sich führen und darf allerlei Werkzeuge, nicht nur zum Goldgraben, sondern auch zum Holzfällen, Zimmern von Flößen usw. nicht vergessen. Diese Ausrüstung kann er sich in Juneau anschaffen oder auch schon in einer der Hafenstädte an der pacifischen Küste der Vereinigten Staaten besorgen.

Fahrt von Hundeschlitten.

Besondere Vorsicht ist bei der Wahl des Anzuges für den amerikanischen Winter geboten; er besteht außer wollenem Unterzeug aus einem Pelzanzug, Pelzmütze, Pelzstiefeln, über die noch Gummistiefel kommen, seidenen und Pelzhandschuhen und kostet 400 bis 500 Mark. Drei bis vier Centner wiegt die Gesamtausrüstung des Prospektors, die er natürlich selbst nicht tragen kann. Mit Pferden und Hundeschlitten kann er auch nicht überall vorwärts kommen, er muß vielmehr indianische Gepäckträger mieten. Die erste Schwierigkeit, die sich den von Juneau aus in das Herz von Alaska Vordringenden entgegenstellt, ist der Uebergang über den 1300 m über dem Meere gelegenen Chilkoot-Paß. Für einen geübten Bergsteiger bietet der Paß an sich keine besondere Gefahr, obwohl in ihm kein richtiger Weg und Steg angelegt ist. Es ist schon vorgekommen, daß Reisende ihn in zwei Tagen glücklich überwanden. Das ist aber nur bei klarem Wetter möglich. Stellen sich Nebel ein oder herrscht auf der Höhe Schneetreiben, oder gehen Schnee- und Steinlawinen in dem Paß nieder, dann kann der Uebergang acht und vierzehn Tage lang dauern. Oft sind dabei Reisende zu Grunde gegangen, so daß der Paß in bösem Rufe steht. Nicht viel besser ist ein anderer Uebergang über die Gebirgskette, der Weiße Paß, beschaffen. Doch verlautet es, daß er in den letzten Monaten geebnet worden sei und daß nunmehr sogar Reiter über ihn setzen können. Hat der Goldsucher einen dieser Pässe überschritten, so setzt er seine Reise weiter bald zu Lande, bald zu Wasser fort; auf selbstgezimmerten Flößen muß er über Seen, benutzt, wo es angeht, Flußläufe, wobei er Gefahr läuft, von reißenden Stromschnellen und Strudeln erfaßt zu werden. Auf dem Grunde der Gewässer haben schon viele ein vorzeitiges Ende gefunden. Dieses harte Ringen mit den elementaren Gewalten der Natur wird noch durch Scharen von Moskitos erschwert, die den Reisenden peinigen; in dem rauhen Klima stellen sich auch allerlei Krankheiten ein, Fieber und Skorbut bedrohen den Wanderer. Fürwahr, nur abgehärtete Naturen können diese Reise wagen. Nur während des Sommers ist sie möglich. Tritt im Oktober der Winter ein, dann lassen sich wohl kürzere Strecken in Hundeschlitten zurücklegen, aber die Pässe sind verschneit, das Goldland ist von der Kulturwelt so gut wie abgeschnitten. In dem strengen, durch lange Nächte gekennzeichneten Winter muß auch die Arbeit in den Goldwäschen ruhen. Nur die Monate Mai bis September sind wirkliche Erwerbsmonate auf den Goldfeldern von Alaska.

So ist die Reise nach dem neuen Dorado beschwerlich und kostspielig zugleich. Nur der darf's wagen, unter die Goldgräber zu gehen, der neben eiserner Gesundheit über ein Kapital von mindestens 4000 bis 5000 Mark verfügt. Es scheint aber, daß im vergangenen Herbst Tausende, die nicht genügend ausgerüstet waren, in zu später Jahreszeit sich nach dem Goldlande begeben haben. Haben sie alle ihr Ziel glücklich erreicht? Finden sie in Dawson- und Cercle-City genügende Lebensmittel, um über den Winter durchzukommen? Mit Besorgnis sieht man den neuesten Nachrichten aus Inner-Alaska entgegen.

Goldgräberfloß auf dem Yukon.

Inzwischen rüstet man sich in den Vereinigten Staaten und in England zum Erschließen des goldreichen Landes. In das Herz der Wildnis hinein sollen Eisenbahnen gebaut werden, um im Fluge die märchenhaften Goldfelder erreichen zu können. Allem Anschein nach steht Alaska eine glänzende Zukunft bevor, denn nicht nur die Goldwäschereien im Flußsande werden reiche Erträge abwerfen. Auch in den goldhaltigen Quarzgängen dürften viele Millionen stecken, und wenn die Eisenbahn Maschinen zur Goldgewinnung an den Klondyke schafft, dann wird unter dem Polarkreis voraussichtlich für lange Jahre ein lohnender Bergbau erblühen.

Bis aber geordnete Zustände eintreten, werden diese Goldfelder Tausenden schweres Ungemach bringen, denn das Goldgraben bleibt immer ein gewagtes Glücksspiel, in dem wenige gewinnen, viele aber alles verlieren.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 886. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_886.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)