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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

bei der Geburt Christi. Wie vielfach ist auch hier die Kinderwelt der Träger des alten Gebrauches. An den Abenden vom ersten Adventssonntage bis zu Weihnachten hört man die in ihrer Ursprünglichkeit eigenartigen Töne. Man bedient sich hierzu in der Regel wirklicher Tierhörner, meist von einem Ochsen, wie sie früher die Nachtwächter auf dem Lande hatten. Kortum in der „Jobsiade“ läßt seinen Helden z. B. in ähnlicher Ausrüstung auftreten.

Auf dieses Tierhorn ist dann noch ein Mundstück von Fliederholz als Verlängerung aufgesetzt. Hier und da nimmt man auch mit einem Blechhorn vorlieb. In der Heiligen Nacht ertönt das Horn zum letztenmal. Dann greift auch mancher Erwachsene zu diesem Instrument; es ist das Zeichen für den Nachbar, sich zum Gange nach der Christmette zu rüsten. In vielen Familien giebt es uralte Hörner, welche als Familienstück von Geschlecht zu Geschlecht vererbt werden, der jungen Welt zum Gebrauche und den Alten zur Erinnerung an vergangene Tage. Reinh. Brand.     

Das Fahrrad im Postdienste. (Mit Abbildung.) Seit einiger Zeit hat die Reichspostverwaltung die ihr zur Verfügung stehenden Beförderungsmittel durch das Fahrrad vermehrt. Wo es sich um eiligen Dienst handelt, wie bei Bestellung von Telegrammen und Eilbriefen, kommt vielfach das Zweirad in Anwendung. Die gut gebauten und durch überaus leichten Gang ausgezeichneten Postzweiräder sind schon äußerlich leicht zu erkennen, da sie gelb bemalt sind und an der Lenkstange oberhalb des ersten Rades auf weißem Schilde einen Reichsadler führen. – Die Dreiräder werden erst seit kurzem zur Beförderung der Briefbeutel von den Bahnhöfen zu den Stadtpostämtern und bei Entleerung der Briefkästen benutzt. Aehnlich wie die Geschäftsdreiräder sind sie mit einem abnehmbaren Kasten versehen. Räder und Kasten sind gelb lackiert und der letztere ist auf beiden Seiten mit dem Reichsadler auf weißem Felde geschmückt.

Das Fahrrad im Postdienste.
Nach einer Zeichnung von E. Thiel.

Unsere Abbildung führt uns in ihrem unteren Teile einen Postradfahrer vor, der Telegramme bestellt. Das Hauptbild stellt eine Scene dar, die man täglich auf dem oberschlesischen Bahnhof in Breslau beobachten kann. Eine „Batterie“ von Postdreirädern steht vor der Rampe des Bahnhofspostamtes und nimmt für die verschiedenen Stadtpostämter die Briefbeutel in Empfang, die der um 3/46 Uhr morgens von Berlin angekommene Schnellzug gebracht hat. Die Verwendung der Dreiräder für den Postdienst hat sich im Laufe des Sommers bewährt; ob die Beförderung im Winter auf verschneiten Straßen sich glatt abwickeln kann, wird die nächste Zukunft lehren. A. N.     

Thor zum Tempelplatz in Jerusalem. (Zu dem Bilde S. 801.) Bei der Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 n. Chr. ging auch der prächtige Tempel, den Herodes gebaut hatte, in Feuer und Flammen auf. Als die Römer sechzig Jahre später an Stelle des alten Jerusalems die Kolonie Aelia Capitolina gründeten, wurde auf dem heiligen Berge Morija ein heidnischer Tempel zu Ehren des Jupiter Capitolinus errichtet; auch dieser sank in Trümmer, als das Christentum siegte und die Leidensstätten Christi mit Kirchen und Kapellen überbaut wurden. Dann kam über Jerusalem die lange Zeit neuer Prüfungen.

Die Stadt gelangte im Jahre 637 in die Macht des arabischen Kalifen Omar, und die Bekenner des Propheten führten nun auf dem altberühmten Tempelplatze Bauten auf, die noch heute sich erheben. Auch für sie ist der Platz ein „geheiligter Bezirk“, „Háram esch Scherif“, denn an ihn knüpfen sich zahlreiche mohammedanische Legenden; von dieser Stätte soll unter anderem Mohammed auf seinem geflügelten Rosse Burák zum Himmel entrückt worden sein. Mauern umgeben den weiten, mit zahlreichen größeren und kleineren Bauten besetzten Raum; gegen Westen öffnen sich in ihnen acht und gegen Norden drei Thore. Das Hauptgebäude des Tempelplatzes ist der Felsendom, der auf einer viereckigen schön gepflasterten Terrasse liegt, zu der Stufen emporführen. Durch das weite Thor auf unserem Bilde fällt der Blick gerade auf den mächtigen Bau; er ist ein Achteck, dessen Seiten je 20 m Länge besitzen; in seiner Mitte erhebt sich über einer Trommel eine hölzerne mit Metall bedeckte Kuppel. Im Innern des Domes ruht der 17,7 m lange und 13,5 m breite heilige Fels. Die Mohammedaner glauben, daß der Stein den Seelenbrunnen verdecke, an dem sich die Seelen der Verstorbenen zu Gebeten versammeln; er soll zu Mohammed und zum Kalifen Omar gesprochen haben; er habe auch dem Propheten in den Himmel folgen wollen, sei aber vom Engel Gabriel zurückgehalten worden.

Unter dem Felsen befindet sich eine Höhle, in der sich Betplätze Davids und Salomos befunden haben sollen. In dem Dome selbst sind noch andere Heiligtümer der Mohammedaner zu sehen, so z. B. eine Fußspur des Propheten, Fahnen Mohammeds und Omars, eine Nachbildung von Alis Schwert und dergleichen mehr.

Neben dem Felsendom erheben sich auf der Terrasse einige andre Bauten, der Kettendom, der Geisterdom, der Himmelfahrtsdom, an die sich wieder verschiedenartige Sagen und Legenden knüpfen. Im südlichen Teil des Tempelplatzes liegt die Moschee El-Aksa, die ursprünglich eine von Kaiser Justinian erbaute christliche Kirche war. Einst war der Zutritt zu dem ehemaligen Tempelplatze nur den Muslim gestattet; seit etwa vierzig Jahren ist der Besuch auch den Andersgläubigen freigegeben; die Juden meiden aber zumeist die vor allem ihnen heilige Stätte; denn man weiß nicht mehr genau, wo das Allerbeiligste stand, und sie scheuen sich, durch unwissentliches Betreten dieser Stelle eine Sünde auf sich zu laden. *     

Eine Kupferpflanze. Es ist Thatsache, daß mit dem Wechsel in der Bodenzusammensetzung auch ein solcher der auf diesem Boden wachsenden Pflanzenarten Hand in Hand geht. Im Gebiete des mittleren Deutschlands z. B. zeigt die Flora ganz bestimmte Züge, je nachdem sie sich etwa auf Muschelkalk oder Buntsandstein befindet, im Sande der Lüneburger Heide wachsen andere Pflanzen als im Vorlande des Harzes. Manche Pflanzen kommen auf bestimmten Bodenarten überhaupt nicht oder doch nur sehr schlecht fort; so wächst z. B. die Edle Kastanie niemals auf Kalkstein, mit Ausnahme gewisser Stellen in Oesterreich.

Häufig begegnet man Männern der Praxis, wie Forstleuten, Landwirten und Geologen, die nach den Pflanzenarten, die sie finden, in vielen Fällen zutreffend die Zusammensetzung des Bodens beurteilen, ohne daß sie weitere Untersuchungen anzustellen brauchen.

In „Gardeners Chronicle“ wird nun eine Pflanze aus Queensland beschrieben, Polycarpaea spirostylis, aus der Familie der Caryophyllaceen, der z. B. auch unsere Nelke und weiter die bekannte Kornrade angehören, die dort nur auf kupferhaltigem Boden wachsen soll. Analysen der Pflanzen zeigten, daß die Aschen stets eine bestimmte Menge Kupfer enthielten, was um so auffälliger ist, als Kupfersalze sonst auf die Pflanze giftig einwirken, wenn sie durch die Wurzeln – und eine andere Möglichkeit liegt doch hier nicht vor – aufgenommen werden. Die dortigen Bergleute machen sich die Art dieses Vorkommens zu nutze, indem sie nach Kupfer und seinen Verbindungen nur dort suchen, wo die Pflanze häufiger vorkommt.

Etwas Aehnliches bietet übrigens unser europäisches Galmeiveilchen, das nur auf galmeihaltigem Boden, namentlich den Halden alter Bergwerke, in denen Galmei zum Zweck der Zinkgewinnung einst gefördert wurde, vorkommt, ohne daß es freilich Zink in seinem Gewebe aufspeicherte. Dr. – dt.     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0804.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2023)