Seite:Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 2 Bd. 35 (1891) 08.jpg

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Gar wohl läßt auf diese heiligste Frau sich anwenden, was der weise Salomo sagt[1]: „Sie breitete ihre Hände aus zu dem Armen, und reichte ihre Hand dem Dürftigen. Sie fürchtet nichts für ihr Haus von der Kälte des Schnees, denn alle ihre Hausgenossen tragen zwiefache Kleider. Sie machte sich selbst Decken; weiße Seide und Purpur war ihr Kleid. Ihr Mann ist berühmt in den Thoren, wenn er sitzt bei den Aeltesten des Landes. Tapferkeit und Anstand ist ihr Kleid, und sie wird lachen am letzten Tage. Sie that ihren Mund aus mit Weisheit, und auf ihrer Zunge war holdselige Lehre. Sie schaute wie es in ihrem Hause zugehe und aß ihr Brod nicht mit Faulheit. Ihre Söhne erhoben sich und priesen sie selig, ihr Mann lobte sie. Viele Töchter bringen Reichthum, du aber übertriffst sie alle.“

Was wir aber von ihr erzählen, das ist uns nicht durch Hörensagen, sondern durch den Augenschein und eigene Erfahrung kund geworden; viele Worte des Heils haben wir von ihr vernommen, häufige Geschenke empfangen. Denn die Geld bedurften, machte sie oft an Golde reich, und die, so kaum den täglichen Aufwand bestreiten konnten, erhob sie zu glänzenden Ehren. Zur Zierde der Welt mit dem ersten und größten Otto, dem berühmtesten Kaiser des Erdkreises, vermählt und zum Heile vieler die Mutter eines Kaisergeschlechtes, verdiente sie jenes Segens theilhaft zu werden, dessen Tobias, wie wir in dieses Vaters Buch lesen, sich rühmen durfte, daß er schauen solle die Kinder seiner Kinder bis ins dritte Glied.

9736. Als nun der kaiserliche Otto den Weg alles Fleisches gegangen war, leitete die Kaiserin lange Zeit mit ihrem Sohne glücklich die Herrschaft des römischen Reiches. Als aber nach göttlicher Fügung gerade durch der Kaiserin Verdienst und Betriebsamkeit der Vorrang des römischen Kaiserthums fest begründet


  1. Sprüchwörter 31, 20–29.